Telefongeschichte

Telefonzellen: Das kleine Stück Privatsphäre auf der Straße

Seitdem es Handys gibt, nutzen immer weniger Menschen die öffentlichen Telefonzellen. Doch in Vergessenheit geraten sind sie deswegen noch lange nicht. Die einst gelben Häuschen mit dem Münz- oder Kartenfernsprecher haben die Deutschen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts begleitet und sind mittlerweile Kult.
Von Jennifer Buchholz mit Material von dpa

Die Telefonzelle ist noch immer für viele sinnvoll Die Telefonzelle ist noch immer für viele nützlich
Bild: dpa
Heute haben die Menschen Handys - und die öffentlichen Fern­sprecher machen meist nur noch von sich reden, wenn mal wieder einer von Vandalen ge­sprengt oder vom Betreiber abgebaut wurde. Weniger als 50 000 Apparate gibt es noch in Deutschland. Das ist ein knappes Drittel des einstigen Bestandes.

Dass Münz- und Karten­telefone für die Bundesnetzagentur im Jahr 2014 nicht den aller­größten Stellenwert haben, verrät ein Blick in das Inhalts­verzeichnis des 380-seitigen Tätigkeitsberichts "Tele­kommunikation". Mobilfunk, Breitband, Kurznachrichten - das alles ist an prominenter Stelle aufgelistet, der Punkt "Öffentliche Telefone" wird nur noch unter dem Stichwort "Universaldienst" erwähnt.

Rund 48 000 öffentliche Telefon­stellen gab es Ende 2013 noch in Deutschland, wie der Sprecher der Bundes­netzagentur, René Henn, sagt. 2011 waren es noch rund 60 000 Münz- und Kartentelefone von Telekom und privaten Anbietern gewesen. Viel höher ist die Zahl der Handys - rein rechnerisch hat jeder in Deutschland mindestens eins. "Ende 2013 registrierte die Bundes­netz­agentur 113 Millionen SIM-Karten", sagt Henn. Seine Beobachtung: "Spätestens seit 2000 erkennt man den Rückgang der Telefon­zellen und die Zunahme der Handys."

Ein Stück Privatsphäre in der Öffentlichkeit

Die Telefonzelle ist noch immer für viele sinnvoll Die Telefonzelle ist noch immer für viele nützlich
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Die erste deutsche Telefon­zelle wurde am 12. Januar 1881 in Berlin in Betrieb genommen. Damals hießen sie noch "Fernsprechkiosk" und wurden mittels Telefon­billetts, die einige Minuten Sprechzeit gewährleisteten, betrieben. Erst von 1899 an erfolgte die Münzannahme mechanisch. Der Siegeszug der öffentlichen Fern­sprecher begann an der Börse, in Kranken­häusern, Gaststätten und Hotels. Von einer nahezu flächen­deckenden Ver­breitung könne man ab dem frühen 20. Jahrhundert sprechen, sagt Nägele. Zu einem Boom kam es erst nach der Wende.

Bei manchem steht der öffentliche Fernsprecher noch immer hoch im Kurs. Die Frankfurter Kulturhistorikerin Lioba Nägele würdigt ihn als ein "radikal­demo­kratisches Medium". Denn durch öffentliche Münz­fern­sprecher konnten auch Menschen tele­fonieren, die sich keinen eigenen Festnetz­anschluss leisten konnten. "Rein theoretisch hätte jeder Bürger einen Politiker wie Walther Rathenau an die Strippe bekommen können", sagt die Historikerin, die im Museum für Kommunikation arbeitet. Dort stehen rund 150 "Münzer", wie sie die Apparate liebevoll nennt.

Die Telefonzelle bot immer auch ein Stück Privatsphäre inmitten der Öffentlichkeit. "Die Zellen achteten die Intimität des Telefonierens", sagt Nägele. Lange Zeit hätten die Betreiber auf schalldichte Kabinen gesetzt - das kam privaten Telefonaten mit der Familie ebenso zu gute wie vertraulichen Geschäfts­gesprächen. Mittler­weile sind schützende Telefon­häuschen aber eine Seltenheit. Meist gibt es nur sogenannte Basistelefone ohne Glas- oder Plastik­haube. Das passe zum Zeitgeist, sagt Nägele: "Handygespräche werden ja auch lautstark in der Öffentlichkeit geführt."

Abbau einer Telefonzellen erst nach einhergehender Prüfung

Einfach abbauen darf die Telekom eine öffentliche Telefonzelle nicht. "Sollte sich im Verlauf von zwölf Monaten zeigen, dass ein Standort unwirtschaftlich ist, dann setzen wir uns mit der Kommune in Verbindung, um den Abbau - im Konsens mit der Kommune - zu avisieren", erklärt der Sprecher der Telekom für die Region Nord, George-Stephen McKinney. "Viele Plätze sind einfach nicht mehr wirtschaft­lich für die Betreiber", sagt Henn.

Beharren die Kommunen auf dem Standort, tauscht die Telekom ein im Unterhalt teures Gerät gegen ein sogenanntes "Basistelefon" aus, das nur mittels Telefon- oder Kreditkarte zu bedienen ist. Das bargeld­lose Bezahlsystem soll das Telefon weitestgehend vor Vandalismus schützen. Komplett überflüssig sind öffentliche Telefone nach Ansicht von Henn aber nicht: "Insbesondere an Bahnhöfen oder Flughäfen machen öffentliche Telefonzellen immer noch Sinn."

Sollten Sie dennoch mal eine Telefonzelle benutzen wollen oder müssen, haben wir Ihnen in unserem Ratgeber einen Überblick über die Anbieter und deren Tarife zusammengestellt.

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