Post-PRISM

Tor-Browser im Test: Der NSA ein Schnippchen schlagen?

Die Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden zeigen: Jeder kann abgehört werden. Das Tor-Netzwerk verspricht Anonymität, alles was der Nutzer tun muss, ist einen speziellen Browser zu nutzen. Wie funktioniert er und lohnt sich der Einsatz?
Von Kaj-Sören Mossdorf

Der Tor-Browser in Windows - auch für Mac und Linux. Der Tor-Browser in Windows
Screenshot: Microsoft
Seit den Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden ist bekannt, dass die NSA nicht gerade zimperlich ist, wenn es um das Abhören und Analysieren von Daten geht, die bei der Benutzung des Internets anfallen. Die Präsentationen aus dem Herzen der amerikanischen Geheimdienste haben in den Vereinigten Staaten für viel Unmut gesorgt. Nicht selten liest man von amerikanischen Politikern, die Snowden als Verräter bezeichnen.

Der Tor-Browser in Windows - auch für Mac und Linux. Der Tor-Browser in Windows
Screenshot: Microsoft
Während sich viele Regierungschefs einig sind, dass man etwas gegen fremde Spionageaktivitäten unternehmen sollte - zumindest geben sie dieses gerne Pressetauglich preis - passiert nicht wirklich etwas. Es stellt sich also für jeden Nutzer die Frage, was er selbst unternehmen kann, um sich und seine Interessen im Internet zu schützen. Wir haben uns einmal eines der zur Verfügung stehenden Mittel angeschaut: Den Tor-Browser. Allerdings ist mittlerweile bekannt geworden, dass die NSA die Nutzer dieses Anonymisierungs-Netzwerks per se als verdächtig markiert.

Wie eine Zwiebel sicheres Surfen ermöglicht

Das Konzept basiert dabei auf dem so genannten Onion-Routing. Der Name bezieht sich auf das Verschlüsselungsschema, das von dem Dienst genutzt wird. Der Sender verschlüsselt dabei die Daten mehrfach - je nachdem wie viele Server, auch Knoten genannt, auf dem Weg der Daten liegen. Jeder Knoten entschlüsselt dabei eine Schicht, sodass nur der Empfänger die Daten im Klartext lesen kann.

Auf dem Weg sollten sie durch die Verschlüsselung jedoch abgesichert sein. Jeder Server auf dem Weg kennt dabei nur die Adresse seines Vorgängers und die des Nachfolgers. Werden dann beispielsweise - wie im Falle des Tor-Netzwerks - drei Server benutzt, kann zumindest theoretisch nicht mehr bestimmt werden, woher die Verbindung kam. Damit man die jeweiligen Aktivitäten nicht miteinander in Verbindung setzen kann, wird die Route alle zehn Minuten gewechselt. Zwischen dem Austrittsknoten aus dem Tor-Netzwerk und dem Rechner des Empfängers ist die Verbindung dann wieder unverschlüsselt. Hier könnte, wer Zugriff auf genügend Austrittspunkte hat, mithören. Am Ende ist es jedoch eine Kosten-Nutzen-Rechnung.

Der Tor-Browser: Man muss nicht Informatik studiert haben

Die Installation des Tor-Browsers ist dabei denkbar einfach. Der Nutzer muss lediglich das auf der Internetseite von Tor, das bereitgestellte Browser-Paket herunterladen. Dieses kann dann sowohl auf einem Rechner, als auch auf einem USB-Stick installiert werden. Dabei hinterlässt das Surfen keine Spuren auf dem jeweiligen Rechner, so werden beispielsweise Cookies gelöscht, die von vielen Internetseiten dazu genutzt werden, ihre Besucher zu analysieren.

Der Browser selbst basiert auf dem Firefox-Browser, der von der Mozilla-Stiftung entwickelt wird. Die Nutzung sollte also kaum Eingewöhnungszeit benötigen. In dem Browser selbst sind bereits einige Erweiterungen installiert, die das Surfen noch sicherer machen. Ein Beispiel ist HTTPS-Everywhere. Das Addon zwingt jede Internetseite, die HTTPS unterstützt, diese Verbindungsart auch zu verwenden.

