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Editorial: IP oder nicht IP, das ist hier die Frage

Von hinten durchs rückkanallose Netz dennoch ins Tor
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Es soll beim Fußball schon passiert sein, dass der Ball im Netz lag, aber nicht, weil er regulär über die Torlinie geschossen worden war, sondern weil der Ball vom Seitenaus gegen das Netz geprallt war, und sich dort gerade ein Loch im Netz befand. So ähnlich, wie sich Zuschauer und Spieler durch ein solches Missgeschick getäuscht fühlen können, dürften sich derzeit auch die Verantwortlichen bei der Deutschen Fußball-Liga bzw. dem Deutschen Fußball-Bund fühlen. Hatten diese doch im Herbst die Rechte für die Live-Ausstrahlung der Bundesliga per Kabel und Satellit an Arena vergeben, und zusätzlich die Rechte für die Live-Ausstrahlung per Internet an die Deutsche Telekom. Der langjährige Partner Premiere war leer ausgegangen. Und jetzt kommt die Meldung, dass Premiere dank der Hilfe der Telekom doch weiterhin die Bundesliga senden will!

Während man sich nach offizieller Lesart auf beiden Seiten in "in konstruktiven und partnerschaftlichen Gesprächen" befindet, dürften in Wahrheit hinter den Kulissen die Wellen hoch schlagen. Die Interessen sind einfach zu verschieden. Für die Telekom bietet die Partnerschaft mit Premiere die Möglichkeit, etliche Millionen zusätzlich zu verdienen. Arena ist sauer über die verlorene Exklusivität im Kabelnetz und Premiere wiederum braucht die Rechte, um nicht massenhaft Kunden zu verlieren. DFL/DFB riskieren wiederum ihr Ansehen bei den Vertragspartnern, was bei der nächsten Runde in drei Jahren zu deutlichen Mindereinnahmen führen könnte. Zudem drohen Nachverhandlungen und gerichtliche Klagen durch Arena, die bereits in der laufenden Periode zu Mindereinnahmen führen können.

Zum technischen Hintergrund muss man wissen, dass Premiere die Bundesligaspiele nur deswegen parallel und live ausstrahlen kann, weil digitale Technik verwendet wird, die es ermöglicht, mehrere Fernsehprogramme auf einem Kanal zu übertagen. Dieses Digitalsignal ist in der Regel als MPEG-2-Datenstrom kodiert. Ein ähnliches Verfahren wird zum Beispiel auch auf der DVD verwendet. Technisch ist es nun ein einfaches, den MPEG-Datenstrom zusätzlich in Internet-Pakete (kurz IP) zu verpacken. Diesen doppelt kodierten Datenstrom, digitales Fernsehsignal in MPEG-2 in IP, kann man nun über dieselben Medien verteilen wie "normale" Fernsehprogramme, also insbesondere Satellit und Kabel.

Beim Empfänger reicht vermutlich ein relativ einfaches Update des bestehenden Premiere-Dekoders, oder eine weitere kleine Zusatzbox, um diesem beizubringen, die für die Wiedergabe unnötigen IP-Paket-Header wieder wegzuschmeißen, um an den in den Paketen enthaltenen MPEG-Strom zu gelangen. Dieser kann wie bisher vom Digital-Dekoder zur Anzeige auf dem Fernseher aufbereitet werden.

Nun war allen Beteiligten von vornherein klar gewesen, dass es möglich sein würde, Internet-TV per TV-Ausgang des Computers auch auf dem Fernseher zu betrachten. Die dadurch bedingten Verluste an möglichen Sehern hat Arena aber als klein eingeschätzt und in die Geschäftspläne einkalkuliert. Der harte Tobak ist nun, dass nach dem oben genannten Prinzip das "Internet-Fernsehen" auch ohne Internet-Anschluss funktioniert! IP-Broadcast macht es möglich!

Welche Senderechte hat die Telekom wirklich?

T-Online wird bei der Verhandlung der Rechte mit der DFL schon so schlau gewesen sein, sich den Vertrieb der Inhalte über alle Internet-Varianten zu sichern, insbesondere also auch Breitbandkabel und Satellit. Ob sich aber die Telekom auch das Recht zugesichert hat, die Inhalte über "Internetdienste ohne Rückkanal" zu verbreiten? Denn rückkanalloser Broadcast ist schon etwas anderes, als die im Internet üblichen und den Charakter prägenden Client-Server-Verbindungen. Ein "Internet-Zugang", auf dem man nur ganz bestimmte Inhalte abrufen kann, ist nunmal kein vollwertiger Internet-Zugang.

Spätestens dann, als die Telekom bei den Verhandlungen über "IP-Broadcast" sprach, hätten die Verantwortlichen von DFL und DFB hellhörig werden müssen. Sind sie es nicht geworden und haben sie der Telekom sogar den IP-Broadcast erlaubt, befinden sie sich nun zurecht gegenüber Arena in der Bredouille. Ist der IP-Broadcast hingegen zwischen DFL und der Telekom nicht verhandelt worden, begibt sich die Telekom auf dünnes Eis, wenn sie dennoch auf IP-Broadcast setzt. Der Streit bleibt also spannend - mal schauen, wer als nächstes punktet, wer des Foul-Spiels bezichtigt wird und wer am Ende als Sieger vom Platz geht.