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o2 & Ericsson: 4 GBit/s "Datendusche" auf 26 GHz

Wer hohe Daten­mengen möglichst schnell will, braucht Band­breite: 800 MHz z.B. sind auf 26 GHz möglich. Anwender könnten die Indus­trie oder Gamer im heimi­schen Netz sein.
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Wird von 5G gespro­chen, werden gerne "maximal 1 GBit/s im Down­load" genannt. o2 und Ericsson schaffen jetzt 4 GBit/s, brau­chen dafür aber eine "Daten­dusche" und ein neues Endgerät. Der Netz­betreiber o2-Telefónica und der Netz­aus­rüster Ericsson haben die erste Ericsson-CloudRAN-Lösung in Europa im Mobil­funk­netz aufge­baut. Bei der "neuar­tigen CloudRAN-Archi­tektur" werden Teile des Funk­zugangs­netzes (RAN) virtua­lisiert.

Probe­betrieb im Inno­vation Hub

Ericsson und o2 probieren auf 26GHz im WayRa-Labor in München die CloudRAN-Technik für die "Datendusche" aus. Ericsson und o2 probieren auf 26GHz im WayRa-Labor in München die CloudRAN-Technik für die "Datendusche" aus.
Bild: o2 / Telefónica / Wayra
Aufge­baut wurde das im "Wayra Inno­vation Hub" der "Startup-Schmiede" von o2-Telefónica in München. Mit der "Daten­dusche" wurde ein "daten­inten­siver Anwen­dungs­fall" erfolg­reich reali­siert. Gefunkt wird auf 26 GHz ("Milli­meter­wellen"). Dort ließen sich Über­tra­gungs­geschwin­dig­keiten von mehr als vier Gigabit pro Sekunde erzielen. Das ist deut­lich mehr, als das, was 5G aktuell im Alltag liefern kann.

CloudRAN: Moderner und besseres Nutz­erlebnis

Ericsson sieht sich als "welt­weit führender Anbieter von CloudRAN-Lösungen". CloudRAN wurde bereits erfolg­reich mit Mobil­funk­anbie­tern in Nord­ame­rika und Austra­lien erprobt, jetzt auch in Europa. Bei der CloudRAN-Lösung virtua­lisiert o2-Telefónica einige Bestand­teile und Funk­tionen des Funk­zugangs­netzes und betreibt diese als Soft­ware. Das kommt uns irgendwie bekannt vor, aber: Ähnlich wie beim OpenRAN-Konzept kann ein Mobil­funk­anbieter dafür stan­dar­disierte (güns­tigere) Hard­ware verwenden, etwa herkömm­liche Rechner auf Intel-Basis (x86-Prozes­soren). Gleich­zeitig bietet die Lösung den Vorteil, dass diese Soft­ware-Funk­tionen von etablierten Netz­aus­rüs­tern wie Ericsson bereit­gestellt werden können.

Zukunft in der Cloud

Die Cloud spielt bei der Weiter­ent­wick­lung ("Trans­for­mation") der Tele­kom­muni­kati­ons­branche eine zentrale Rolle. Immer mehr Rechen­leis­tung und Funk­tionen werden in die Cloud verla­gert, wo sie einfa­cher zu betreiben und zu skalieren sind. Will man mehr Nutzer unter­bringen, wird einfach mehr Spei­cher und mehr Rechen­leis­tung "gebucht". Updates zur Fehler­behe­bung oder für neue Nutzer-Funk­tionen lassen sich schneller per Soft­ware einspielen und sorgen so dafür, dass das Netz stets auf dem aktu­ellen Stand ist.

Dabei stehen die Cloud-Server nicht irgendwo weit weg "in fernen Ländern", sondern vor Ort beim Anwender oder Netz­betreiber, und laufen unter den stren­geren örtli­chen Daten­schutz­bestim­mungen.

Schneller instal­lieren, Netz effi­zienter machen

o2-Telefónica möchte dadurch Inno­vationen schneller instal­lieren und die Netz­effi­zienz verbes­sern können. Mallik Rao, Technik Chef von o2-Telefónica, sieht sein Unter­nehmen als "Pionier, was den Einsatz neuer Netz­werk-Tech­nolo­gien wie CloudRAN betrifft". Mit der Einfüh­rung einer Cloud-basierten, stan­dar­disierten Archi­tektur sei sein Unter­nehmen in der Lage, schnell auf Kunden­bedürf­nisse zu reagieren, noch flexi­bler neue Produkte und Dienste einzu­führen und unser o2 Netz besser zu skalieren."

