Handelsblatt: Steht Verkauf der Telekom-Funktürme bevor?
Es gibt bestimmte Vorgänge im Wirtschaftsleben, die sind "Normalsterblichen" nur schwer zu vermitteln. Eines dieser Rätsel ist der Verkauf von Funktürmen, um sie anschließend direkt wieder zu mieten. Jetzt ist wohl irgendwann die Telekom dran.
Schon länger wird bei der Deutschen Telekom der Verkauf des Funkturm-Geschäfts diskutiert. Das wurde und wird immer wieder bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen mit Journalisten diskutiert. Nun berichtet die gewöhnlich gut informierte Wirtschaftszeitung Handelsblatt, dass der Verkauf bereits Ende des ersten Quartals 2022 wirklich stattfinden könnte. Dabei sei "der deutsche Marktführer in Sachen Telekommunikation" offen sowohl für Angebote für einen Minderheitsanteil als auch für eine Mehrheit, sagten mehrere mit der Situation vertraute Personen dem Handelsblatt. Konkrete Namen wurden jedoch nicht genannt.
Funktürme als Geldanlage?
Die Deutsche Telekom steht offenbar vor dem Verkauf Ihrer Funktürme, um sie danach zurückzumieten.
Fotos: Telekom/naschman-fotolia_com, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Wer Geld auf die Bank bringt, muss schlimmstenfalls Strafzinsen zahlen. Also suchen große Anleger andere Investment-Möglichkeiten. Die Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten im Bereich Infrastruktur ist hoch. Die Standorte, Türme und Masten der Telekom werden mit bis zu 20 Milliarden Euro einschließlich Schulden bewertet, was dem 30-fachen des erwarteten Betriebsergebnisses (Ebitda) entsprechen würde. Allerdings spielten die Verträge zur künftigen Nutzung der Masten durch die Deutsche Telekom eine entscheidende Rolle bei der Bewertung.
Telekom-Türme in eigener Einheit
Die Telekom hat einen Großteil ihrer Funktürme seit dem Jahr 2016 in einer separaten Geschäfts-Einheit zusammengefasst. Dazu zählt vor allem die DFMG (Deutsche Funkturm GmbH) mit Hauptsitz in Münster. Diese Gesellschaft verwaltet die mehr als 33.000 Standorte in Deutschland. Hinzu kommt insbesondere rund 7.000 Standorte in Österreich. Die Telekom besitzt in Europa aber noch weitere Funktürme, die jedoch noch nicht in die Einheit eingegliedert worden sind.
Wie soll das funktionieren?
Die Idee der Investoren ist die folgende: Ein Maststandort wird derzeit in der Regel nur von der Telefongesellschaft genutzt, der dieser Turm oder Standort auch gehört. Die Konkurrenz geht da ungern drauf, weil sie "Angst" hat, dass der konkurrierende Inhaber auf diese Weise strategisch wichtige Informationen über das Netz der Konkurrenz bekommen könnte. Wäre diese Turmgesellschaft aber "neutral", könnte sie die Türme an mehrere - im Idealfall alle - Netzbetreiber vermieten. Daneben könnten solche Türme auch für lokale Netze (iOT, Sigfox (0G), LoraWAN, Relaisfunkstellen für BOS, Firmen oder lizensierte Funkamateure etc.) genutzt werden. Das mag in schlecht ausgebauten Gebieten durchaus aufgehen, in denen die Neigung schon groß ist, gemeinsam einen Standort zu nutzen, weil Baukosten, Genehmigungsverfahren und "Ängste" der Bevölkerung einen Turmbau ohnehin mehr als schwierig machen.
Welche Vor- oder Nachteile hat das?
Der Vorteil der Aktion: Der Original-Netzbetreiber bekommt auf einen Schlag richtig viel Geld, um eigene Schulden abzubauen oder neue Käufe oder Investitionen stemmen zu können. Die Deutsche Telekom möchte beispielsweise gerne ihren Anteil an T-Mobile USA vergrößern, um dort die absolute Mehrheit und damit das Sagen haben zu können.
Der Nachteil der Aktion: Für jeden genutzten Funkturm oder Standort werden künftig monatliche Mieten fällig. Die dürften rechnerisch höher als die bisherigen Kosten sein. Da hatte der Netzbetreiber nur die Kosten für die Abschreibung des Aufbaus und die laufenden Kosten für Strom und weitere Infrastruktur zu tragen. Künftig käme noch die "Rendite" der neuen Turmgesellschaft dazu. Die Kosten für den Kauf und Betrieb der Signal und Sendetechnik bleibt außen vor, da die Turmgesellschaften nur die nackten Türme ohne Antennen und so weiter kaufen.
Noch gehört DFMG der Telekom
Die DFMG gehört derzeit noch der Telekom. Vodafone hat seine Türme bereits an die hauseigene Ausgründung Vantage Towers verkauft, Telefonica (o2) seine Türme an "American Towers" und international (außerhalb von Deutschland) an die Firma Telxius. Der vierte Netzbetreiber 1&1 hat einen Rahmenvertrag mit Vantage-Towers abgeschlossen, was bei Vodafone starke Ängste vor der "Ernährung der Konkurrenz" geweckt hat.
Wasserwerke zurückgekauft
Das "Sale & Lease Back" Verfahren (Verkaufen und gleich wieder zurückmieten) wurde vor einigen Jahren von finanziell klammen Stadtwerken mit Wasser-, Strom- oder Gasversorgungen "ausprobiert". Die Nachteile führten aber meist dazu, dass die Netze später wieder für viel Geld von den Städten oder Gemeinden zurückgekauft [Link entfernt] wurden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Es ist eine hochpolitische Geschichte: Für den Bürger ist eine Netzversorgung mit Strom, Wasser, Gas, Telefon oder Mobilfunk ein Teil der Daseinsvorsorge. Das Ziel ist maximale Netzverfügbarkeit zu minimalsten Preisen. Die Kehrseite: Ein Netz kostet erst einmal unendlich viel Geld und ist wirklich kostendeckend kaum zu betreiben, weil sonst die Preise ins Unermessliche steigen müssten. Wenn ein Netz einem privaten Unternehmen gehört und dann noch Renditeerwartungen dazu kommen, steigt die Neigung, in das eigentliche Netz nur das Allernotwendigste zu investieren und nicht einmal das.
Wenn ein Anbieter sein Netz verkauft, gibt er einen Kernpunkt (englisch USP) seines Angebotes aus der Hand. Wenn ein Anbieter wie die Telekom durchweg höhere Preise als die Konkurrenz berechnet, kann sie das nur mit ihrer Netzqualität glaubhaft vermitteln. Sicher, es werden nur die Türme ohne die Sende- und Empfangstechnik verkauft. Aber wer weiß, ob nicht Morgen früh ein Investor auf die Idee kommt, auch Vermittlungsrechner, Server, Kabel und Antennen zu kaufen und zurück zu vermieten?
Es bleibt ein mulmiges Gefühl. Die Kunden sollen verstehen, dass ein gutes Netz nicht zum Ramschpreis zu haben ist. Und ohne gutes Netz wird es gerade in der heutigen Zeit ziemlich ungemütlich.
Was ein Netzausfall bewirkt, wenn der Service-Provider nicht mitspielt, konnte teltarif.de "entschärfen"