Keine Telekom Preiserhöhung um das Siebzehnfache
Seit Jahreswechsel ist das Vereinigte Königreich (United-Kingdom, kurz UK) nicht mehr Mitglied der EU. Für (Nord-)Irland gilt ein Sonderstatus, um die mühsam befriedeten Konflikte zwischen Nord- und Süd-Irland nicht wieder aufflammen zu lassen. Im Volksmund wird das gerne mit Groß-Britannien gleichgesetzt, was nicht ganz korrekt ist.
Bei den Telefontarifen hatte einige Anbieter zwar drastische Preiserhöhungen im Falle des Wirksamwerdens eines Brexit angekündigt, um bald darauf im gleichen Atemzug zu beteuern, es werde sich nichts ändern. Doch hier heißt es aufpassen.
Unterschiede zwischen Inlands- und Roaming-Tarifen
Die Mobilfunker unterscheiden sehr genau zwischen Roaming-Verbindungen (Kunde ist im fremden Netz eingebucht) und Verbindungen aus dem eigenen Heimat-Netz. Schon bisher konnte es günstiger sein, ins nächste erreichbare EU-Ausland zu fahren, um einen Anschluss in einem anderen oder gleichen EU-Ausland zu erreichen.
Kunden des kreativen Fraenk-Tarifes im Netz der Telekom beispielsweise können ausländische Rufnummern nur dann erreichen, wen sie selbst im EU-Ausland eingebucht sind.
Komplizierte AGBs
Liest man die neuen AGBs und Preislisten beispielsweise der Telekom wird es kompliziert: Großbritannien ist nicht mehr in der EU (das stimmt), aber tariflich bleibe alles - bis auf Weiteres - unverändert oder etwa doch nicht?
Neue Tariftabelle mit neuen Preisen
Auf ihrer Homepage teilt die Telekom ihre neuen Verbindungspreise ins Ausland mit. Großbritannien ist jetzt Ländergruppe 1
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Aufregung sorgte die am Donnerstag sichtbare Tarifwebseite der Telekom mit neuen Mobilfunkverbindungspreisen.
Diese Seite behandelt Anrufe vom Telekom Mobilfunk ("D1-Netz") im eigenen inländischen Netz zu Zielen im Ausland. Wenn man im Auswahl-Menü "Großbritannien" auswählt, erfährt man, dass Großbritannien nicht mehr zur Tarifzone EU, sondern jetzt zur Tarifzone 1 gehört, genauso wie die Schweiz, denn beide Länder sind keine EU-Mitglieder. Die bisherigen Preise (z.B. nach Italien) blieben unverändert, da sie von der EU reguliert sind.
Telekom-Postpaid: Keine Preiserhöhung um Faktor 3 bis 4
Keine neue Preise nach Großbritannien für Postpaid-Kunden. Die Homepage war zeitweise fehlerhaft.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Telefonieren vom Telekom-Handy im deutschen Netz eingebucht ins Festnetz von Großbritannien sollte auf der Homepage künftig 69 Cent pro Minute kosten, ins britische Festnetz. Bisher waren es 22 Cent, das wäre also eine Verdreifachung des Preises gewesen. Anrufe zu britischen Mobilfunknetzen sollen schier unglaubliche 1 Euro pro Minute kosten, eine Vervierfachung des bisherigen Preises.
Die Preise nach Italien (Beispiel) bleiben an der von der EU regulierten Höchstgrenze unverändert
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Auch bei SMS-Kurznachrichten, die längst von OTT-Messengern wie WhatsApp abgelöst wurden soll jetzt jede Nachricht 29 Cent kosten, vorher waren es 8,33 Cent, also ebenfalls eine Verdreifachung.
Telekom-Prepaid 17fach teurer? 1 Kurznachricht nur 1,22 Euro?
Noch dramatischer wäre es laut Homepage für die Telekom-Kunden in einem Prepaid-Tarif geworden: Eine Minute sollte jetzt 1,99 Euro kosten und eine SMS, den schier unglaublichen Preis von 1,22 Euro für 160 Zeichen. Dieser Preis sollte für alle Mitglieder der Ländergruppe 1 gelten, also nicht nur für Großbritannien, sondern beispielsweise auch die Schweiz.
Ein bizarrer Fehler auf der Homepage. Eine Prepaid-SMS hätte 1,22 Euro kosten sollen.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Wir haben darauf hin sofort mit einer vorhandenen Prepaid-Karte im Original Telekom Magenta Prepaid-M-Tarif getestet: Die SMS ging zu einer britischen Handynummer und wurde mit 7 Cent abgerechnet.
1,22 Euro - ein technischer Fehler!
Die Telekom-Pressestelle gab Entwarnung. Es handele sich um einen technischen Fehler auf der Homepage. Die Preise für Verbindungen nach Großbritannien (inklusive Nord-Irland) würden weiterhin nach EU-Vorgaben berechnet. Die fehlerhafte homepage sollte so schnell wie möglich berichtigt werden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Im EU-Europa gibt es bei weltoffenen Beobachtern kaum jemand, der den britischen Brexit gut fand. Die mühsam ausgehandelten europäischen Roaming-Tarife haben gezeigt, wie Europa auch über Telefontarife zusammenwachsen kann. Noch zum Jahreswechsel hatten alle deutschen Mobilfunkanbieter einhellig beteuert, dass sich an der Einbeziehung des Vereinigten Königreichs in die bisherigen EU-Tarife nichts ändern werde.
Für wenige Stunden sah es anders aus.
Wobei eine Prepaid-Kurzmitteilung nach Ländergruppe 1 auf einmal statt 7 Cent jetzt das siebzehnfache kosten sollte, das löste schon Adrenalin-Stöße aus 1 SMS mit 160 Zeichen für nur 1,22 Euro? Zum Glück ein Fehler.
Aber selbst 29 Cent pro SMS (bei Postpaid) zu Nicht-EU-Ländern sind längst aus der Zeit gefallen. Die Telekom weiß schon, warum WhatsApp, Telegram und Co. auf einmal so populär sind?
Telekom: Lange alles richtig gemacht
Jahrelang hat die Deutsche Telekom alles richtig gemacht, weswegen sie nicht nur technisch Marktführer im Lande ist. Bei den Tarifen ist die Telekom schon je her einer der eher teuren Anbieter. Solange das Produkt stimmt, stimmen viele Kunden noch zu.
Es bleibt festzuhalten: Die zackigen Preise für Anrufe und SMS in Länder ausserhalb Europas sollten alsbald schleunigst auf EU-Niveau reduziert werden, so wie es bei Großbritannien jetzt der Fall bleibt. 1,99 Euro pro Minute (was schon seit langem bei Prepaid-Tarifen Standard war), sind Preise aus dem finstersten Mittelalter und einfach nicht mehr gerechtfertigt.