Argumente

Like oder nicht: Wozu braucht man Facebook heute noch?

Seit Jahren ist Face­book wegen Daten­skan­dalen und Ausfällen in der Kritik, die aktive Nutzer­schaft geht in Deutsch­land zurück. Was spricht noch für Face­book?
Von dpa /

Rund 32 Millionen Menschen in Deutsch­land haben Face­book zufolge ein Konto bei dem sozialen Netz­werk. Das macht es nach WhatsApp, das eben­falls zu Face­book gehört, zur verbrei­tetsten Social-Media-Platt­form hier­zulande. Doch Fake News, stun­den­lange Ausfälle und Daten­schutz­skan­dale haben das Vertrauen vieler Nutze­rinnen und Nutzer in die Platt­form erschüt­tert.

Hinzu kommt, dass andere Netz­werke wie Insta­gram, eben­falls eine Face­book-Tochter, oder Tiktok mitt­ler­weile bei jungen Nutze­rinnen und Nutzern größere Faszi­nation auslösen. Die Face­book-Nutzer­schaft wird immer älter. Auch gehe die aktive Nutzung zurück und viele Nutze­rinnen und Nutzer loggten sich nur noch selten auf der Platt­form ein, sagt der Medi­entrainer Teja Adams. "Der durch­schnitt­liche Face­book-Nutzer postet zurück­hal­tender, kommen­tiert und likt weniger als noch vor einigen Jahren."

Warum sollte man sich heute trotzdem noch auf Face­book anmelden? Gehe es nach Face­book, brauche man natür­lich unbe­dingt ein Konto, um mit Familie und Freunden verbunden zu sein, sagt Medi­enjour­nalist Daniel Fiene. "Aller­dings hat für die meisten Nutze­rinnen und Nutzer Face­book diese Aufgabe gar nicht mehr." Die meisten Leute würden mitt­ler­weile woan­ders posten, ob in der Fami­lien-WhatsApp-Gruppe oder auf Insta­gram.

Gut für Kontakte und Events

Wofür ist Facebook noch gut Wofür ist Facebook noch gut?
Bild: dpa
Die Kommu­nika­tion habe sich insge­samt mehr ins Private verla­gert, beob­achtet Fiene. Trotzdem sei Face­book nach wie vor inter­essant. "Viele User nutzen die Platt­form als Kontakt­ver­wal­tung und um sich über Events zu infor­mieren", sagt Fiene.

In dieser Hinsicht profi­tiert Face­book von der großen Nutzer­basis in Deutsch­land, die, wie Teja Adams unter­streicht, den größten Vorteil Face­books gegen­über anderen Netz­werken darstellt. Face­book richte sich prak­tisch an alle Gruppen von Nutze­rinnen und Nutzern. Für Adams steht deshalb fest: "Face­book ist darum das Netz­werk, auf dem man nach wie vor die größte Chance hat, Freunde und Bekannte anzu­treffen."

Ein weiterer Grund, der für Face­book spricht, seien die vielen Möglich­keiten, die die Platt­form bietet, sagt Adams. "Vergli­chen mit anderen Netz­werken bietet Face­book den größten Funk­tions­umfang. Nutze­rinnen und Nutzer können beispiels­weise chatten, auf der Pinn­wand posten, oder in Gruppen eintreten und kommu­nizieren."

Ein klas­sischer und viel genutzter Bereich seien Veran­stal­tungen. Hier können Privat­leute und Orga­nisa­tionen Events anlegen, die Teil­nahme oder das Inter­esse an einer Veran­stal­tung signa­lisieren. "User können so sehen, wer von ihren Freun­dinnen und Freunden dabei ist und sich über die Veran­stal­tung austau­schen" sagt Adams.

Die Gruppen nicht vergessen

Darüber hinaus seien insbe­son­dere die Gruppen auf Face­book nach wie vor sehr inter­essant. "Für jedes Thema, egal wie speziell, findet man auf Face­book die passende Gruppe", sagt Adams. In den Gruppen zeige sich auch eine weitere Stärke von Face­book, nämlich die hohe lokale Ausdif­feren­zie­rung. "Es ist nicht nur möglich, Gruppen zu den eigenen Inter­essen zu finden, sondern auch noch im eigenen lokalen Umfeld."

Diesen Bereich wird Face­book in Zukunft auch wohl weiter ausbauen, sagt Fiene voraus. In Kanada hat das Netz­werk ein Pilot­pro­jekt gestartet, in dem die Nach­bar­schaften einer Stadt auf Face­book durch Gruppen nach­gebildet werden. "In dieser Face­book-Nach­bar­schaft können User ein Profil anlegen, das dann auch nur in dieser Nach­bar­schaft sichtbar ist", sagt er. Dort könne man dann über lokal rele­vante Themen disku­tieren, die die Nach­bar­schaft bewegen.

