Telekom: Darmstadt ist jetzt eine 5G-Stadt
Von links nach rechts: Dr. Stefan Growe, Key-Account Telekom Deutschland; Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch, Mathias Poeten, SVP Technology, Deutsche Telekom
Foto: Deutsche Telekom / Ericsson
Während sich die Juristen und Regulierer derzeit um die Details der 5G-Auktion vor Gericht streiten und entweder bereits Klage mit aufschiebender Wirkung erhoben haben oder noch darüber nachdenken, ist für die Deutsche Telekom eines glasklar: An 5G führt 2019 kein Weg vorbei.
Die Stadt Darmstadt war viele Jahren Sitz des "Fernmeldetechnischen Zentralamtes der Deutschen Bundespost" (FTZ) am Kavalleriesand. Das FTZ war der technische Vorläufer von ZZF (Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldewesen), später BAPT (Bundesamt für Post und Telekommunikation), danach RegTP (Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) und heute BNetzA (Bundesnetzagentur). Die Deutsche Telekom interpretierte die historische Abkürzung "FTZ" später zum Forschungs- und Technologiezentrum der Deutschen Telekom um. Folglich wurde jetzt das "5G Testfeld" in Darmstadt gestartet, in enger Zusammenarbeit mit dem europäischen Netzwerklieferanten Ericsson und der Wissenschaftsstadt Darmstadt. 15 vom "Telekom Inkubator" hub:raum geförderte Startups sollen 5G-Anwendungen von morgen entwickeln.
Darmstadt sendet auf 3,7 GHz mit 5G-NR
Von links nach rechts: Dr. Stefan Growe, Key-Account Telekom Deutschland; Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch, Mathias Poeten, SVP Technology, Deutsche Telekom
Foto: Deutsche Telekom / Ericsson
Ab sofort, so erklärt die Deutsche Telekom stolz, ist auch Darmstadt eine 5G-Stadt der Telekom. Neben den Testfeldern in Berlin und im Hamburger Hafen funken nun auch in der "Wissenschaftsstadt" Darmstadt die ersten 5G Antennen im Netz der Telekom. Ziel ist es, im Darmstädter 5G-Testfeld technisch noch mehr Erfahrungen mit dem Aufbau und Betrieb der neuen Technologie zu sammeln. Es sollen Anwendungen und Geräte für 5G getestet werden. Deshalb arbeitet die Telekom hier eng mit der "Digitalstadt Darmstadt" und dem Technologiepartner Ericsson zusammen.
Wichtige Erfahrungen mit 5G
„Unsere Testfelder helfen uns, vor dem Marktstart wichtige Erfahrungen mit 5G zu sammeln“, erklärt Walter Goldenits, Technikchef der Telekom Deutschland das Vorhaben. „Wir freuen uns, dass die Digitalstadt Darmstadt nun nach Berlin und Hamburg ebenfalls zu den Vorreitern des neuen Kommunikationsstandards gehört. Wir werden in diesem Jahr noch weitere Tests starten. Denn an 5G führt 2019 kein Weg vorbei.“
Das freut den Oberbürgermeister der "Wissenschaftsstadt", Jochen Partsch: „Als Digitalstadt Darmstadt wollen wir nationaler und internationaler Vorreiter in der Erprobung von Smart-City-Technologien werden. Wir sind stolz, dass neben den deutschen Metropolen Berlin und Hamburg, ein weiteres Testfeld in Darmstadt entsteht. Der künftige 5G-Standard ist eine wichtige Weiterentwicklung des Mobilfunknetzes, die es uns dank ultraschneller und zuverlässiger Informationsübermittlung in Echtzeit beispielsweise ermöglichen wird, das vernetzte Fahren und den autonom fahrenden öffentlichen Personennahverkehr zu realisieren.“
Single-RAN inklusive 5G von Ericsson
Das Darmstädter 5G-Testnetz soll 18 Antennen an sechs Standorten umfassen und noch in diesem Frühjahr fertig werden. Ersten Antennen wurden in der Mina-Rees-Straße in Betrieb genommen. Sie senden nach dem Protokoll "5G New Radio" (5G NR) über eine Testlizenz der Bundesnetzagentur für Feldversuche im Frequenzbereich bei 3,7 GHz.
In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Mobilfunkstandorte der Deutschen Telekom mit der Single-RAN-Lösung von Ericsson modernisiert und jetzt kommt auch 5G dazu. Stefan Koetz, CEO der Ericsson (Deutschland) GmbH weist darauf hin: "Das Ericsson Radio System unterstützt nicht nur die Single-RAN-Technologie, sondern ist auch bereits für 5G ausgelegt“, was in Darmstadt ausgiebig erprobt wird.
Das mit Ericsson-Produkten aufgebaute Testfeld verbindet 5G-Nutzer mit dem Netz der Deutschen Telekom. Die Mobilfunkspezialisten des schwedischen Netzausrüsters setzten hierzu Lösungen aus den Bereichen Transport- und Kern-Netz sowie eine speziell auf solche Netze zugeschnittene Version des Ericsson-Netzmanagers (ENM) ein.
MIMO mit 64T64R
Kernstück der Darmstädter 5G-Lösung sind neue AIR (Antenna Integrated Radio)-Antennen, die durch sogenanntes "Beamforming" über ein 64T64R Antenna-Array höhere Durchsatzraten ermöglichen. Bei Massive MIMO (Multiple Input, Multiple Output) wird die Anzahl der Sende- und Empfangsantennen spürbar ("massiv") erhöht. Durch die hohe Zahl an Antennenelementen – in dieser 5G Antenne können bis zu 64 Einzelantennen für Senden (T) und Empfang (R) enthalten sein - kann Massive MIMO viel präziser als bisher auf den Nutzer ausgerichtet werden. Beim "Beamforming" folgt die Antenne (elektrisch) dem Nutzer, das Frequenzspektrum wird effizienter als bislang genutzt.
