Ausprobieren

Hamburger Hafen testet die Zukunft

Der Hamburger Hafen (HPA), der Netzwerkausrüster Nokia und der Netzbetreiber Deutsche Telekom erproben im Hamburger Hafen die Zukunft mit 5G. teltarif.de war vor Ort und hat sich umgeschaut.
Aus dem Hamburger 5G-Netz berichtet

Die Hamburger Port Authority (HPA, auf deutsch Hafenbehörde) ist Herrin über ein großes Gelände, wo bestimmte Regeln gelten. Sie verwaltet Ampeln, Parkhäuser und den gesamten Straßenverkehr im Hafen. Im Hamburger Hafen wurden mehrere Slices geschaltet. Einmal werden verschiedene Verkehrsampeln im Hafen Finkenwerder über 5G-Funk angesteuert. Dabei probiert man zwei Übertragungswege (Slices) aus. Ein allgemeiner Slice, wo auch andere Nutzer drauf sind. Ist dieser allgemeine Slice belastet, verzögert sich auch die Ampelsteuerung. Das bedeutet, die Fahrzeuge würden später grün bekommen und die Zentrale später erfahren, was in ihrem Ampelnetz los ist. Zum Vergleich wurde ein extra Slice nur für Verkehrsampeln reserviert und dieser kann daher viel flotter reagieren. Intelligente Ampeln sollen künftig verkehrs­gesteuert arbeiten. Das Ziel: Ein LKW-Konvoi fährt einmal los und bekommt über das intelligente Netz immer grün, weil Anhalten und Losfahren zu Staus führen und unnötig Energie verbrauchen und die Umwelt belasten würden. Das "grüne Welle"-Prinzip findet heute schon in der Luftfahrt Anwendung: Wenn ein Flugzeug startet, ist am Zielort schon bekannt, wann es ankommt und es kann sofort ohne Warteschleife landen (zumindest im Idealfall).

Demo-Ampel vor dem Gebäude

Die Funktechnik der modernen Verkehrsampel: Dunkelgrauer Kasten: 800 MHz LTE-Modem. Hellgrauer Kasten: 700 MHz 5G-Modem. Die Funktechnik der modernen Verkehrsampel: Dunkelgrauer Kasten: 800 MHz LTE-Modem. Hellgrauer Kasten: 700 MHz 5G-Modem.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Testampel vor dem Gebäude (unsere Bilder) regelte keinen Verkehr, sondern diente der Demonstration. Sie ist mit einem 700-MHz-5G-Modul ausgerüstet (hellgrau, oben), darunter ist ein klassisches LTE-Modul (dunkelgrau, 800 MHz), das als Backup und zur Fernwartung und Konfiguration der Ampelschaltung dient.

Network Slices können unglaublich flexibel verwaltet werden. Innerhalb von 30 Sekunden kann ein Network Slice aufgebaut oder wieder abgebaut werden. Die Mobilgeräte "lauschen" auf einer Art Organisationskanal, wo den Mobilgeräten ein neuer Slice zugeteilt oder weggenommen wird.

Schiffe funken auf 5G

Einblick in das Verkehrsleitzentrum des Hamburger Hafens. Auf dem Landkartenbildschirm sind alle Parkhäuser mit freien Plätzen, die Straßen (Grün = freier Verkehr, gelb = dichter Verkehr, rot Stau) und Ampeln (gelbe Kreise) eingezeichnet. Einblick in das Verkehrsleitzentrum des Hamburger Hafens. Auf dem Landkartenbildschirm sind alle Parkhäuser mit freien Plätzen, die Straßen (Grün = freier Verkehr, gelb = dichter Verkehr, rot Stau) und Ampeln (gelbe Kreise) eingezeichnet.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Im Hamburger Hafen fahren 50 Schiffe der "Flotte Hamburg", einer Tochter der HPA. Drei Schiffe sind schon mit umfangreicher Sensorik ausgestattet, um den Zustand des Hafens (Tide, Wellengang, Temperatur, Luftdruck, Umweltdaten und so weiter) besser erkennen und verstehen zu können. Die ermittelten Daten werden über das 5G-Testnetz auf 700 MHz an das Hafenrechenzentrum weitergeleitet.

Bauen und planen mit Augmented Reality

In einem weiteren Beispiel geht es um schnelle Verfügbarkeit hoher Datenmengen außerhalb bestehender Netzwerke: Mithilfe des neuen 5G-Standards werden datenintensive 3D-Informationen an eine Augmented-Reality-Anwendung übertragen. Durch eine entsprechende Brille betrachtet (z.B. HoloLens), erscheinen damit Gebäudedaten von künftigen oder ehemaligen Bauwerken in der realen Umwelt. Der Ingenieur bewegt sich also durch das Gelände, als ob die Brücke oder das Gebäude schon "da" wären. Damit können Ingenieure direkt vor Ort Bauplanungen überwachen oder optimieren.

