Streit

Apple führt strengere Datenschutz-Regeln auf dem iPhone ein

Apple führt eine neue Daten­schutz-Option ein. Nutzer können künftig entscheiden, ob Apps ihr Verhalten bei anderen Diensten und Websites für Werbe­zwecke verfolgen dürfen.
Von mit Material von dpa

Seit iOS 14.5 können Apple-Nutzer selbst entscheiden, ob Apps Kundendaten tracken dürfen oder nicht. Die Werbewirtschaft tobt. Seit iOS 14.5 können Apple-Nutzer selbst entscheiden, ob Apps Kundendaten tracken dürfen oder nicht. Die Werbewirtschaft tobt.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Apple gibt seinen Kunden als erster Smart­phone-Anbieter eine einfache Möglich­keit, das Nach­ver­folgen ihres Verhal­tens quer über verschie­dene Apps und Websites zu stoppen. Anbieter von iPhone-Apps müssen Nutzer ab iOS 14.5 künftig dafür ausdrück­lich um Erlaubnis fragen. Die Analyse-Firma App Annie geht davon aus, dass 90 Prozent der Nutzer dieses Tracking ablehnen werden.

Vor diesem Hinter­grund treffen die Maßnahmen auf erbit­terten Wider­stand in der Werbe-Welt. Face­book warnte schon seit Monaten, das würde vor allem kleine und mitt­lere Unter­nehmen treffen, die insbe­son­dere in der Corona-Pandemie auf perso­nali­sierte Werbung bei dem Online-Netz­werk ange­wiesen seien. Am Montag warfen mehrere deut­sche Verbände aus der Werbe- und Medi­enbranche Apple unfairen Wett­bewerb vor und reichten eine Beschwerde beim Bundes­kar­tellamt ein.

Privat­sphäre ist ein Menschen­recht

Seit iOS 14.5 können Apple-Nutzer selbst entscheiden, ob Apps Kundendaten tracken dürfen oder nicht. Die Werbewirtschaft tobt. Seit iOS 14.5 können Apple-Nutzer selbst entscheiden, ob Apps Kundendaten tracken dürfen oder nicht. Die Werbewirtschaft tobt.
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Apple bleibt statt­dessen gelassen: "Wir glauben, dass Privat­sphäre ein grund­legendes Menschen­recht ist." Die Daten gehörten den Nutzern, "und sie sollten selbst entscheiden können, wie ihre Daten verwendet werden und von wem". Man habe Unter­stüt­zung von Behörden und Daten­schüt­zern für die Funk­tion bekommen. Die Daten der Nutzer auf den Geräten seien immer reich­hal­tiger und persön­licher geworden.

Die schon im Sommer 2020 ange­kün­digte "App Tracking Trans­parency" (ATT) greift mit der iPhone-System­ver­sion iOS 14.5, die am Montag veröf­fent­licht wurde.

Damit App-Anbieter einen Nutzer zur Perso­nali­sie­rung der Werbung erkennen können, haben Apple-Geräte eine spezi­elle Kenn­nummer, die IDFA. Künftig werden App-Anbieter die Nutzer ausdrück­lich um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie auf diese ID zugreifen wollen. Nutzer können in den Einstel­lungen auch mit einem einzigen Schalter alle Tracking-Anfragen blockieren.

Do not track - stellt Geschäfts­modell auf den Kopf

Fachleute vermuten, dass 90 Prozent der Apple-Nutzer die Tracking-Funktion ausschalten werden. Fachleute vermuten, dass 90 Prozent der Apple-Nutzer die Tracking-Funktion ausschalten werden.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Die Verbände kriti­sieren, der Konzern schließe "faktisch alle Wett­bewerber von der Verar­bei­tung kommer­ziell rele­vanter Daten im Apple-Ökosystem aus". Gleich­zeitig nehme Apple seine eigenen Dienste jedoch von den geplanten Ände­rungen aus und sammle selbst erheb­liche Mengen Nutzer­daten. Der für Daten­schutz bei Nutzern zustän­dige Apple-Manager Erik Neuen­schwander demen­tierte das ausdrück­lich: "ATT gilt glei­cher­maßen für alle Entwickler welt­weit - und das schließt auch Apple mit ein."

Es gebe aber auch Wege, Werbung effi­zienter zu plat­zieren und ihren Effekt zu messen, ohne einzelnen Nutzern zu folgen, betonte Neuen­schwander. App-Entwickler können zugleich nach wie vor mit Einver­ständnis der Nutzer Daten aus der eigenen Anwen­dung verar­beiten.