In Darmstadt wird das aktuelle Ericsson "Baseband" (Single-RAN) eingesetzt, das schon heute bei der Deutschen Telekom für 2G, 3G und 4G verwendet wird. Die 5G-Fähigkeit dieses Produkts wird die Einführung der neuen Mobilfunkgeneration im Netz der Deutschen Telekom erheblich erleichtern, denn im Idealfall ist nur noch ein Softwareupdate notwendig. Die Sendeeinheit "spricht" alle digitalen Übertragungs-Verfahren und kann später bei Bedarf auch umkonfiguriert werden, wenn eines Tages beispielsweise 3G und irgendwann auch 2G wegfallen sollte.
Endgeräte mit Qualcomm Chips
Das 5G-Kunden-Endgerät, das in Darmstadt verwendet wird, basiert auf dem Qualcomm Snapdragon X50 5G-Modem und Antennenmodulen mit integriertem RF-Transceiver und RF (Hochfrequenz)-Front-End und Antennenelementen. Zu kaufen gibt es im Laden aber noch nicht.
Bereits im letzten Herbst wurden sowohl Labor- als auch live Datenverbindungen mit Test-Endgeräten verschiedener Hersteller (mehrere davon mit Qualcomm-Chipsatz) über das Ericsson-basierte Testnetz erfolgreich durchgeführt.
„Der Start des Testfeldes zeigt, dass 5G zunehmend Realität wird. Es ist der Grundstein, damit alles und jeder nahtlos kommunizieren und interagieren kann. Wir freuen uns auf eine weitere enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom und Ericsson sowie dem breiteren 5G-Ökosystem, um ab 2019 Unternehmen und Verbrauchern 5G-Anwendungsfälle bereitzustellen“, betont Enrico Salvatori, Senior Vice President und President EMEA des Technologie und Chip-Herstellers Qualcomm.
hub:raum Startups entwickeln 5G Anwendungen
Um die Entwicklung neuer Anwendungen für 5G zu beschleunigen, hat die Telekom gemeinsam mit ihrem sogenannten "Inkubator" hub:raum in Berlin das 5G Prototyping Programm auf den Weg gebracht. Diese Startups nutzen mittlerweile das Berliner 5G-Testfeld der Telekom, um ihre 5G-Ideen unter Live-Bedingungen zu entwickeln und zu erproben. Das Berliner 5G-Cluster ist seit Mai 2018 aktiv und besteht inzwischen aus mehr als 50 Antennen.
Seit Ende Januar ist das Feld der 15 teilnehmenden von der Telekom geförderten Startups aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, Polen, den Niederlanden, England, Israel und Finnland im hubraum-Prototyping-5G-Programm komplett. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Bereichen Virtual/Augmented Reality, Virtual Gaming, Entertainment, Robotics und Future Mobility. Dabei geht es um konkrete Anwendungen, die hohe Bandbreiten und extrem geringe Latenzzeiten (Pingzeiten) benötigen und deshalb auf 5G angewiesen sind. Die Startups im hubraum 5G Programm können bereits heute mitten in Berlin als Pioniere das 5G-Netz der Telekom nutzen und testen, ob ihre Vorstellungen auch in der Liveumgebung funktionieren.
5G braucht Edge-Computing
Mit der im November 2018 ins Netz eingespielten "MobiledgeX" Edge-Software, die auf der Cloud-Infrastruktur der Telekom Deutschland läuft, haben die Startups die Möglichkeit, 5G auch in einer Edge-Umgebung zu testen und Prototypen zu erproben. "Edge-Computing" bezeichnet hierbei nicht das Datenprotokoll EDGE (mit dem seinerzeit GSM "beschleunigt" wurde), sondern etwas ganz anderes: Um Signallaufzeiten zu sparen und damit den Ping zu verringern, werden an die "Kanten" (englisch "Edge") des Netzes spezielle Server aufgestellt, die für Anwendungen in der Nähe gedacht sind.
Laienhaft erklärt: Die Homepage des Schnellimbisses in Klein-Kleckersdorf würde dann nicht mehr auf dem Server in Taka-Tuka-Land, sondern auf einem Edge-System vor Ort gehostet und deren Inhalte viel schneller ausgeliefert. Das mag beim Imbiss vielleicht unbedeutend sein, aber solche schnellen Computer sind beispielsweise für Industrie- oder Echtzeit-Verkehrssteuerung von wesentlicher Bedeutung.
Wer ist Ericsson?
Ericsson sieht sich als "Weltmarktführer auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie und -dienstleistungen" und hat seine Zentrale im europäischen Stockholm, Schweden. Beachtliche 40 Prozent des weltweiten Mobilfunkverkehrs werden nach Angaben des Unternehmens über Netztechnik von Ericsson abgewickelt.
Das 1876 von Lars Magnus Ericsson gegründete Unternehmen beschäftigt weltweit rund 95 000 Mitarbeiter und arbeitet mit Kunden in 180 Ländern zusammen. 2017 erwirtschaftete Ericsson einen Umsatz von umgerechnet 20,9 Milliarden Euro.
In Deutschland beschäftigt Ericsson rund 1800 Mitarbeiter an zehn Standorten – darunter rund 700 Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung. Der deutsche Hauptsitz ist Düsseldorf.