Auflagen

BNetzA: 50.000 Euro Strafe für jeden fehlenden Funkmasten

Als 2019 vier Tele­kom­muni­kati­ons­kon­zerne Mobil­funk-Frequenzen für sechs­ein­halb Milli­arden Euro erstei­gerten, verpflich­teten sie sich zu einem zügigen Netz­ausbau. Nun ist eine Frist abge­laufen, keine einzige Firma hat alle Auflagen erfüllt. Was tun?
Von mit Material von dpa

Ein neuer 5G-Mobilfunkmast steht auf einem Hochhaus an der Kreuzung Mörsenbroicher Ei in Düsseldorf Ein neuer 5G-Mobilfunkmast steht auf einem Hochhaus an der Kreuzung Mörsenbroicher Ei in Düsseldorf
picture alliance/dpa
Wegen Defi­ziten beim Handy­netz-Ausbau erwägt eine Aufsichts­behörde, erst­mals Deutsch­lands große Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter zur Kasse zu bitten. "Die Bundes­netz­agentur beab­sich­tigt zurzeit, ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro pro Standort zu verhängen", heißt es in einem Schreiben der Bonner Behörde an ihren Beirat. Das Doku­ment liegt dpa vor.

Es geht um Stand­orte, die im Rahmen der Frequenz­auk­tion von 2019 eigent­lich bis Ende vergan­genen Jahres hätten gebaut werden müssen, aber nicht wurden. Weiter heißt es: "Daneben können auch Zwangs­gelder erhoben werden." Zwangs­gelder könnten noch größere finan­zielle Folgen haben.

Die Auflagen bei Weißen Flecken

Die drei etablierten Netz­betreiber Telefónica (o2), Voda­fone und die Deut­sche Telekom haben zentrale Vorgaben der Ausbau­pflichten nach eigenem Bekunden erfüllt - etwa dass in jedem Bundes­land in mindes­tens 98 Prozent der Haus­halte eine mobile Inter­net­ver­bin­dung mit einem Down­load von 100 Megabit pro Sekunde möglich ist. Bei soge­nannten Weißen Flecken rissen hingegen alle drei die Mess­latte deut­lich. Hierbei geht es um Gegenden, wo kein Handy­netz eine Über­tra­gung von 100 Megabit pro Sekunde schafft. Statt zum 31. Dezember 2022 auf 167 eigene Stand­orte in so einer Gegend zu kommen, meldete Voda­fone nur 86, Telefónica 61 und die Telekom 38.

Ein neuer 5G-Mobilfunkmast steht auf einem Hochhaus an der Kreuzung Mörsenbroicher Ei in Düsseldorf Ein neuer 5G-Mobilfunkmast steht auf einem Hochhaus an der Kreuzung Mörsenbroicher Ei in Düsseldorf
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Unter anderem auf solche Stand­orte bezieht sich die Sank­tions­andro­hung in dem Schreiben an den Beirat. Die Netz­betreiber betonen unisono, dass sie voran­kommen. Es seien 14 weitere im Bau, sagt zum Beispiel ein Telekom-Spre­cher. Zudem betont er, dass an den übrigen noch fehlenden 115 Stand­orten "zu einem großen Teil keine Funk­löcher bestehen", sondern dort gebe es eine "Grund­ver­sor­gung" - das Handy bekommt also Breit­band-Empfang, aber die vorge­schrie­bene Mindest­über­tra­gung von 100 Megabit pro Sekunde fehlt.

Bau "recht­lich und tatsäch­lich" unmög­lich?

Außerdem verweisen die Firmen darauf, dass sie eine staat­liche Liste mit den betrof­fenen Gegenden zu spät bekommen hätten und dass der Ausbau mancher­orts schlicht nicht möglich sei - etwa wenn partout kein Grund­stücks­eigen­tümer bereit ist, ein Stück Land für einen Funk­mast zu vermieten. In Natur­schutz­gebieten ist die Errich­tung solcher Masten eben­falls schwierig. Ist es aus "recht­lichen und tatsäch­lichen" Gründen unmög­lich, Antennen aufzu­stellen, so wertet die Bundes­netz­agentur dies nicht als Verfeh­lung.

Somit ist unklar, wie groß die Lücke zu der Pflicht­vor­gabe von 167 ist - je nachdem, wie viele Stand­orte die Bundes­netz­agentur als "recht­lich und tatsäch­lich" unmög­lich wertet, ist sie kleiner oder größer. Derzeit prüft die Bonner Behörde die Unter­lagen, die die Unter­nehmen Anfang Januar einge­reicht haben.

