Dauerstreit um Strahlung: Vier Mobilfunkmasten werden abgeschaltet
Vier Mobilfunkmasten in Elchesheim-Illingen werden abgeschaltet
Bild: dpa
Kopfschmerzen, Unruhe, Angstzustände:
Bewohner von Elchesheim (Kreis Rastatt) führen dies auf die Strahlung
von vier Mobilfunkmasten auf dem alten Schulhaus zurück. "Mein
Schlafzimmer liegt 15 Meter vom Sendemast entfernt", sagt Patrick
Unser. "Ruhig schlafen kann man da nicht mehr." Die
elektromagnetische Strahlung führe immer wieder zu Störungen bei
Radio und Telefon. Und der Anwohner hat beobachtet, dass die Bäume in
der Nachbarschaft ihre Blätter verloren haben. Er hat das über
mehrere Jahre hinweg mit Fotos festgehalten, "interessiert hat
das aber erstmal niemand".
"Auch ohne den Mobilfunk sind wir von elektromagnetischen Feldern umgeben", sagt Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur - die Bonner Behörde überwacht die Einhaltung der Grenzwerte bei der Mobilfunkstrahlung. "Das Erdmagnetfeld schützt uns beispielsweise vor kosmischen Strahlen aus dem Weltall." Sobald Strom fließe, entstehe ein elektromagnetisches Feld, auch bei einer Küchenmaschine.
Grenzwerte werden fast überall eingehalten
Vier Mobilfunkmasten in Elchesheim-Illingen werden abgeschaltet
Bild: dpa
Die festgelegten Grenzwerte der Mobilfunkstrahlung werden nach
Angaben Reifenbergs sowohl in Baden-Württemberg als auch
deutschlandweit kaum einmal überschritten. Auch die Aufrüstung der
Sendemasten zur Unterstützung der LTE-Technik habe daran
nichts geändert. Die Grenzwerte beruhen allerdings nur auf Annahmen
hinsichtlich der Strahlung, die als unbedenklich eingeschätzt wird.
Die Belastung durch Handys sei größer als die durch Mobilfunkmasten, sagt Anja Lutz vom Bundesamt für Strahlenschutz. "Handys erzeugen beim Telefonieren hochfrequente elektromagnetische Felder direkt am Kopf." Daher sollte man bei Mobilgeräten besonders auf die Spezifische Absorptionsrate (SAR) achten. Alle derzeit in Deutschland verfügbaren Mobilgeräte liegen laut Herstellerangaben unter dem empfohlenen Grenzwert von zwei Watt pro Kilogramm. Beim Telefonieren erwärmt sich das Gewebe. Ziel ist es, diese auf ein unschädliches Maß zu reduzieren. Das sei mit diesem Grenzwert gegeben, erklärt Lutz.
Kritiker fordern Senkung der Grenzbeträge
Bürgerprotest gegen Mobilfunkmasten in Elchesheim-Illingen
Bild: dpa
Dennoch fordern Kritiker wie der Verein Puls-Schlag in Karlsruhe eine
Senkung der Grenzwerte. "Andere Länder sind Deutschland da bereits
weit voraus", sagt Sprecher Thomas Kauselmann.
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg geht differenziert mit den vorliegenden Erkenntnissen um: "Die Forschungsergebnisse konnten bisher keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen verschiedenen Erkrankungen und elektromagnetischen Feldern nachweisen, doch konnten Gefahren für die menschliche Gesundheit auch noch nicht ausgeschlossen werden." Die Sorgen müssten in jedem Fall ernst genommen werden, erklärt die Kammer und rät zu "mobilfunkfreien Zonen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden", da hier die Belastung besonders hoch sei.
Vier Masten in Elchesheim-Illingen werden umgesiedelt
Die Experten empfehlen, die Belastung so gering wie möglich zu halten. Vor allem Kinder sollten möglichst auf Handytelefonate verzichten. "Nutzen Sie das Festnetztelefon, wenn Sie die Wahl zwischen Festnetz und Handy haben", rät Lutz. "Falls nicht, halten Sie Telefonate möglichst kurz oder schreiben Sie eine SMS."
In Elchesheim aber werden die Mobilfunkmasten demnächst erstmal abgebaut. Bis Ende des Jahres sollen sie an einen neuen Standort verlegt werden. "Die Grenzwerte werden zwar alle eingehalten", sagt der Bürgermeister der Gemeinde Elchesheim-Illingen, Rolf Spiegelhalder (parteilos). "Jedoch ist das Gebäude zu niedrig, so dass der Mast regelrecht auf Augenhöhe der Bewohner sendet." Patrick Unser ist froh, dass es bald so weit ist. Aber "hätte ich gewusst, dass es sieben Jahre bis zur Verlegung dauert, wäre ich vorher umgezogen."