Hatespeech-Gesetz

Gesetz gegen Hass im Netz vom Bundestag angenommen

Der Bundestag hat das Gesetz angenommen, das Online-Netzwerke zu einem härteren Vorgehen gegen Hetze und Terror-Propaganda verpflichtet. Kritiker warnen vor einer verfassungswidrigen Beschränkung der Meinungsfreiheit.
Von dpa / Stefan Kirchner

Gesetz gegen Hass in sozialen Netzwerken Der Bundestag stimmt über das Gesetz gegen Hass in sozialen Netzwerken ab
Foto: picture alliance / dpa
Die Politik forderte von Online-Netzwerken schon lange ein härteres Vorgehen gegen Beiträge mit Hass und Hetze. Für Bundes­justiz­minister Heiko Maas (SPD) reichten die zusätzlichen Anstrengungen der Internet-Firmen nicht aus. Noch vor dem Ende der Legislatur­periode ist das Gesetz heute durch den Bundestag beschlossen worden, das schärfere Vorschriften und hohe Strafen mit sich bringt.

Mit einer parlamentarischen Regierungsmehrheit aus CDU/CSU und SPD ist das umstrittene Gesetz offiziell angenommen. Doch es gibt Streit um das sogenannte Netzwerk­durchsetzungs­gesetz.

Die aktuelle Fassung des Gesetz­entwurfs vom 16.05.2017, wie er angenommen wurde, können Sie hier als PDF-Datei einsehen. Die Stellung­nahmen einzelner Sach­verständiger des Deutschen Bundestages finden Sie hier [Link entfernt] .

Welche Neuerungen schreibt das Gesetz vor?

Gesetz gegen Hass in sozialen Netzwerken Der Bundestag stimmt über das Gesetz gegen Hass in sozialen Netzwerken ab
Foto: picture alliance / dpa
Online-Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube sollen "offenkundig strafbare Inhalte" binnen 24 Stunden nach dem Hinweis darauf löschen. Bei weniger eindeutigen Fällen ist eine Frist von sieben Tagen vorgesehen. Bei Verstößen sind Strafen von bis zu 50 Millionen Euro vorgesehen. Dazu soll es aber nur bei systematischer Miss­achtung der Regeln kommen und nicht bei einzelnen Fällen, betont die Bundes­regierung. Auch sollen die Unternehmen künftig einen Ansprech­partner in Deutschland benennen, an den sich Bürger und Behörden mit Beschwerden wenden können.

Warum gibt es Widerstand gegen das Gesetz?

Die Online-Firmen sehen sich durch das Gesetz gezwungen, über die Rechts­widrigkeit von Inhalten zu entscheiden - was Sache der Gerichte sei. Denn neben klar strafbaren Äußerungen gebe es sehr oft nicht eindeutige Situationen. Netzaktivist Markus Beckedahl von Netzpolitik.org spricht von einer "Privatisierung der Rechts­durchsetzung". Kritiker des Gesetzes sehen auch die Gefahr, Online-Netzwerke könnten in Zweifels­fällen Beiträge eher löschen, statt sie auf der Plattform zu lassen - um auf der sicheren Seite zu sein. Sie befürchten dadurch Einschnitte bei der Meinungs­freiheit.

Was sagt die Bundesregierung dazu?

Bundesjustizminister Maas erwartet kein "Overblocking" - weil Strafen nicht bei jedem Verstoß fällig würden und die Anbieter zum Geld­verdienen grundsätzlich an mehr Inhalten interessiert seien. Als Kompromiss­angebot an die Unternehmen sollen sie die Entscheidung in schwierigen Fällen auch einem neuen unabhängigen Gremium überlassen können, das dem Bundes­amt für Justiz untersteht. Wie genau dieses Gremium ausgestaltet und besetzt werden soll, blieb zunächst unklar.

Warum hält die Bundesregierung ein neues Gesetz überhaupt für notwendig?

Die Politik kritisiert schon lange, Hass, Hetze und gefälschte Nachrichten würden nicht konsequent genug gelöscht - auch nachdem die Online-Firmen ihr Vorgehen Schritt für Schritt verschärft hatten. Laut einer jüngsten Studie von jugendschutz.net entfernte Twitter nur ein Prozent der gemeldeten strafbaren Inhalte, Facebook immerhin 39 Prozent. Maas versichert, es gehe bei dem Gesetz nur "darum, dass Äußerungen, die gegen Straf­gesetze verstoßen, aus dem Netz gelöscht werden".

Wie weit könnte der Widerstand der Internet-Branche gegen das Gesetz gehen?

Facebook beschritt den ungewöhnlichen Weg, eine ausführliche Stellung­nahme zu dem Gesetz zu veröffentlichen. Darin argumentiert das weltgrößte Online-Netzwerk, der Entwurf sei verfassungs­widrig, zu unklar formuliert und könne die Meinungs­freiheit einschränken. Zugleich wird in der Branche erwartet, dass die Konzerne nicht selbst vor das Verfassungs­gericht ziehen - und stattdessen auf mögliche Klagen von Bürgern warten. Unterdessen versuchen Facebook und Googles Video­plattform YouTube unter anderem mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz, den Kampf gegen Terror-Propaganda effizienter zu machen und damit etwas vom politischen Druck zu nehmen.

Kann das Gesetz noch auf EU-Ebene ausgebremst werden?

Ja, bis Ende Juni läuft noch das sogenannte Notifizierungs­verfahren bei der Europäischen Kommission. Diese prüft, ob das Gesetz mit dem EU-Recht vereinbar ist. Erst wenn diese drei­monatige sogenannte Stillhalte­frist verstreicht, ohne dass die EU Einspruch erhebt, darf das Gesetz in Kraft treten. Sollte also die EU nicht noch im Laufe des Tages ihr Veto einlegen, wird das Gesetz wie geplant in Kraft treten, nachdem es die heutige Abstimmung erfolgreich passiert hat.

Mehr zum Thema Deutscher Bundestag