Strafbar

Ein Klick zur Strafbarkeit: Verbotene Chat-Inhalte nehmen zu

In der Schü­ler­gruppe, unter Freunden und in größeren Chat-Gruppen wird immer häufiger mehr geteilt als nur witzige Smileys. Pornos und Gewalt­szenen, oft auch rassis­ti­sche Witze machen die Runde. Das ist strafbar, warnt die Polizei.
Von dpa /

Kinder haben beim Teilen von Chat-Nachrichten oft kein Unrechtsbewusstsein Kinder haben beim Teilen von Chat-Nachrichten oft kein Unrechtsbewusstsein
Bild: dpa
Bing. Wieder eine Nach­richt. Irgendein Inter­net­chat, viel­leicht nur ein Smiley oder ein unver­fäng­li­ches "Wie geht's?" von der besten Freundin. Viel­leicht aber auch ein erster Schritt hin zu jeder Menge Ärger. Mit der Polizei, mit dem Anwalt, den Eltern, wer weiß?

Denn viele Jugend­liche nutzen zwar zum Beispiel den Messenger WhatsApp, um mit ihren Freunden zu kommu­ni­zieren. Aber nur wenige von ihnen wissen auch, dass sie sich strafbar machen, wenn sie etwa in Schüler-Chat­gruppen Porno­fotos oder Nazi­filme erhalten oder weiter­leiten. Die Zahlen steigen, warnt die Polizei. Und verant­wort­lich sind keines­wegs nur die Kinder und Jugend­li­chen. "Was da auf uns zurollt, ist eine Welle von Straf­ver­fahren", sagt Krimi­nal­haupt­kom­missar Dieter Acker­mann vom Heil­bronner Haus des Jugend­rechts. "Und es betrifft die ganze Gesell­schaft, weil es in allen Schichten Kinder gibt." Nach seiner Einschät­zung haben bereits 80 Prozent der Kinder und Jugend­li­chen Kontakt zu straf­recht­lich rele­vanten Inhalten gehabt - und immer häufiger muss die Polizei eingreifen.

Zahl der Tatver­däch­tigen unter 21 Jahren steigt

Kinder haben beim Teilen von Chat-Nachrichten oft kein Unrechtsbewusstsein Kinder haben beim Teilen von Chat-Nachrichten oft kein Unrechtsbewusstsein
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Nach der poli­zei­li­chen Krimi­nal­sta­tistik stieg die Zahl der Tatver­däch­tigen unter 21 Jahren bei Straf­taten gegen die sexu­elle Selbst­be­stim­mung im vergan­genen Jahr um 46 Prozent auf 2063. "Das liegt insbe­son­dere an der enormen Zunahme von Fällen im Bereich der Verbrei­tung porno­gra­fi­scher Schriften sowie dem Verbreiten, Erwerb, Besitz und Herstellen von Kinder­por­no­grafie", heißt es in der Statistik.

Besorg­nis­er­re­gend ist laut Acker­mann, dass sich vor allem Kinder und Jugend­liche etwa in WhatsApp-Gruppen oder auf Social-Media-Platt­formen aufhalten, in denen sich in extremen Fällen bis zu 10 000 weitere Teil­nehmer einge­bucht haben. "Stellt einer dieser Teil­nehmer zum Beispiel ein kinder­por­no­gra­fi­sches Bild ein, verbreitet er dies im Sinne des Straf­ge­setz­buchs." Da mache ein Unver­nünf­tiger Hunderte oder sogar Tausende schnell zu Betrof­fenen.

Denn Grup­pen­mit­glieder seien "juris­tisch im Besitz der Datei, und dann gibt's kein Zurück mehr", erklärt Stefan Schwab vom Poli­zei­prä­si­dium Heil­bronn. "Und Kinder­por­no­grafie, extreme Meinungen und Volks­ver­het­zung sind in großen Gruppen oft nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel."

Kaum Unrechts­be­wusst­sein bei Jugend­li­chen

Nach den Erfah­rungen des Landes­kri­mi­nal­amts sind sich die meisten Jugend­li­chen ihrer Lage nicht bewusst: Sie haben kaum Unrechts­be­wusst­sein, wenn es um Bild­ma­te­rial geht. "Sie sehen das Opfer hinter dem Bild nicht, sondern nur die 'atem­be­rau­bende' Botschaft des Bildes an sich", sagt ein LKA-Spre­cher in Stutt­gart. Hier müssten Kinder und Jugend­liche stärker aufge­klärt werden.

Das Problem beginnt also nicht in der Gruppe, sondern zu Hause. Doch nach den Erfah­rungen des Leiters des Hauses des Jugend­rechts ist die Kontrolle der Eltern immer weniger vorhanden: "Viele Eltern erkennen die Trag­weite nicht", sagt Acker­mann. "Aber sie sind bei diesem Thema maßgeb­lich."

Straf­recht­lich verant­wort­lich sind Jugend­liche erst ab ihrem 14. Geburtstag. Wer jünger ist, gilt laut Straf­ge­setz­buch als schuld­un­fähig und kann nicht bestraft werden. Nach Ansicht der Experten ist die gesetz­liche Grund­lage aber nicht diffe­ren­ziert genug. "Da müsste es Abstu­fungen geben", sagt Acker­mann. "Denn wenn zum Beispiel ein 15-Jähriger einem zwei Jahre jüngeren Mädchen in Deutsch­land ein Bild mit porno­gra­fi­schem Inhalt schickt, dann wird das - genau genommen - als sexu­eller Miss­brauch von Kindern gewertet." Es müsse Abstu­fungen geben bei der Behand­lung dieser Fälle.

Der Kölner Medi­en­rechtler und Anwalt Chris­tian Solmecke empfiehlt, kinder- oder jugend­por­no­gra­fi­sches Mate­rial in WhatsApp-Gruppen nach Erhalt unver­züg­lich zu löschen. "Keines­falls sollte man selbst die Bilder weiter­ver­breiten", warnt er. Geahndet werden könnten alle Inhalte, die gegen Gesetze verstoßen, darunter auch Volks­ver­het­zung, der Aufruf zu Straf­taten, die Leug­nung des Holo­caust und das Verwenden verfas­sungs­feind­li­cher Symbole. Die Polizei rät Eltern zudem, Kinder im Umgang mit digi­talen Medien anzu­leiten und zu begleiten.

Twitter testet aktuell eine neue Funk­tion, mit der Nutzer dazu aufge­for­dert werden, Artikel vor dem Teilen erst einmal zu lesen.

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