Google forscht

Google lässt forschen: Neues Institut für Internet & Gesellschaft

Neue Forschungseinrichtung untersucht Zusammenhänge von Gesellschaft, Forschung und Internet
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

Alexander von Humboldt vor der Humboldt-Universität zu Berlin Alexander von Humboldt vor der Humboldt-Universität zu Berlin.
Bild: HU Berlin
Wenn deutsche Politiker über Google reden, fällt das für den Internet-Riesen aus Kalifornien meist nicht sehr günstig aus: Zu wenig Datenschutz, zu viel Macht, lamentieren Politiker aller Parteien. Aber gestern Abend war in der altehrwürdigen Humboldt-Universität (HU) zu Berlin nicht viel davon zu hören: Vier Forschungseinrichtungen eröffneten feierlich ein gemeinsames neues Institut, dessen Hauptsponsor ausgerechnet der Suchmaschinen-Gigant Google ist. Und die Politik schickte nicht nur brave Dankesadressen, sondern lobte auch gleich die "gelebte unternehmerische Verantwortung" der Kalifornier.

Alexander von Humboldt vor der Humboldt-Universität zu Berlin Alexander von Humboldt vor der Humboldt-Universität zu Berlin.
Bild: HU Berlin
4,5 Millionen Euro wird Google dem Institut in den nächsten drei Jahren zur Verfügung stellen - für einen Konzern mit zuletzt 2,73 Milliarden Dollar Quartalsgewinn ist das nicht mehr als ein Griff in die Protokasse. Doch in der deutschen Forschungslandschaft ist eine solche Summe viel wert: Ohne Anschubfinanzierung vom Suchmaschinen-Betreiber, so betonen die Forscher, hätte man das interdisziplinäre "Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft" nicht gründen können. Das wirft ganz nebenbei auch kein allzu gutes Licht auf die immer wieder herbei geredete Wissensgesellschaft, mit der Deutschland seit Jahren wieder voran gebracht werden soll. Ohne eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Forschung wird wohl nichts aus der Wissensgesellschaft werden, da helfen auch die halbherzigen Bildungsoffensiven wenig, mit denen deutsche Schulkinder alle paar Jahre gequält werden.

Immerhin, nun wollen mit Googles Hilfe vier renommierte Institutionen ergründen, wie das Internet die Gesellschaft verändert - zum Auftakt gibt es gleich ein dreitägiges Symposium. Gründer der Denkfabrik sind die Humboldt-Universität - an der das neue Institut organisatorisch angesiedelt ist -, die Universität der Künste (UdK) und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), allesamt aus der Hauptstadt. Als Kooperationspartner ist das Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung dabei.

Sowohl Forscher als auch Sponsor betonen, dass Google keinen Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit habe. "Das Sagen hat die Wissenschaft, für die Unterstützung danken wir der Wirtschaft sehr", sagte Jutta Allmendinger, Präsidentin des WZB. Und Google-Vorstand David Drummond versicherte: "Wir erwarten recht viel Kritik, und wir freuen uns darauf."

Digitale Hauptstadt Berlin

Eine spezielle Konstruktion soll diese Rollenteilung absichern: Das Institut besteht aus einer Forschungs- und einer Fördergesellschaft. Die Inhalte der Arbeit wird der wissenschaftliche Arm autonom festlegen. Die Fördergesellschaft ist lediglich für die Finanzierung zuständig. Neben Google sollen künftig auch andere Sponsoren eingeworben werden.

Profitieren wolle Google vor allem vom Erkenntnisgewinn, sagte Drummond: Man hoffe, das Zusammenspiel zwischen Internet, Wissenschaft und Gesellschaft besser zu verstehen. Berlin sei ein hervorragender Standort dafür - schließlich sei es nicht nur politische, sondern mit den vielen neuen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen immer mehr auch digitale Hauptstadt von Deutschland.

Selbstverständlich sind einige der Prämissen, unter denen die Forscher arbeiten, auch im Sinne des Internet-Riesen. HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz strich zum Beispiel Informationsfreiheit und Zugangsoffenheit heraus - Bedingungen, die auch den vielen Online-Diensten von Google zuträglich sein dürften. Das kademische Gründungsteam Das akademische Gründungsteam
Prof. Schildhauer, Dr. Hofmann, Dr. Schulz, Prof. Pernice
Bild: internetundgesellschaft.de

Das Institut könnte Google außerdem helfen, sein in der letzten Zeit ziemlich ramponiertes Image als Datenkrake aufzupolieren. Gerade in Deutschland hat Google Ansehen durch erregte Datenschutz-Debatten gelitten. "Wenn zuletzt Google davon profitiert, dass sein gesellschaftliches Engagement öffentlich zurecht gewertschätzt wird und es zugleich auf die ein oder andere neue Idee gebracht wird, so ist das nur die andere Seite einer Medaille eines faires und transparenten Projekts", sagte Knut Nevermann, Staatssekretär des Berliner Bildungssenators. Wenn sich die Wirtschaft für die Wissenschaft engagiere, zeige das "gelebte unternehmerische Verantwortung". So viel Politikerlob bekommt Google in Deutschland selten.

Alexander von Humboldt hätte Google genutzt

Mit dem Namenspaten des Instituts können übrigens Deutsche wie Amerikaner etwas anfangen. Als weltreisender Entdecker sei Alexander von Humboldt ein Rollenmodell für die Arbeit am Institut und die angestrebte weltweite Kooperation, erklärte Prof. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität: Alexander von Humboldt habe bei seinen Reisen immer wieder Grenzen infrage gestellt und überschritten.

Google-Manager Drummond nutzte das Lob für den großen Gelehrten für eine kleine Spitze: Heute sähen Humboldts Reisen sicher ganz anders aus, sagte der Manager. "Und hoffentlich würde er Google Maps nutzen, vielleicht sogar Google Street View" - also jener digitalen Straßenansicht, die einige deutsche Datenschützer am liebsten verboten hätten.

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