Digitalradio

DAB+: Privatradios "wildern" in Gebieten der Konkurrenz

Auf UKW haben viele private, lokale und regio­nale Sender klar abge­steckte Sende­gebiete. Beim Digi­tal­radio DAB+ kommt es immer mehr in Mode, dass sie auch in benach­barten Gebieten "wildern". Dabei geht es nicht nur darum, das bishe­rige UKW-Sende­gebiet auf DAB+ abzu­bilden.
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Radio SAW ist ein privater, landes­weiter Sender aus Sachsen-Anhalt. SAW steht für "Sachsen-Anhalt-Welle". Schon jetzt ist das Programm über UKW jedoch auch weit über Sachsen-Anhalt hinaus zu empfangen. Möglich macht es eine 100-kW-Frequenz auf dem Brocken im Harz. Hier­über erreicht man auch weite Teile von Nieder­sachsen und Thüringen, sogar bis Nord­hessen und Ostwest­falen in Nord­rhein-West­falen reicht das Sende­gebiet.

Bundes­weite Lizenz für Radio SAW aus Sachsen-Anhalt

Um dieses große Gebiet auch auf das Digi­tal­radio DAB+ abzu­bilden, darf Radio SAW sein Programm künftig - zumin­dest theo­retisch - bundes­weit ausstrahlen. Die Kommis­sion für Zulas­sung und Aufsicht (ZAK) der Landes­medi­enan­stalten hat am 26. Juli die entspre­chende Zulas­sung erteilt. Denn anders als bei UKW hat der Standort Brocken bei DAB+ nur eine regio­nale Bedeu­tung, die Radio­wellen reichen kaum nach Nieder­sachsen hinein. Radio SAW aus Sachsen-Anhalt sensdet via DAB+ bald auch in Niedersachsen Radio SAW aus Sachsen-Anhalt sensdet via DAB+ bald auch in Niedersachsen
Foto: Radio SAW
Konkret geplant ist, dass das Programm auf Multi­plexen in den Nach­bar­län­dern hörbar sein wird, etwa in den Regionen Göttingen/Harz und Braun­schweig in Nieder­sachsen. Einer der Konkur­renten im Markt, der Sender 89.0 RTL, verfolgt diese Stra­tegie schon seit längerer Zeit. Das Programm aus Sachsen-Anhalt ist inzwi­schen auch in Hamburg, Nieder­sachsen, Sachsen und Thüringen über DAB+ hörbar. Und damit hat man das große UKW-Gebiet, unter anderem eben­falls vom Brocken, nicht nur 1:1 abge­deckt, sondern erreicht auch viele Regionen, in denen das UKW-Signal bisher nicht zu hören war.

Auch viele andere kommer­zielle Programme verfolgen inzwi­schen diese Stra­tegie: Die nieder­säch­sischen Privat­radios ffn und Antenne Nieder­sachsen wollen nach Ostwest­falen in NRW expan­dieren, schon heute haben Programme wie Radio Nord­see­welle, Radio Osna­brück oder Antenne Mainz ihre Reich­weite auf DAB+ deut­lich ausge­dehnt. In Bayern ist prak­tisch jedes Lokal­radio deut­lich weiter zu hören als über UKW. Versorgte etwa Chari­vari Würz­burg bisher nur die Main­franken-Metro­pole, so ist das Programm im digi­talen Radio von Nürn­berg bis weit hinter Mainz zu hören.

Radio Seefunk vom Bodensee auf DAB+ in Wies­baden

Auch fast alle lokalen und regio­nalen Privat­radios aus Baden-Würt­tem­berg sind über ein landes­weites Bouquet zu hören. So entsteht die kuriose Situa­tion, das Lokal­sender wie Radio Seefunk aus Konstanz am Bodensee oder Donau 3 FM aus Ulm über DAB+ auch in der hessi­schen Landes­haupt­stadt Wies­baden zu hören sind.

Einige bisher lokale Sender aus dem "Ländle" haben ihre Bericht­erstat­tung auch auf das weit größere, digi­tale Sende­gebiet ange­passt. Der Rock­sender Regen­bogen 2 beispiels­weise berichtet nun neben dem ange­stammten Sende­gebiet (Rhein-Neckar-Oden­wald) auch aus Frei­burg, Stutt­gart oder Ulm und tritt auch im Programm als Sender für ganz Baden-Würt­tem­berg auf.

Es zeigt sich: Mit zuneh­mender Verbrei­tung von DAB+ und abneh­mendem Inter­esse an UKW wird der Radio­markt völlig neu geordnet. Mit einem kleinen Taschen­radio sind dann nicht nur viel mehr bundes­weite Sender und neue Wellen zu hören, sondern auch viele lokale und regio­nale Wellen, die vorher nicht empfangbar waren. Noch zeigen alle Programme aufgrund der noch hohen Nutzung von UKW kaum Auffäl­lig­keiten in der Media Analyse, was die Hörer­zahlen angeht. Dies könnte sich jedoch bald ändern. Radio Bob! aus Hessen hat sich etwa schon jetzt vom kleinen Regio­nal­radio zu einem der erfolg­reichsten, deut­schen Radio­sender entwi­ckelt und ist zu einer starken, digi­talen Marke geworden.

Wellen der öffent­lich-recht­lichen ARD-Anstalten einge­schränkt

Während die bei DAB+ lange skep­tischen Privat­radios also, was die tech­nische Reich­weite angeht, eindeutig vom Digi­tal­radio profi­tieren können, da sie sich jeweils auch in benach­barten Bundes­län­dern um Kapa­zitäten bemühen können, sind die Wellen der öffent­lich-recht­lichen ARD-Anstalten hier einge­schränkt. Der Rund­funk­staats­ver­trag erlaubt ihnen jeweils nur eine terres­tri­sche Ausstrah­lung in ihrem defi­nierten Sende­gebiet. Aller­dings können sie zur Schlie­ßung von Versor­gungs­lücken im eigenen Gebiet auch Sende­anlagen in den Nach­bar­län­dern nutzen. So strahlt beispiels­weise etwa der Mittel­deut­sche Rund­funk (MDR) seine Programme über DAB+ auch über den Sender Hoher Meißner in Hessen und den Kreuz­berg in der Rhön in Bayern aus und versorgt damit über DAB+ ein größeres Gebiet bei den Nach­barn als bisher auf UKW.

Über Inter­net­radio gibt es solche Sende­gebiete prak­tisch gar nicht mehr, alle Sender sind welt­weit zu hören, sofern ein Inter­net­zugang vorhanden ist. Es sei denn, Programm­anbieter grenzen die Verbrei­tung temporär oder gene­rell via Geoblo­cking ein oder die Ausstrah­lung wird von staat­lichen Stellen per Sperre verhin­dert.

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