"Face­book testet hier also ein neues Produkt, was Nutze­rinnen und Nutzer vorher schon selbst auf der Platt­form ausge­staltet hatten, nämlich die typi­schen Orts­gruppen", analy­siert Daniel Fiene. Und lokale Inhalte würden in Zukunft auf Face­book noch wich­tiger werden.

Immer neue Features

In den letzten Jahren hat Face­book aber auch immer mehr grund­sätz­liche Funk­tionen wie Gaming, Live-Videos oder den Market­place zur Platt­form hinzu­gefügt. "Gerade während der Corona-Pandemie hat dieser Live-Video-Bereich nochmal viele neue Nutze­rinnen und Nutzer hinzu­gewonnen", sagt Teja Adams.

Face­book Market­place wiederum funk­tio­niere ähnlich wie eBay-Klein­anzeigen, so Adams. Insge­samt gebe es somit eine Viel­zahl unter­schied­licher Produkte und Funk­tionen auf Face­book, mit denen das Netz­werk versuche, unter­schied­liche Ziel­gruppen anzu­spre­chen. Face­book sei deswegen das "Schweizer Taschen­messer" unter den sozialen Netz­werken, für jede Nutzer­gruppe sei etwas dabei.

"Es gibt aber keine Funk­tion mehr, die Face­book ein abso­lutes Allein­stel­lungs­merkmal zusi­chert, oder die total durch die Decke geht", schränkt Adams ein. Face­book sei hier in den letzten Jahren weniger inno­vativ gewesen als andere Platt­formen. Und die Funk­tions­viel­falt habe auch nega­tive Seiten: Einige Nutze­rinnen und Nutzer verlören den Über­blick.

"Viele neue Features wie etwa Stories werden auf Face­book auch nicht so gut ange­nommen wie in anderen Netz­werken", sagt Adams. Einige Funk­tionen stellte das Netz­werk deswegen wieder ein. So zum Beispiel die Watch-Party-Funk­tion, mit der man öffent­liche Videos mit einer Gruppe von Freunden anschauen konnte.

Der News­feed krankt

Probleme zeigen sich aber auch in anderen Berei­chen. Einige zentrale Funk­tionen wie der News­feed funk­tio­nierten nicht mehr gut, sagt Adams. Das eigent­liche Herz von Face­book sei über­frachtet, Posts von Freun­dinnen und Freunden würden oft durch andere Beiträge über­lagert. Der News­feed sei für viele deshalb nicht mehr attraktiv.

"Face­book wird aber nicht so schnell sterben", ist sich Adams sicher. Das Netz­werk sei welt­weit einfach zu groß und zu tief in Alltags- und Arbeits­abläufe veran­kert. Auch glaubt Adams, dass die Nutzer­schaft stabil bleiben wird. Selbst wenn jüngere Nutze­rinnen und Nutzer nicht mehr auf Face­book gehen, gebe es unter Älteren immer noch poten­zielle neue Nutzer­gruppen. Und Face­book versucht auch im Trend-Bereich Audio Fuß zu fassen. Ange­kün­digt sind unter anderem Sound­bites, ein neues Format für kurze, krea­tive Audio-Inhalte sowie Live-Audio-Räume.

Weg von Dark Patterns

In der Vergan­gen­heit ist Face­book aber auch immer wieder wegen undurch­sich­tiger Vorein­stel­lungen und irre­füh­rendem Design in der Benut­zer­füh­rung kriti­siert worden. "Face­book sollte durch sein Design die Userinnen und User stärker befä­higen, gute Entschei­dungen zu treffen", sagt Matthias C. Kette­mann vom Leibniz-Institut für Medi­enfor­schung in Hamburg.

Insbe­son­dere soge­nannte Dark Patterns, also Benut­zer­füh­rung, die etwa dazu verleiten, private Daten preis­zugeben oder länger Zeit auf der Platt­form zu verbringen, als man eigent­lich möchte, sieht Medi­enfor­scher Kette­mann kritisch.

In den letzten Jahren habe Face­book aber auch aufgrund gesetz­licher Initia­tiven wie der Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO) nach­gebes­sert. "Während früher die Privat­sphäre-Einstel­lungen auf Face­book von Beginn an niedrig waren, sind sie nun stan­dard­mäßig höher einge­stellt", sagt Kette­mann.

Eine weitere Verbes­serung macht Kette­mann im Bereich Werbung aus: "Lange Zeit waren Werbungen auf Face­book nicht klar genug gekenn­zeichnet" sagt Kette­mann. Die Kenn­zeich­nung erfolge mitt­ler­weile eindeu­tiger.

Zudem gebe es nun bei Face­book seit Ende 2020 mit dem Over­sight Board ein Aufsichts­gre­mium, das gege­benen­falls Entschei­dungen korri­gieren und Platt­form­regeln verbes­sern soll. "Das dient am Ende auch dem Gemein­schafts­aufbau", sagt Kette­mann. Face­book nehme hier eine Vorrei­ter­rolle inner­halb der sozialen Netz­werke ein.

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