Bei CloudRAN seien viele offene Schnitt­stellen vorhanden, die es erlauben, bereits vorhan­dene Hard- oder Soft­ware einzu­setzen. Schon bisher setzt Telefónica neben Produkten von Huawei auf den "euro­päi­schen" Netz­aus­rüster Ericsson. Man nennt das "Multi-Vendor-Stra­tegie", um bei Liefer­schwie­rig­keiten, tech­nischen oder poli­tisch bedingten Problemen einen Alter­nativ­anbieter griff­bereit zu haben. Ähnliche Stra­tegien setzen die meisten Netz­betreiber heute schon ein.

Mobil­funk­netze für die Zukunft

Daniel Leim­bach von Ericsson freut sich, dass Part­ner­schaft zwischen Ericsson und o2-Telefónica erlaubt, die Mobil­funk­netze der Zukunft zu bauen. Für die Unter­nehmen ist CloudRAN eine Premiere in Europa, welche das Poten­zial künf­tiger Hoch­leis­tungs­anwen­dungen mit CloudRAN aufzeigt.

Neue digi­tale Anwen­dungen mit Milli­meter­wellen

Wenn Daten­geschwin­dig­keiten von 4 GBit/s oder mehr gebraucht werden oder gigan­tische Daten­mengen trans­por­tiert werden sollen, reichen die bishe­rigen Mobil­funk-Frequenzen unter 6 GHz nicht mehr aus. Voraus­gesetzt, es gibt eine 26 GHz Versor­gung vor Ort, kann das "Netz­erlebnis von Privat- und Geschäfts­kunden" verbes­sert werden, insbe­son­dere im indus­tri­ellen Umfeld. Mit 5G auf 26 GHz lassen sich 800 MHz Band­breite (!) nutzen, die "Daten­dusche" soll große Dateien in Sekun­den­schnelle über­tragen können.

Dies ist z.B. im Produk­tions­alltag der Indus­trie wichtig: Bei der Auto­mobil­pro­duk­tion erhalten Autos über diese "Daten­dusche" in kürzester Zeit die aktu­ellen Soft­ware-Updates aufge­spielt. Die schnelle Daten­ver­arbei­tung erlaubt digi­tale Wartungs­pro­zesse auf dem Werks­gelände. Aufwän­dige Scanner-Messungen oder Rönt­gen­bilder, etwa von Beton- und Stahl­kon­struk­tionen, lassen sich binnen Sekunden verar­beiten.

"Daten­dusche" auch für Privat­kunden?

Auch Privat­kunden können davon profi­tieren, sofern die Netz­ver­sor­gung vor Ort vorhanden und ausrei­chend dimen­sio­niert ist. Gaming-Fans könnten künftig für ruck­elfreien Cloud-Gaming-Spiel­spaß zusätz­liche Netz­kapa­zitäten buchen. Milli­meter­wellen eignen sich auch als mobiler Fest­netz­ersatz für private Haus­halte, soge­nannte Fixed Wire­less Access-Lösungen (FWA). o2 hatte das vor einiger Zeit in Hamburg auspro­biert, den Versuch aber bislang nie in den Wirk­betrieb über­führt.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Mancher wird davon träumen, überall flächen­deckend solche Hoch­leis­tungs­netze zu haben. Tech­nisch wäre das möglich, wenn jeder Stra­ßen­leit­pfosten, jede Stra­ßen­laterne und vieles mehr auf 26 GHz funken würden. 26 GHz hat nur eine geringe Reich­weite, d.h. es braucht unend­lich viele neue Sender, die in Form von kleinen Routern auch daheim stehen könnten. Doch was würde der Spaß des voll­stän­digen Netz­aus­baus auf aller­höchsten Frequenzen kosten? Und wären die Kunden bereit, dafür zu bezahlen?

Warum jetzt mit dem Begriff "CloudRAN" etwas neues "anderes" als OpenRAN ins Gespräch gebracht wird, sagt Ericsson nicht. Wir vermuten, dass die Angst umgeht, dass zu offene Stan­dards neue viel zu güns­tige Konkur­renten ins Spiel bringen? Doch am Ende müssen deren Produkte auch zusammen passen. Alleine das wird eine gewisse Selek­tion erzeugen.

o2 ist in einer undank­baren Situa­tion. Sie haben relativ güns­tige Preise. Sobald höhere Daten­geschwin­dig­keiten und Daten­mengen "bezahlbar" werden, müssen sie erneut nach­rüsten, weil eine "ausge­hun­gerte" Kund­schaft das Netz be- und über­lastet. Das kostet wieder neues Geld und setzt eine Spirale in Gang, die nicht unend­lich ausbaubar sein wird.

Und bitte nicht vergessen: Mancher o2-Kunde wäre froh in seinem Umfeld wenigs­tens über­haupt 2G oder 4G Versor­gung zu haben. Das darf nicht aus den Augen verloren werden. Ja, die Welt ist manchmal schon ziem­lich undankbar.

Ericsson hat heraus­gefunden, dass die Akzep­tanz für 5G bei den Kunden langsam wächst.

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