Sicherheit

Fahrassistenz & eCall: Wie sicher sind moderne Autos?

Das heutige Auto kann seine Umge­bung wahr­nehmen, teils autonom agieren und selbst­ständig Hilfe holen. Wir gehen auf die Funk­tions­weise, die Entwick­lung der Verkehrs­unfälle und die Meinung der Nutzer ein.
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Die Sicher­heit im Stra­ßen­ver­kehr soll sich durch den Einsatz zahl­rei­cher Assis­tenten und dem Notruf­system eCall verbes­sern. In ein paar Jahr­zehnten erträumt sich die Verkehrs­politik sogar ein Umfeld nahezu ohne Verkehrs­tote. Doch welche Fahr­assis­tenz­sys­teme gibt es und wie funk­tio­niert der Auto-Notruf im Detail? Werden diese Maßnahmen gut von den Fahr­zeug­füh­rern ange­nommen oder über­wiegt die Skepsis? Diesen Fragen wollen wir in diesem Bericht auf den Grund gehen. Dabei ziehen wir unter anderem diverse Statis­tiken und Umfragen zurate. Außerdem widmen wir uns dem Thema Daten­schutz im vernetzten Auto.

Das Auto wird schlauer – aber auch sicherer?

Die Sicherheit aktueller Automobile Die Sicherheit aktueller Automobile
Verbraucherzentrale NRW
Moderne Kommu­nika­tions­schnitt­stellen und Künst­liche Intel­ligenz haben das Drum­herum des Auto­fah­rens auf ein neues Niveau gehievt. Sie sollen Unacht­sam­keit von Verkehrs­teil­neh­mern kompen­sieren und in Gefah­ren­situa­tionen autonom agieren. Im Alltag erleich­tern diverse Komfort­funk­tionen die Fahrt sowie das Ein- und Ausparken. Zumin­dest in der Theorie klingen die Vorteile von Fahr­assis­tenz­sys­temen und dem Notruf­system viel­ver­spre­chend. Wir erör­tern die aktu­ellen Helfer, die Geset­zes­lage, die Entwick­lung der Stra­ßen­ver­kehrs­unfälle und die Wahr­neh­mung der Auto­fahrer.

Stand der Fahr­assis­tenz­sys­teme

Seit 6. Juli 2022 gibt es euro­paweit strenge Vorgaben durch die Gesetz­geber. Die EU-Verord­nung 2019/2144 verpflichtet alle Hersteller, in neu entwi­ckelten Auto­mobilen acht Assis­tenten an Bord zu haben. Zunächst sei der Müdig­keits­warner genannt. Über Sensoren werden die Augen und Augen­lider oder das Lenk­ver­halten analy­siert. Bei einem unge­wöhn­lichen Verhalten alar­mieren akus­tische und opti­sche Signale, dass es für den Fahrer Zeit für eine Pause ist. Beim Unfall­daten­spei­cher handelt es sich um eine Blackbox für den Wagen. Sie erfasst anonym Daten wie Geschwin­dig­keit, Verzö­gerung, Neigung, Posi­tion und eCalls.

Schafft es der Auto­fahrer nicht, akkurat zu bremsen, kommt das Notbrems­licht zum Einsatz. Es blinkt mehr­mals pro Sekunde, sobald die Verzö­gerung unter­halb von sechs Metern pro Sekunde fällt. Der intel­ligente Tempomat ist ein weiterer vorge­schrie­bener Helfer. Er zeigt die geltende Höchst­geschwin­dig­keit und warnt beim Über­schreiten visuell sowie akus­tisch. Die notwen­digen Daten entstammen der Verkehrs­zei­chen­erken­nung und dem GPS-Modul. Im Stra­ßen­ver­kehr ist das Einhalten der Spur ein wich­tiger Faktor. Mittels Spur­hal­teas­sis­tent gibt es eine Warnung beim Abkommen von der Fahr­bahn. Im Ernst­fall lenkt das System auto­matisch gegen.