Kras­seste Verfeh­lung bei 1&1

Die kras­seste Verfeh­lung der Ausbau­pflichten stammt nicht von den drei etablierten Netz­betrei­bern, sondern vom Neuein­steiger 1&1. Diese Firma hatte 2019 erst­mals Frequenzen erstei­gert und baut derzeit ihr erstes eigenes Handy­netz auf - bisher verkaufte 1&1 Handy­ver­träge, bei denen die Kunden vor allem mit dem o2-Netz verbunden sind. Dafür zahlt 1&1 Miete an o2.

Der Konzern aus Monta­baur hätte zum Jahres­wechsel 1000 5G-Stationen akti­viert haben müssen, tatsäch­lich waren es aber nur fünf. 1&1 begrün­dete dies mit Liefer­pro­blemen bei einem Baupartner. Im Sommer 2023 will 1&1 die 1000 errei­chen. Sollte 1&1 sank­tio­niert werden, könnte es teuer werden.

Der Druck auf 1&1 wächst

Auch der Spiegel hatte in dieser Woche darüber berichtet, 1&1 müsse mit Sank­tionen der Bundes­netz­agentur rechnen. "Wir haben unser Ausbau­ziel für 2022 verfehlt, das ist mir auch unan­genehm", zitiert das Blatt 1&1-Chef Ralph Dommer­muth. Man sei aber mitt­ler­weile "guter Dinge, die 1000 Stand­orte in diesem Jahr zu schaffen". Einen Vergleich mit dem seiner­zeit früh geschei­terten UMTS-Betreiber Quam wies Dommer­muth zurück, sein Unter­nehmen sei beim Netz­ausbau "alles andere als untätig".

Die BNetzA sagte gegen­über dem Spiegel auf Anfrage, man werde den weiteren Netz­ausbau der Wester­wälder "sehr genau prüfen" und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. "In jedem Fall müssen die Frequenzen effi­zient genutzt werden."

"Die drei großen Mobil­funk­betreiber fahren Traum­ren­diten ein und boykot­tieren zugleich den Ausbau in dünn besie­delten Regionen", kriti­sierte Linken­poli­tiker und Haus­halts­experte Victor Perli den aktu­ellen Zustand. "Die Bundes­regie­rung schaut seit Jahren tatenlos zu, jetzt bleibt sogar die millio­nen­schwere Förde­rung aus Steu­ergel­dern liegen", sagte Perli auch im Hinblick auf das lang­same Arbeits­tempo der Mobil­funkin­fra­struk­tur­gesell­schaft des Bundes.

Wird es wirk­lich Strafen geben?

Aller­dings ist offen, ob die Bundes­netz­agentur über­haupt Buß- oder Zwangs­gelder verhängt. Nach der Frequenz­auk­tion 2015 hielt eben­falls kein einziger Netz­betreiber alle Verpflich­tungen ein - beson­ders Telefónica (o2) offen­barte damals gravie­rende Defi­zite. Auch damals drohte die Regu­lie­rungs­behörde Sank­tionen an, drückte am Ende aber beide Augen zu.

So könnte es auch dieses Mal sein. In dem Schreiben an den Beirat, der an diesem Montag tagt, heißt es: "Bei einer Verhän­gung von Sank­tionen findet eine Gesamt­betrach­tung statt, bei der der jewei­lige Einzel­fall zu beur­teilen ist." Der Satz lässt Inter­pre­tati­ons­spiel­raum zu. Gut möglich, dass die Behörde auch dieses Mal wieder nur eine Drohung ausspricht, um den Druck zu erhöhen, am Ende aber auf das Sank­tions­schwert verzichtet.

Aller­dings sollten sich die Tele­kom­muni­kati­ons­firmen hierbei nicht zu sicher sein. Denn an der Spitze der Regu­lie­rungs­behörde sitzt inzwi­schen Klaus Müller, der vorher den Bundes­ver­band der Verbrau­cher­zen­tralen geleitet hat. Er ist bekannt dafür, dass er Verbrau­cher­schutz-Belange stärker im Blick hat als sein Vorgänger - statt auf einen Rechts­streit mit Unter­nehmen zu verzichten, könnte die Behörde ihn diesmal eingehen und Sank­tionen durch­setzen wollen.

Mitt­ler­weile hat sich heraus­gestellt: Strafen in konkreter Höhe setzt die BNetzA aktuell noch nicht fest, sie fordert aber spür­bare Konse­quenzen.

Die Meldungen der drei großen Netz­betreiber an die BNetzA

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