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Editorial: Werden wir alle verstrahlt?!

Elektrosensibilität und andere Gefahren
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Das Thema taucht jedes Jahr pünktlich im Sommerloch auf, auch wenn es dieses Mal - vermutlich wegen des Kanzlers Reformwut und der Sommerhitze - etwas länger dauerte als sonst: Die angeblichen oder tatsächlichen schädlichen Nebenwirkungen Mobilfunk-Strahlung.

GSM-Mobilfunk gibt es schon seit über einem Jahrzehnt in Deutschland. Aller möglichen schädlichen Folgen zum Trotz ist die statistische Lebenserwartung in diesen Jahren weiter gestiegen [Link entfernt] - in den letzten zwei Jahren beispielsweise um 0,3 Jahre.

Hätte der Mobilfunk dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit, sähen diese Zahlen natürlich anders aus. Das ist aber kein Freispruch für die Handys. Denn es könnte ja sein, dass ohne Mobilfunk die Zunahme der Lebenserwartung noch stärker ausgefallen wäre, dass es also durchaus einen, wenn auch schwachen, tödlichen Einfluss gibt. Dennoch: Durch die genaue Beobachtung der Bevölkerung lässt sich abschätzen, wie groß die maximale Gefahr ist. Und je länger der GSM-Mobilfunk etabliert ist, ohne, dass die großen epidemiologischen Studien Alarm schlagen, desto kleiner die Gefahr.

Oft wird behauptet, dass das Thema "Handy-Strahlen" schlecht erforscht ist. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Weltweit wurden bereits über 20 000 Studien rund um das Thema "Elektrosmog" durchgeführt, jedoch meist mit widersprüchlichen Ergebnissen. Zu fast jeder Studie, die eine starke Gefahr ermittelt, gibt es eine andere, die daran scheitert, die Ergebnisse zu reproduzieren.

Damit wird das ganze zum Glaubenskrieg. Den Autoren der Studien, die starke Strahlenschäden ermitteln, wird oft vorgeworfen, unkorrekt vorgegangen zu sein. Die Forscher, die keine negativen Effekte feststellen, müssen sich hingegen an den Kopf werfen lassen, "von der Industrie bezahlt" zu sein.

Eine Bekannte von mir führte vor einigen Jahren im Rahmen einer Studienarbeit für das Abitur Versuche mit Fruchtfliegen durch, die die bekannten Mendelsschen Regeln bestätigen sollten. Ob man es glaubt oder nicht: Ihr wichtigstes Ergebnis war, dass es verdammt schwierig ist, Fruchtfliegen zu züchten. Immer wieder befielen Würmer, Pilze oder andere Krankheitserreger die Fliegen und töteten diese. Und das, obwohl sich Fruchtfliegen ansonsten wie verrückt vermehren, wie jeder weiß, der frisches Obst bei den derzeitigen sommerlichen Temperaturen ein paar Tage zu lange außerhalb des Kühlschranks liegen lässt.

Noch schwieriger sind die Bedingungen bei Versuchen mit anderen biologischen Objekten, wie Zelllinien, einzelnen Nervenzellen oder Hühnereiern. Hier haben schon kleine Fehler große Wirkungen. Induktionen eines laufenden Handys können möglicherweise die Anzeigewerte von Temperatursensoren geringfügig beeinflussen, was wiederum die Heizleistung des Brutschranks verändert, in dem die Zellen oder Eier aufbewahrt werden. Ein Experimentator, der von der Gefährlichkeit der Handystrahlung überzeugt ist, macht vielleicht wegen seiner bewussten oder unbewussten Angst mehr Fehler, wenn er diejenige Probe bearbeitet, die der Handy-Strahlung ausgesetzt ist.

In anderen Fällen mag auch Betrug im Spiel sein. Selbst der berühmte Biologe Mendel flunkerte, als er die Ergebnisse seiner Kreuzungsversuche notierte. Auch Experten für Elektrosmog sind nicht davor gefeit, im Interesse der Auftraggeber oder der von ihnen erwarteten Ergebnisse zu manipulieren. Hühner-Embryonen sterben möglicherweise, wenn deren Eier mit Handys bestrahlt werden. Sie sterben aber ganz sicher, wenn die Temperaturen zu stark sinken. Ein Wissenschaftler, der feststellt, "dass mehr erforscht werden muss", hat im Zweifelsfall mehr Chancen für einen Folgeauftrag als einer, der "nichts" feststellt.

So bleibt nur zu hoffen, dass sich genügend seriöse mobilfunkfreundliche und -kritische Wissenschaftler zusammenraufen, und auch weiterhin den Mobilfunk wissenschaftlich zu begleiten. Eines Tages wird es dann hoffentlich einen breiten Konsens geben, wie gefährlich die Handystrahlen tatsächlich sind.

Klar ist: Vollkommen gefahrlos ist der Mobilfunk sicher nicht. Denn Radiowellen haben sicherlich gewisse Auswirkungen auf den Menschen. Aber in gewissen Grenzen wird man diese Gefahren akzeptieren müssen, da es auch positive Wirkungen gibt. So werden viele Notrufe per Handy abgesetzt. Müsste jeweils erst das nächste Festnetztelefon aufgesucht werden, ginge für die Rettungsdienste und den Verletzten wertvolle Zeit verloren. Bei Eltern trägt es zum Abbau von Angst und Stress bei, wenn sie dank Handy wissen, wo ihre Kinder gerade sind. Fuhrunternehmen können den Einsatz von Lkw genauer disponieren, und damit schädliche Abgase vermeiden. Und so gibt es viele weitere, sinnvolle Anwendungen von Mobilfunk. Das sollte man bei der Diskussion nicht vergessen.

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