Detail­lierter als der klas­sische Rück­spiegel und mit Hilfs­linien versehen, erleich­tert der Rück­fahr­assis­tent dank mehrerer Kameras das Ein- und Ausparken sowie Rück­wärts­fahren. Passanten und Hinder­nisse werden über­dies kennt­lich gemacht. Uner­war­tete Ereig­nisse mit drohender Kolli­sion ermäch­tigt den Notbrems­assis­tenten, eigen­ständig die Geschwin­dig­keit des Wagens zu redu­zieren. Zugleich gibt es einen visu­ellen oder akus­tischen Hinweis. Zu guter Letzt sei die Wegfahr­sperre unter Alko­hol­ein­fluss genannt. Alle Neuwagen ab Juli 2022 müssen über eine stan­dar­disierte Schnitt­stelle für die Nach­rüs­tung einer solchen Funk­tion verfügen.

Ab Juli 2024 dürfen keine Autos ohne die zuvor genannten Assis­tenten mehr zuge­lassen werden.

Notruf­system und Verkehrs­unfälle

Stand des elek­tro­nischen Notruf­sys­tems

Das eCall getaufte Notruf­system für Auto­mobile ist seit dem 31. März 2018 in allen EU-Mitglieds­staaten Pflicht. Zumin­dest sofern das Fahr­zeug ein Gewicht von 3,5 Tonnen nicht über­schreitet. Die EU-Kommis­sion schätzt, dass durch eCall jähr­lich bis zu 2500 Menschen­leben gerettet werden. Doch wie funk­tio­niert das System eigent­lich? Bei schweren Auto­unfällen, beispiels­weise mit Airbag-Auslö­sung, wird auto­matisch ein 112-Notruf abge­setzt. Alter­nativ ist es einem Mitfahrer möglich, selbst aktiv den Notruf zu wählen. Analyse eines Fahrassistenzsystems Analyse eines Fahrassistenzsystems
Auto Bild
Zur Kontakt­auf­nahme und Stand­ort­bestim­mung finden Mobil­funk und GPS-Verwen­dung. Für eCall müssen eine Mobil­funk­antenne, ein Steu­ergerät mit fest instal­lierter SIM-Karte, ein GPS-Empfänger mit Unter­stüt­zung für Galileo-Ortungs­daten, eine Verbin­dung zum Airbag-System und eine Frei­sprech­ein­rich­tung vorhanden sein. Auf Wunsch wird zuerst ein Notruf an den Fahr­zeug­her­steller abge­setzt. Davon rät der ADAC jedoch ab, da es zu Verzö­gerungen käme und teil­weise Infor­mationen falsch weiter­geleitet wurden.

Das eCall-Verfahren unter­richtet die Rettungs­kräfte auto­matisch über den Unfall­zeit­punkt, den Standort des Autos und die Art der Alarm­aus­lösung. So erhalten die Sani­täter rele­vante Infor­mationen auch bei nicht mehr ansprech­baren Personen.

Entwick­lung der Verkehrs­unfälle

Diverse Stimmen seitens der Behörden und Fabri­kanten beteuern, dass sich Fahr­assis­tenz­sys­teme und eCall positiv auf die Entwick­lung der Verkehrs­unfälle auswirken. Zumin­dest zum Teil sollen sie für die sinkende Anzahl der Verkehrs­toten verant­wort­lich sein. Wir verglei­chen nun die bundes­weiten Unfall­sta­tis­tiken von vor zehn Jahren mit den aktu­ellen. Etwa 2,4 Millionen Unfälle mit 3600 Toten und 384.378 Verletzten wurden 2012 proto­kol­liert. In 2020 waren es 2,25 Millionen Unfälle mit 2719 Toten und 327.550 Verletzten. Vergan­genes Jahr wurden 2,35 Millionen Unfälle mit 2562 Toten und 323.129 Verletzten gemeldet.

Trotz des deut­lich gestie­genen PKW-Bestands inner­halb der letzten zehn Jahre ging die Anzahl der Toten und Verletzten also sukzes­sive zurück. So waren laut Umwelt Bundesamt 2012 rund 43,4 Millionen, 2020 knapp 48,2 Millionen und 2021 circa 48,5 Millionen Autos auf Deutsch­lands Straßen unter­wegs. Bezüg­lich des Nach­wuchses gibt es auch eine posi­tive Entwick­lung. Laut statis­tischem Bundesamt verun­glückten 2021 etwa 22.270 Kinder, ein Jahr zuvor waren es 22.460 und in 2012 unge­fähr 29.320.

