USA vs. Europa: Streit um hohe 5G-Frequenzen
Bei der Weltfrequenzkonferenz 2019 geht es unter anderem um 5G auf hohen Frequenzen. Wetterforscher befürchten Störungen bei der Sturmwettervorhersage.
Logos: ITU/GSMA, Foto: Rafael Zatorski - fotolia.com, Montage: teltarif.de
Nächste Woche startet in Sharm el-Sheik (in Ägypten) die Weltfrequenzkonferenz 2019 der ITU (Internationale Telecommunications Union, eine Organisation im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO)).
Streit zwischen USA und Europa um 5G
Bei der Weltfrequenzkonferenz 2019 geht es unter anderem um 5G auf hohen Frequenzen. Wetterforscher befürchten Störungen bei der Sturmwettervorhersage.
Logos: ITU/GSMA, Foto: Rafael Zatorski - fotolia.com, Montage: teltarif.de
Dort zeichnet sich ein Konflikt zwischen den USA und Europa über die zukünftige Entwicklung von 5G ab.
Der Welt-Dachverband für Mobilfunk, die GSMA, befürchtet, dass die möglichen Beschlüsse der WRC "ein Risiko für ein globales Wirtschaftswachstum in Höhe von 565 Milliarden US-Dollar (ca. 508 Milliarden Euro) für die nächsten 15 Jahre darstellen könnte.
Gefahr für das Wirtschaftswachstum?
Dieses denkbare Wirtschaftswachstum durch die "5G-Dienste der nächsten Generation" hänge von der Verfügbarkeit bestimmter Funkfrequenzen ab, den sogenannten Millimeterwellenfrequenzen ("mmWave"), die auf der WRC-19 an die Mobilfunkbetreiber zugeteilt werden sollen. Insbesondere um Frequenzen bei 20 GHz und weit darüber hinaus gibt es heftigen Streit.
Aus Europa kommen Überlegungen, die Nutzung dieser "kritischen" Frequenzen aufgrund möglicher Störungen mit Weltraumdiensten zu beschränken. Das ließe die Zukunft von 5G ins Wanken geraten, befürchtet der Weltverband. Für Brett Tarnutzer, Herr der Frequenzplanung und -verwaltung bei der GSMA steht viel auf dem Spiel: „Wir fordern Europa auf, gemeinsam mit den USA auf der WRC-19 eine Pro-5G-Position einzunehmen, um seine digitale Zukunft zu schützen." Er bemängelt, dass einige Behörden nach wie vor entschlossen seien, die mobile Nutzung von Funkwellen zu beschränken, die 5G benötige, um sein volles Potenzial ausschöpfen zu können.
Es muss ausgewogen sein
"Wir konzentrieren uns darauf, sicherzustellen, dass alle Regionen an Bord einer ausgewogenen Lösung sind, die robuste 5G-Frequenzen weltweit ermöglicht und gleichzeitig die Satelliteninteressen weltweit schützt", sagte Tom Power, Senior Vice President und Chef-Justitiar der CTIA, dem Dachverband der US-amerikanischen Telekommunikationsindustrie.
USA hat die höchsten Geschwindigkeiten
Derzeit gebe es die schnellsten 5G-Spitzengeschwindigkeiten in den USA. Das liege daran, dass die USA "mmWave" (genutzt werden derzeit Frequenzen bei 25 GHz) als erste bereitgestellt haben. Die Vorteile der Nutzung dieses Spektrums lägen auf der Hand. Nur durch die weltweite Harmonisierung auf der WRC-19 würden alle Regionen den größten Nutzen davon bekommen. Die Vorteile des mmWave-Spektrums sind von entscheidender Bedeutung für die Bereitstellung extrem hoher Geschwindigkeiten und Kapazitäten für eine Vielzahl von Diensten für Verbraucher, Unternehmen und Behörden, bei denen große Datenmengen nahezu sofort bereitgestellt werden müssen. Dazu gehören Unterhaltungsdienste wie das sekundenschnelle Herunterladen von Filmen in ultrahoher Auflösung, Anwendungen für virtuelle und erweiterte Realität, Fernsteuerungen mit "haptischem" Feedback, die präzise Steuerung von Industriegeräten und Robotern sowie autonome Fahrzeuge.
