Empörung

US-Lauschangriff: Weitere europäische Spitzenpolitiker betroffen

Europa diskutiert über Datenschutzabkommen mit den USA
Von dpa / Jennifer Buchholz

Der US-Lauschangriff beeinflusst den EU-Gipfel Der US-Lauschangriff beeinflusst den EU-Gipfel
Bild: dpa
Nach dem ver­muteten US-Lausch­angriff auf Kanzlerin Angela Merkel sucht Europa empört nach star­ken Ant­worten. Die For­der­ungen reichen von einer Unter­brechung der Frei­handels­gespräche mit den USA bis hin zum Auf­kündigen von Daten-Abkommen mit den Amerikanern. Beim EU-Gipfel kritisierte Merkel nach dem Vorwurf, der US-Geheimd­ienst NSA habe ihr Handy ausgespäht, die Ver­bündeten un­gewöhnlich scharf: "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht."

Das habe sie auch schon US-Präsident Barack Obama bei seinem Berlin-Besuch im Juni gesagt und in einem Telefon­gespräch am Mittwoch bekräftigt, erklärte Merkel in Brüssel. "Dabei geht es nicht vordergründig um mich, es geht um alle Bürgerinnen und Bürger." Das Vertrauen müsse "jetzt wieder neu hergestellt werden." Mehrere Staatenlenker zeigten sich mit Deutschland solidarisch.

Der US-Lauschangriff beeinflusst den EU-Gipfel Der US-Lauschangriff beeinflusst den EU-Gipfel
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Andere EU-Länder sind ebenfalls empört

Mit dem französischen Präsidenten François Hollande will sich Merkel in der Affäre um die NSA-Über­wachung eng abstimmen. Nach Angaben aus Dele­gations­kreisen in Brüssel sind sich Deutsch­land und Frankreich in der Be­urteil­ung der Vor­fälle weit­gehend einig. Merkel und Hol­lande trafen sich am Rande des Gipfels. Nach Medienberichten spionierte die NSA auch Personen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Frank­reich aus. Laut einem neuen Bericht des Guardian überwachte der US-Abhördienst die Telefonkommunikation von 35 internationalen Spitzenpolitikern.

EU-Parlaments­chef Martin Schulz verlangte, die Gespräche mit Washington über eine Frei­handels­zone auszusetzen. "Ich glaube schon, dass wir jetzt mal unterbrechen müssen", sagte der SPD-Politiker. "Das ist kein Arbeiten auf gleicher Augenhöhe."

Die EU verhandelt mit Washington seit Sommer über die Schaffung der weltgrößten Freihandels­zone mit gut 800 Millionen Einwohnern. Experten hoffen auf bis zu zwei Millionen neue Arbeitsplätze. Das EU-Parlament redet in der Handels­politik mit, weil es den Pakt billigen muss.

Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger betonte: "Man kann besonders zwischen be­freundeten Ländern nicht einfach jemand anderen abhören, Daten absaugen, verarbeiten, ohne dass es dafür wirklich eine gemeinsame Grundlage gibt." "Dieses systematische Ausspionieren ist nicht hinnehmbar", sagte Belgiens Regierungs­chef Elio Di Rupo. "Es sind nun europäische Maßnahmen nötig." Der nieder­ländische Minister­präsident Mark Rutte sagte: "Ich habe keine Hinweise, dass ich abgehört werde" - und fügte hinzu, dass man da nie sicher sein könne.

Europa stoppt SWIFT-Abkommen wegen NSA-Affäre

Bereits am Vortag hatte das Europa­parlament die Kündigung des Swift-Abkommens gefordert, das den US-Geheimdiensten seit 2010 den gezielten Blick auf Konto­bewegungen von Verdächtigen in Europa erlaubt. Auch der in Belgien ansässige Finanz­dienstleister Swift, der Überweisungen von Bankkunden weltweit abwickelt, soll im Visier der NSA gewesen sein.

Auf dem offiziellen Programm des zweitägigen Gipfels stehen die Internetwirtschaft, die Banken­union und das Flüchtlings­drama im Mittelmeer. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, kam zum Abendessen. Die Notenbank pocht darauf, dass sich die Mitgliedstaaten umfassend auf neue Banken-Stresstests im kommenden Jahr vorbereiten. Neue milliardenschwere Hilfs­maßnahmen könnten nötig werden, wenn Institute bei den Tests durch­fallen.

Die frischen Lausch-Enthüllungen geben auch der Daten­schutzreform neuen Schwung, über die die EU seit Anfang 2012 diskutiert. EU-Kommissions­präsident José Manuel Barroso verwies auf diese Pläne, die Europas Bürgern mehr Rechte an ihren Daten im Internet - etwa gegenüber US-Konzernen wie Google und Facebook - geben sollen. "Wir sehen das Recht auf Privats­phäre als ein Grundrecht an. (...) Das ist sehr wichtig, nicht nur für Deutsch­land." Er erinnerte an die Er­fahrungen mit der Stasi in der damaligen DDR.

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