Reso­nanz der Verbrau­cher und Fazit

Fahr­assis­tenten und Notruf­system: Reso­nanz

Zwar mögen die Assis­tenz­sys­teme und eCall ihre Vorteile haben und wahr­schein­lich auch zu weniger schwer­wie­genden Unfällen führen, dennoch können sie noch nicht voll­ends über­zeugen. Das zeigt unter anderem eine Umfrage über Fahr­assis­tenten von DA Direkt aus Ende 2020. So haben 37 Prozent der Befragten Angst, durch Fahr­assis­tenz­sys­teme im Stra­ßen­ver­kehr abge­lenkt zu werden. Im Vergleich zu 2019 ging die Anzahl der Unfälle durch Ablen­kung jedoch von zehn auf acht Prozent zurück. Teils sei dies aber auf das gerin­gere Verkehrs­auf­kommen durch Corona zurück­zuführen. Umfrage über Fahrassistenten Umfrage über Fahrassistenten
DA Direkt
Die häufigste Ablen­kungs­ursache (über ein Drittel) bei den 18 bis 29-Jährigen war die Smart­phone-Nutzung. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Auto­fahrer haben wiederum kein Vertrauen in die smarte Tech­nologie bei Gefah­ren­situa­tionen. Ein Groß­teil der Nutzer (56 Prozent) ist aufgrund poten­zieller tech­nischer Probleme besorgt.

Eine andere Umfrage aus dem Dezember 2018 widmete sich dem Notruf­system eCall. Sie wurde von den Markt­wäch­tern der Verbrau­cher­zen­tralen durch­geführt. Demnach haben 52 Prozent der Befragten Angst vor Hacker­angriffen. Hingegen mehr als ein Drittel (35 Prozent) sind aufgrund mögli­cher Fehl­alarme skep­tisch.

Digi­tale Dienste im Auto: Knack­punkt Daten­schutz

Ein nicht zu unter­schät­zender Aspekt der neuar­tigen Fahr­zeug­sicher­heits­sys­teme ist der Daten­schutz. Dienste, die über Mobil­funk kommu­nizieren, über­mit­teln teils sensible Infor­mationen. Eine Umfrage der Verbrau­cher­zen­trale NRW aus dem November 2019 zeigt auf, wie viel Vertrauen die Auto­fahrer hinsicht­lich des Daten­schutzes in die betref­fenden Systeme haben. Bei den aktiven Nutzern (72 Prozent) vertrauen 30 Prozent darauf, dass ihre Daten sicher sind, 42 Prozent hingegen nicht. Die zukünf­tigen Nutzer (64 Prozent) sind eben­falls miss­trau­isch. Von ihnen sind 26 Prozent von einer Daten­sicher­heit über­zeugt, 38 Prozent wiederum nicht.

Wenn es darum geht, ob die Anbieter der Services hohe Sicher­heits­stan­dards einhalten, zeigt sich ein ähnli­ches Bild. Von den aktiven Nutzern (74 Prozent) vertrauen 31 Prozent darauf und 43 Prozent nicht. Bei den zukünf­tigen Anwen­dern (64 Prozent) steht es 28 Prozent zu 42 Prozent.

Fazit zur Sicher­heit beim Auto­fahren

Dass viele Fahr­assis­tenz­sys­teme und eCall verpflich­tend sind, ist sicher­lich ein posi­tiver Trend, um Gefahren im Stra­ßen­ver­kehr zu mindern und im Ernst­fall Hilfe zu initi­ieren. Inwie­weit sich die Tech­nolo­gien auf den posi­tiven Trend bei Verkehrs­unfällen auswirken, lässt sich aber nicht voll­ends erör­tern. Hinsicht­lich der Zuver­läs­sig­keit und des Daten­schutzes gibt es noch Bedenken seitens der Bevöl­kerung. Sollten sich diese Aspekte zukünftig bessern, dürfte dies auch die Skepsis vieler Anwender schmä­lern.

Even­tuell könnte für Sie das E-Bike eine Auto-Alter­native werden.

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