WRC: 190 Nationen schicken 3000 Delegierte
Auf der WRC-19 treffen sich dreitausend Delegierte aus über 190 Nationen, um festzulegen, wie dieses Spektrum genutzt werden kann. Der Harmonisierungsprozess erlaubt globales Roaming und dadurch "Skaleneffekte". Produkte, die ursprünglich für nur ein Land gebaut wurden, können auch in den meisten andern Ländern genutzt werden.
Kritik der Wetterforscher
Die Kritik kommt beispielsweise von den Wetterforschern. Sie argumentieren, dass einige der künftigen 5G-Frequenzen sehr nahe an den Frequenzen liegen, welche Wettersatelliten zur Erdbeobachtung nutzen. Konkret: Terrestrische Aussendungen in diesen Frequenzbereichen könnten das Sammeln von Wetterdaten stören. „Dies ist ein globales Problem“, wird der Meteorologe Jordan Gerth von der University of Wisconsin–Madison im Wissenschaftsjournal „Nature“ zitiert.
Vorhersagen über Stürme wären davon betroffen. Wettersatelliten empfangen rund um die Uhr das Signal, das vom Wasserdampf in der Atmosphäre ausgeht. Damit lassen sich exakte Prognosen für gefährliche Stürme erstellen. Das unpraktische daran: Der Wasserdampf sendet bei ungefähr 23,8 GHz. Und da genau wollen die Mobilfunker auch noch hin. „Wir wüssten am Ende nicht mehr, ob empfangene Signale aus dem Himmel oder vom Mobilfunk kommen." Gingen solche "verschmutzten" Daten in die komplizierten Rechenmodelle ein, würden sie ungenauer. Das könnte am Ende den Menschen gefährlich werden, wenn eine Sturmwarnung zu spät oder völlig falsch eingehen würde.
Die GSMA hingegen argumentiert, dass von Amerika, Afrika und den arabischen Staaten unterstützte technische Studien gezeigt hätten, dass 5G mit den Wettererkennungsdiensten, kommerziellen Satellitendiensten und anderen Angeboten koexistieren könnte.
Könnten Grenzwerte helfen?
In den USA hat die Frequenzbehörde FCC bereits Grenzwerte für 5G vorgeschlagen, um Wettersensoren in nahe gelegenen Frequenzbändern zu schützen. Bei der CITEL-Konferenz in Ottawa sei bereits ein Konsens zu erzielt worden (CITEL ist die Interamerican Telecommunication Commission).
Trotzdem würden die europäischen Länder die Nutzung des Millimeter-Spektrums durch die Festlegung technischer Schutzbedingungen einschränken. "Es ist wichtig, den Studien zu folgen, die realistische Annahmen darüber treffen, wie Netzwerke funktionieren und wir das Spektrum für alle optimal nutzen können", fügte Tarnutzer hinzu. Dieser Ansatz werde in Amerika, Afrika und im Nahen Osten verfolgt, aber "wir brauchen eine globale Lösung." Große „Schutzbänder“ würden benötigt. Das werde den wirtschaftlichen Nutzen einschränken und den Verbrauchern und der Industrie schaden.“
Angst vor hohen Frequenzen
Vor diesen extrem hohen Frequenzen gibt es auch unter gemäßigten Mobilfunkkritikern durchaus ernstzunehmende Bedenken. Sie befürchten, dass zu hohe Strahlung oder der Aufenthalt in unmittelbarer Nähe dieser Sendeanlagen beispielsweise den Glaskörper des menschlichen Auges beschädigen könnte. Der Knackpunkt: Diese hohen Frequenzen bieten schier unendliche Bandbreite für heute noch kaum zu erahnende extrem bandbreitenfressenden Anwendungen, haben aber eine extrem geringe Reichweite. Das könnte die Industrie ermuntern, die Sendeleistungen "maximal" aufzudrehen. Wo sollten die Grenzen liegen?
Andererseits gehört es zum guten politischen Ton, sich vor solch wichtigen Veranstaltungen lautstark in möglichst gute Ausgangspositionen zu begeben, denn Kompromisse muss und wird es am Ende auch geben.