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WhatsApp und Co.: Nicht noch eine Sprachnachricht!

"Hätte man das nicht kürzer schreiben können?" Sprach­nach­richten sorgen bei manchen Empfän­gern für Frust. Andere freuen sich über die persön­liche Botschaft. Warum pola­risieren Audio­nach­richten so?
Von dpa /

Die Bässe dröhnen, die Freundin klingt über­glück­lich - wer eine Sprach­nach­richt abspielt, ist sofort mitten im Geschehen. Ohne viele Worte hören zu müssen, ist klar, die Party ist gut. Manche lieben das. Allein beim größten Messen­ger­dienst WhatsApp werden nach Unter­neh­mens­angaben täglich sieben Milli­arden Sprach­nach­richten versendet.

Nutzer könnten sich damit "schneller, einfa­cher und auch auf einer persön­licheren Ebene mitein­ander austau­schen", hält der Konzern fest. Trotzdem gibt es nicht nur Fans.

Sprach­nach­richten können nervig werden

Sprachnachrichten über WhatsApp Sprachnachrichten über WhatsApp
Bild: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand
"Man kann im Alltag beob­achten, dass sich viele Menschen sehr darüber aufregen, wenn sie Sprach­nach­richten bekommen. Bei dem eigenen Kind ist die Tole­ranz­grenze viel­leicht noch höher. Aber alles, was über den engsten emotio­nalen fami­liären Bereich hinaus­geht, wird irgend­wann für die aller­meisten sehr, sehr nervig", sagt Digital-Experte Gerald Lembke. Er ist Professor für Medi­enwirt­schaft und Medi­enma­nage­ment in Mann­heim und hat auch Sprach­nach­richten und deren Nutzung unter­sucht.

"Die Nutzer sagen: Sie verschi­cken zwar gern Sprach­nach­richten, aber sie hören sie nicht gern an. Warum? Etwas aufzu­zeichnen, so nebenbei, an der Kasse stehend oder im Auto sitzend, ist sehr einfach, aber eine Sprach­nach­richt anzu­hören erfor­dert eine Aktion", erklärt Lembke. Denn die Kommu­nika­tion mit Sprach­nach­richten ist asyn­chron, also zeit­ver­setzt: Einer nimmt sie auf, sendet sie ab, dann werden sie ange­hört.

Kommu­nika­tion als Einbahn­straße

"Sprach­nach­richten sind eine Einbahn­stra­ßen­kom­muni­kation", sagt Lembke. Aus theo­reti­scher Sicht sei das sogar eine Verein­fachung: "Man ist unab­hängig von der Reak­tion des Empfän­gers und das macht Kommu­nika­tion grund­sätz­lich zuerst mal einfa­cher, weil sie nur in eine Rich­tung ist und nicht auf Inter­aktion ausge­legt ist."

Wenn jemand vorüber­gehend nicht erreichbar sei und eine Ange­legen­heit nicht drin­gend sei, mache diese Art der Kommu­nika­tion "durchaus Sinn", so Lembke. Aber: Gehe es etwa um Abspra­chen mit vielen Leuten, sei das synchrone Tele­fon­gespräch effek­tiver und produk­tiver.

"Wenn man zum Beispiel ein Datum kommu­nizieren möchte, sollte man das nicht in einer mehr­minü­tigen Sprach­nach­richt einbetten, sondern als Text schi­cken, weil der Empfänger es dann sofort sehen und später leicht nach­schauen kann", sagt auch Doro­thea Adler. Sie forscht am Lehr­stuhl für Medi­enpsy­cho­logie der Univer­sität Würz­burg unter anderem zu Sprach­nach­richten.

Plau­dern statt Planen

So mancher schweift beim Aufnehmen etwas ab: "Gespro­chene Sprache ist weniger planbar als geschrie­bene Sprache. Man kann sich zwar vorher über­legen, was man erzählen möchte, aber vermut­lich besteht dennoch zwischen dem Geplanten und Gesagten eine Diskre­panz", erklärt Adler.

"Während man bei Text nochmal durch­lesen kann, was man geschrieben hat, und Dinge abän­dern kann, damit es besser zur Nach­richt des Empfän­gers passt, kommt man bei der gespro­chenen Sprache wahr­schein­lich eher ins Plau­dern. Dadurch entsteht wohl auch manche Länge. Manche Menschen mögen es, wenn jemand ins Reden kommt und über seine Gedanken und Gefühle spricht. Während eine Text­nach­richt auch persön­lich sein kann, ist diese wohl dennoch eher etwas konzen­trierter und fokus­sierter."

Manches werde schon durch den Hinter­grund vermit­telt. "Ich höre zum Beispiel, wenn eine Freundin noch auf der Party ist und Musik läuft. Dadurch kann ich viel besser daran teil­nehmen und durch die Sprache die authen­tischen Emotionen wahr­nehmen und mich dadurch auch der Person näher fühlen", nennt Adler ein Beispiel. "Nicht nur erzählt sie mehr, sondern sie erzählt viel­leicht auch ein biss­chen schneller und melo­discher, wenn sie fröh­lich ist. Dadurch kriege ich natür­lich nicht nur über das gespro­chene Wort mit, wie es der Person geht, sondern auch über die Stimme und Stimm­lage."

"Es geht auch um Fein­gefühl"

Lachen, schneller reden, flüs­tern, eine Denk­pause einlegen - all das könne eine Botschaft vermit­teln. Aber: Wichtig ist, dass beide Seiten mit den Sprach- statt Text­nach­richten einver­standen sind. "Es geht auch um Fein­gefühl: Wenn ich jemandem eine Sprach­nach­richt schicke und mein Gegen­über mir konstant mit Text antwortet, dann würde ich wahr­schein­lich irgend­wann vermuten, der will das nicht und nach­fragen oder keine Sprach­nach­richten mehr verschi­cken", so Adler. Umge­kehrt könne man als Empfänger auch anspre­chen, dass man lieber tele­foniere oder Geschrie­benes bekomme.

Auch Lembke rät dazu, eine klare Entschei­dung zu treffen - "Ja, das will ich, oder nein, das will ich nicht. Wenn ich sage, ich will keine Sprach­nach­richten, dann kann ich das mit denje­nigen am Telefon erör­tern, die mir welche schi­cken. Aber mit dieser Entschei­dung tun sich viele schwer."

Seit kurzem werden WhatsApp-Reak­tion für alle Anwender ausge­rollt. Mehr dazu lesen Sie in einer weiteren News.

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