Mit der 5G-Brille in unbekanntem Terrain

Die Datenbrille HoloLens von Microsoft erinnert an eine Skibrille Die Datenbrille HoloLens von Microsoft erinnert an eine Skibrille
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Mit einer HoloLens-Brille wurde ein Mitarbeiter in einen Server-Raum geschickt, obwohl er sich dort überhaupt nicht auskennt. Sein Gesprächspartner spielte ihm per Skype-Videochat ihm Richtungspfeile in sein Sichtfeld und zeigte ihm so genau den Weg zum Serverraum, wo er schließlich an einem Patchfeld ein Kabel von Buchse 8 zu Buchse 40 stecken (patchen) sollte. Die Idee: Im Falle eines Falles, wenn kein erfahrener Techniker greifbar ist, kann man auch Personen ohne Sach- oder Ortskenntnis hinschicken, die mit Anweisung über die Videobrille genau gesagt bekommen, was zu tun ist und mit ihren Videoaufnahmen dem Kollegen in der Ferne aktuelle Informationen über die Lage vor Ort geben können.

Was haben Privatkunden davon?

Das "5G-MoNArch"-Projekt (Mobile Network Architecture) läuft an zwei Stellen in Europa: Im Hamburger Hafen werden Industrie-Anwendungen ausprobiert, in Turin geht es um Privatkunden-orientierte Multimedia-Anwendungen, nachdem die ursprünglich geplante Stadt Turin ausgefallen war.

10 Jahre mit einer Batterie

Sensoren übertragen wenig Daten und sollen eine möglichst lange Batterie-Standzeit haben. 30 Prozent unserer Zeit verbringen wir beim Parkplatz suchen. Sensoren im Parkplatz melden freie Kapazitäten. Diese Sensoren haben integrierte Batterien, die etwa 10 Jahre ohne Austausch halten sollen.

Reaktionsschnell

Heute sind kurze Reaktionszeiten wichtig. Bei LTE betragen die typischerweise 40 ms. Bei Anwendungen mit Augmented Reality, würde das Einspielen verzögerter Informationen hindern. Wenn sich der Mensch bewegt, muss sich auch ein eingeblendetes Bildsignal in Echtzeit mit bewegen. Dafür ist das verbesserte Übertragungsprotokoll von 5G wichtig. Künftig werden die Rechner nahe am "Use Case" sein, das verkürzt die Reaktionszeit.

Neues Zeitalter

Wolfgang Hackenberg Sprecher der Geschäftsleitung bei Nokia Networks Deutschland sieht ein neues Zeitalter anbrechen. „Wir testen am Beispiel des Hamburgers Hafens ein erstes Beispiel für die kommende gesellschaftliche Entwicklung.“ 5G hat für die Wirtschaft große Bedeutung, soll die Produktivität steigern. Wenn die "geburtenstarken" Jahrgänge in Rente gehen, werden viel Know-How und Möglichkeiten verloren gehen, weniger Menschen müssen "mehr" arbeiten, oder produktiver werden. Für den Konsumenten ändert sich durch 5G zunächst nicht viel. 5G ist ein wichtiges Thema für Industrie und Wirtschaft.

Nokia liefert die Komponenten und nutzt sie auch selbst

Selbst der Netzwerkausrüster Nokia rüstet seine eigene Fabrik auf 5G um. In Holland betreibt Nokia ein komplexes Logistik-Zentrum zusammen mit der Deutsche Bahn-Tochter Schenker. Hackenberg plädierte dafür, das Geld der Mobilfunkanbieter "nicht an den Minister", sondern besser an die Branche zu geben, nur dann könne Deutschland 5G-Leitmarkt bleiben.

Beteiligte sind höchst zufrieden

„Wir haben durch das Testbed jetzt einen ersten Eindruck bekommen, welches enorme Potenzial uns 5G und insbesondere die Möglichkeit des Network Slicing bieten wird“, sagt Jens Meier, CEO der HPA. „Für mich ist der neue Standard Grundlage, um anspruchsvolle Aufgaben aus der Industrie zu lösen und der Digitalisierung hier endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. Ich bin stolz, dass Hamburg und der Hafen von dieser Technologie mit als erstes profitieren.“

Antje Williams, Executive Program Manager 5G der Deutschen Telekom: „Dieses EU-Projekt bietet eine hervorragende Möglichkeit, wichtige Aspekte der neuen 5G Technologie zusammen mit unserem Kunden HPA zu testen und entsprechend seiner Bedürfnisse weiterzuentwickeln. Die Erkenntnisse des Projektes fließen nicht nur in die weitere Standardisierung des 5G-Standards ein, sondern ermöglichen uns auch, neue innovative Lösungen für die Industrie zu entwickeln.“

„5G ist der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit unserer gesamten Industrie. Genau wie hier im Hamburger Hafen sind reibungslose, effiziente Abläufe und ein hoher Grad an Automatisierung wichtig für Unternehmen in der Logistik, Fertigungsindustrie und anderen Branchen. Es ist uns hier gelungen, den Grundstein dafür zu legen und unverzichtbare Praxiserfahrungen zu sammeln, die in künftige Smart-Port-Konzepte mit 5G-Kommunikationsnetzen und Technologien wie Network Slicing einfließen werden“, fügt Wolfgang Hackenberg, Geschäftsführer Deutschland, Nokia hinzu.

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