Der Tor-Browser verschleiert die IP des Nutzers Verschleierte IP
Screenshot: teltarif.de
Ein kurzer Test in der Redaktion ergab dabei, dass die IP-Adresse, die die aufgerufene Internetseite zu Gesicht bekommt tatsächlich eine andere ist. Während die IP-Adresse eines Computers, der nicht über Tor mit dem Internet verbunden war, in Brandenburg lokalisiert wurde, lag die Adresse unseres Test-PCs in Columbus im US-Bundesstaat Ohio. Ein Test der Geschwindigkeit zeigt jedoch den großen Nachteil des Onion-Routings. Während Tor bestimmte Optimierungen vornimmt, um eine möglichst hohe Verbindungsgeschwindigkeit zu erreichen, muss der Nutzer mit teilweise deutlichen Einbußen leben. In unserem Fall wurde nur noch knapp ein Drittel der eigentlich zur Verfügung stehenden Geschwindigkeit erreicht. Die Upload-Geschwindigkeit war dabei nicht so stark betroffen.

Konkret bedeutet dies, dass normales Surfen zwar noch durchaus möglich ist - wenn auch mit einer erhöhten Wartezeit - an Streaming ist jedoch kaum zu denken. Alleine beim Aufruf von YouTube kam die Verbindung ordentlich ins Schwitzen. Bei einem weiteren Versuch bekamen wir Server zugewiesen, die sich innerhalb von Europa befanden. Hier war YouTube durchaus brauchbar.

Lohnt es sich, den Tor-Browser zu nutzen?

Die Antwort hierauf ist ein klares Jein. Wer seinen Gefühlen über den Chef auf Facebook freien Lauf lässt, seinen Nachbarn auf Twitter beschimpft und mehr oder weniger jugendfreie Selbstporträts auf Instagram veröffentlicht, der braucht sich den Browser sicher nicht installieren. Für all diejenigen, für die Privatsphäre noch kein veraltetes Konzept ist, die sich einmal im Internet umblicken wollen, ohne verfolgt zu werden, oder aber Restriktionen wie Filter und Blockaden umgehen müssen, lohnt es sich einen Blick auf den Browser zu werfen. Gerade weil die Installation und Benutzung kinderleicht sind.

Die Frage nach der Sicherheit kann man dabei nicht unbedingt eindeutig beantworten. Der Manager von Tor, Andrew Lewman, hat es in einem Interview gegenüber dem Handelsblatt sehr zutreffend zusammengefasst: "Wenn du die NSA als Gegner hast, hast du praktisch schon verloren. 5000 Freiwillige gegen eine milliardenschwere Organisation mit Zehntausenden Mitarbeitern - dieser Kampf ist kaum zu gewinnen". Immerhin: Ganz so unsicher scheint der Dienst dann doch nicht zu sein. In den Unterlagen von Snowden beschweren sich Mitarbeiter des Geheimdienstes über das Netzwerk: "Tor stinkt uns" heißt es dort.

Wie eingangs erwähnt: Der Einsatz von Tor lohnt sich sicher nicht für jeden. Für Reporter und Menschen aus Ländern, die nicht gerade für ihre freizügige Internetpolitik bekannt sind, ist Tor aber sicherlich ein Segen. Nutzer in Deutschland müssen selbst entscheiden, ob sich der minimale Aufwand lohnt. Gerade wer häufiger über fremde PCs oder öffentliche WLAN-Hotspots surft, der sollte sich für die Überlegung etwas Zeit nehmen. Den Tor-Browser gibt es dabei unter dem Namen Orweb auch für Android. Zudem exisitiert eine iOS-Version. Wer einfach nur Textnachrichten sicher verschicken will, dem empfehlen wir einen Blick in unseren Ratgeber zu verschlüsselten Messaging-Diensten.

Mehr zum Thema Datenschutz Internet