Nach dem Update auf die iPhone-Soft­ware iOS 14.5 über­prüft das System die Daten­schutz­ein­stel­lung einer App, sobald die Anwen­dung zum ersten Mal oder nach einer Aktua­lisie­rung geöffnet wird. Die Anwender werden dann über eine von Apple kontrol­lierte Schnitt­stelle gefragt, ob ein Tracking tatsäch­lich erwünscht ist. Die Anbieter der App können in der Abfra­gebox kurz begründen, warum sie eine Einwil­ligung zu Tracking haben möchten und welche Vorteile sich dadurch für die Verbrau­cher ergeben.

ATT-Verfahren nicht unter MacOS

Apple führt das ATT-Verfahren nicht nur auf dem iPhone ein, sondern auch auf dem Tablet (iPadOS 14.5) und Apple TV (tvOS 14.5). Außen vor bleiben die Macin­tosh-Rechner von Apple, weil dort Soft­ware auch frei, außer­halb des App-Stores von Apple instal­liert werden kann. Zugleich stellte Neuen­schwander ohne konkrete Details für die Zukunft auch Verbes­serungen beim Schutz der Privat­sphäre auf dem Mac in Aussicht.

Daten­schutz-Initia­tive

Die Einfüh­rung des App-Tracking-Schutzes ist Teil einer umfas­senden Daten­schutz-Initia­tive von Apple. Seit Anfang Dezember müssen App-Anbieter beim erst­maligen Einrei­chen oder einer Aktua­lisie­rung ihrer Anwen­dung auch ein soge­nanntes Daten­schutz­label veröf­fent­lichen. Dort werden ähnlich wie auf den Zuta­ten­listen für Lebens­mittel sämt­liche Daten­typen aufge­listet, die eine App vom Anwender erfassen möchte, beispiels­weise Stand­ort­daten, den Browser-Verlauf oder die Kontakt­daten. Apple verlässt sich bei diesen Daten­schutz­eti­ketten auf die Angaben der Entwickler.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Auf den ersten Blick werden die Apple-Nutzer sagen "Bravo" und den Schalter auf "aus" lassen, "meine Daten gehen niemand etwas an". Auf den zweiten Blick ist die Geschichte etwas kompli­zierter.

Was viele Inter­net­nutzer nie wissen wollten, was sie nie gestört hat, weil sie es nicht wussten, ist die Funk­tions­weise der ganzen "kosten­losen" Ange­bote im Netz. Verrate mir, was Du im Netz suchst und wir zeigen Dir, wovon wir hoffen, dass Du das auch noch zusätz­lich kaufen willst. Wenn Du Butter bestellst, brauchst Du sicher noch Bröt­chen? Ein neues Früh­stücks­geschirr dazu Messer, Gabel und Löffel wäre auch nicht schlecht. Bis zu einem gewissen Grade hätten viele Nutzer da nix dagegen, aber wer weiß denn schon, wo die eigenen Daten herum­gereicht werden? Da sagt man lieber erst mal "Nein".

Apple ist in einer doppelten Funk­tion: Zum Einen schützen sie die Daten ihrer Kunden, aber in erster Line vor der Neugier externer Unter­nehmen. Die Versu­chung für Apple ist groß, der Werbe­wirt­schaft zu sagen, kommt zu uns, bei uns bekommt ihr die Infos, die ihr braucht, wohl gegen gebün­deltes Bares.

Der Face­book-Konzern, dessen Geschäfts­modell auf Daten sammeln beruht, wird sich künftig umschauen. Nun nutzen nicht alle Internet-Nutzer Produkte von Apple, die als "teuer" gelten und es teil­weise auch wirk­lich sind. Darf man den Schluss ziehen, dass die kauf­kräf­tige Apple-Kund­schaft auch infor­mierter ist und sich eher für Daten­schutz-Themen inter­essiert, als die "alles billig oder umsonst und jetzt gleich" Ziel­gruppe?

Mal schauen, was das Kartellamt dazu sagt. Denkbar ist, das künftig die Zahl der kosten­losen Ange­bote im Netz abschmilzt und man dann für Dienste und Dienst­leis­tungen einen Preis zahlen muss und die eigenen Daten (viel­leicht) geschützter sind.

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