Telefonzellen, Wählscheiben-Telefone und alte Busse
Früher war dieser Anblick alltäglich - inzwischen wurden viele der gelben Zellen abgebaut.
Bild: dpa
Kaum ein Erlebnis ist so untrennbar mit unserer
Jugend verbunden wie die tägliche Fahrt mit dem Schulbus. Dabei galt
damals wie heute ein ungeschriebenes Gesetz: hinten sitzen die
Coolen, vorne die Streber. Stefan Zaum hat sein Leben lang vorne
gesessen. Besser gesagt, vorne rechts, wo man dem Busfahrer besonders
gut auf die Finger gucken kann. Heute ist Stefan 18 Jahre alt, macht
eine Ausbildung zum Industriemechaniker und träumt vom eigenen Bus.
Aus der Faszination für den öffentlichen Nahverkehr ist längst eine
Leidenschaft geworden. Und das ist nicht das einzige Hobby des jungen
Mannes. Er steht auch auf alte Telefone und dokumentiert das
Aussterben der Telefonzellen.
Früher war dieser Anblick alltäglich - inzwischen wurden viele der gelben Zellen abgebaut.
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Im Verein "Freunde der Augsburger Straßenbahn" retten Stefan und
seine Mitstreiter alte Bahnen und ausrangierte Linienbusse vor dem
Schneidbrenner. In einer Lagerhalle am Rande der Stadt werden die
Neuankömmlinge liebevoll aufgepäppelt. Hier finden sich Schmuckstücke
aus den 1970er Jahren genauso wie der erste Autogas betriebene
Gelenkbus, der Mitte der 90er durch die Stadt fuhr. Einige Fahrzeuge
haben mehr als eine Million Kilometer auf der Uhr.
Ordnung im Nahverkehr
In seiner Freizeit kratzt Stefan den Rost aus den Fußräumen. "Kommt vom Streusalz, wenn im Winter alle mit ihren verdreckten Schuhen durchlaufen", erzählt er. Da könnte er glatt an die Decke gehen. Stefan weiß, die Leute werden sich auch künftig nicht vor dem Einsteigen die Schuhe abklopfen.
Dabei tut er alles in seiner Macht stehende, um für Ordnung im Nahverkehr zu sorgen. Seit seiner Schulzeit ist Stefan einer von mehr als 3 000 Jugendlichen in Bayern, die sich Coolrider nennen dürfen. Bei dem einst in Nürnberg gestarteten Projekt werden Jugendliche zu Fahrzeugbegleitern ausgebildet, die im Notfall Zivilcourage zeigen sollen. "Deeskalation ist unser oberstes Prinzip", sagt Michael Neßler von der Augsburger Verkehrs-Gesellschaft. "Die Jugendlichen dürfen sich keinesfalls selber in Gefahr bringen."
Doch Augsburg ist nicht Berlin. So kommt in der schwäbischen Idylle schon der Aufenthalt im Kinderwagenbereich einem schlimmen Vergehen gleich. Genug Zeit für Stefan, herumlümmelnde Teenager davon zu überzeugen, dass die Latschen nicht auf die Polster gehören. Selbst vor Senioren macht er nicht halt. Die würden gerne mal einen Sitzplatz mit Einkaufstüten blockieren. "Geht ja nicht", sagt Stefan. Schließlich gäbe es Vorschriften.
Gelbe, graue und magentafarbene "Häusle"
Das zweite Hobby des 18-Jährigen ist nicht weniger ungewöhnlich: Telefon-Nostalgie. In seinem Zimmer stapeln sich alte Telefone, mit klackernden Wählscheiben und meterweise Spiralkabel. Stefan fotografiert auch Telefonhäuschen und er tauscht sich auf seiner Internetseite mit Gleichgesinnten aus. Mehr als 2 000 gelbe, graue und magentafarbene "Häusle" hat er bereits dokumentiert.
Das Smartphone nutzt Stefan nur widerwillig. "Mit dem alten Zeug fühle ich mich wohler", sagt der 18-Jährige. Das solle aber "Made in Germany" sein, wegen der Wertigkeit. "Der Kram aus China ist doch eh gleich kaputt." Vater Zaum kommentiert die skurrilen Aktivitäten seines Sohnes mit einem Achselzucken: "Besser als wenn er sich betrinken würde und nur auf Partys rumhängt."
Stefans größter Schatz steht noch einsam am Augsburger Flughafen. Es ist der Wagen 2218, ein alter MAN-Linienbus. Das Geld für den Bus hat Stefan zusammen gespart. Wenn alles gut geht, ist er bald Buseigentümer. Sein Traum: Der 2 218 soll auf der Linie 26 fahren. Die gehörte früher zu den Hauptarterien Augsburgs. Heute haben Straßenbahnen die Bus-Route abgelöst. Doch bis Stefan mit seinem Museumsbus seine Runden ziehen kann, wird es noch dauern - den Busführerschein kann er erst mit 21 machen.