Neue TV-Regeln: Wie gut sind Sender auffindbar?
Rundfunk- und Telemedienangebote müssen laut gesetzlicher Vorgaben Nutzern einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten. Die bekanntesten öffentlich-rechtlichen und privaten Sender müssten eigentlich einfach und schnell am PC, auf dem Smartphone, Benutzeroberflächen von Smart-TVs, Set-Top-Boxen oder auch Displays mit Medieninhalten in Kraftfahrzeugen zu finden sein.
Die Umsetzung dieser im Medienstaatsvertrag (MStV) verankerten leichten Auffindbarkeit von sogenannten "Public-Value-Angeboten" begleiten die Medienanstalten seit 2022 eng im Dialog mit der Politik und Anbietern von Benutzeroberflächen. Unter anderem haben sie eine Empfehlungsliste zur Anordnung von öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen auf Benutzeroberflächen verabschiedet.
Wunsch der Medienwächter ist, dass die Reihenfolge zum Beispiel mit ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben und Vox beginnt, gefolgt von dem auf das jeweilige Bundesland zugeschnittenem Dritten Programm der ARD. Es sollen Nachrichtensender folgen, dann weitere Sparten-Kanäle der öffentlich-rechtlichen Sender und private Programme aus der "zweiten Reihe", internationale Angebote sowie neuartige FAST Channels.
Wie setzen Online-TV-Anbieter, Kabelnetzbetreiber oder Hersteller von Satelliten-Receivern diese Richtlinie um? Wir haben uns die Programmlisten der Plattformbetreiber und Hersteller angeschaut.
Zattoo: Sport 1 und DAZN-Fast Channels nach ARD und ZDF
TV-Programmliste bei Zattoo
Screenshot: Michael Fuhr/teltarif.de
Beim Online-TV-Anbieter Zattoo haben wir die webbasierte Version gewählt, und hier setzt der Anbieter die Richtlinie nur bedingt nach dem Wunsch der Medienpolitik um.
Insgesamt überrascht die Reihenfolge. Klickt man die Liste aller verfügbaren Programme an, stehen ARD Das Erste und das ZDF tatsächlich an erster Stelle. An dritter Position steht der private Sportsender Sport 1. Die Positionen 4 und 5 nehmen die erst vor wenigen Tagen auf der Plattform gestarteten FAST-Channels des Sportstreamers DAZN ein (wahrscheinlich, um sie prominent zu promoten), gefolgt vom speziellen Angebot wedo movies. Erst viel weiter hinten tauchen Programme wie 3sat, die Dritten Programme der ARD und die großen Privatsender auf.
Es gibt jedoch mehrere Filter. Beschränkt man die Programmliste auf "Verfügbar mit Zattoo PREMIUM", nehmen die großen Privatsender RTL, Pro7, Sat.1 und VOX die ersten vier Plätze ein. Die Dritten Programme der ARD und private Lokalsender findet man sehr einfach unter dem Reiter "Regional".
Jeder Nutzer hat bei Zattoo auch die Möglichkeit, sich seine eigene, persönliche Programmliste mit Favoriten zusammenzustellen.
waipu.tv: Wildes Sammelsurium
Programmliste bei waipu.tv
Foto: Michael Fuhr/teltarif.de
Bei waipu.tv haben wir die kostenlose Smart-TV-Version über den Amazon-Fire-TV-Stick ausgewählt. Auch hier ist die Programmliste ein wildes Sammelsurium. An Position 1 und 2 stehen auch hier ARD Das Erste und das ZDF. Position 3 nimmt BILD TV ein. An Position 4 steht das spezielle Angebot Screamtime, gefolgt von ZDFneo und vielen FAST Channels wie BUNTE TV.
Zumindest thematisch passen die Channels oft zusammen, so befindet sich der ARD/ZDF-Kinderkanal KIKA inmitten anderer Kinder-Angebote. Sehr weit hinten befinden sich die Dritten Programme der ARD (ab Position 87), Nutzer müssen ewig zappen, um etwa das Bayerische Fernsehen oder das WDR Fernsehen zu sehen.
Auch bei waipu.tv gibt es eine Favoritenliste, die je nach individuellem Geschmack die Auffindbarkeit der persönlichen Favoriten erleichtert. Nutzer können zudem die Sendersortierung individuell anpassen, indem sie Sender nach Belieben sortieren sowie ein- und ausblenden.
Zudem kennzeichnet waipu.tv Programme mit besonderem Publikums-Interesse neuerdings mit dem Kürzel "PV" (steht für "Public Value"). Zuschauer können damit aber wohl kaum etwas anfangen, sinnvoll wäre es zumindest, solche Sender durch eine Filtermöglichkeit in einer separaten Programmliste zu präsentieren.
Joyn: Schnellzugriff auf alle wichtigen Programme
Live-TV-Sender bei Joyn
Screenshot: Michael Fuhr/teltarif.de
Als Nächstes haben wir uns das Live-TV-Angebot der Plattform Joyn angeschaut. Hier überrascht, dass man, obwohl es nativ ein Angebot des Medienkonzerns ProSiebenSat.1 ist, ebenfalls ARD Das Erste und das ZDF auf den Positionen 1 und 2 präsentiert. Unter dem Reiter "Live TV" gibt es einen Schnellzugriff auf die wichtigsten 40 Programme, ohne dass sich der Nutzer durch eine lange Programmliste durchzappen muss.
Hier findet der Nutzer auch recht schnell, wie von den Medienanstalten gewünscht, bekannte Privat-TV-Angebote wie Pro7 und SAT.1 (die Sender der RTL-Gruppe fehlen bekanntlich bei Joyn) sowie weitere wichtige öffentlich-rechtliche Sender wie 3sat, KIKA oder die Dritten Programme der ARD. Wer an weiteren Sendern, etwa FAST Channels, interessiert ist, muss den Unter-Reiter "Alle TV-Sender" anklicken.
Vodafone Kabel: Trennung nach HD und SD
Programmliste von Vodafone im Kabel
Screenshot: Michael Fuhr/teltarif.de
Beim Kabel gibt es je nach Netzbetreiber unterschiedliche Programmlisten. Deutschlands größter Anbieter Vodafone erfüllt hierbei die Vorgaben der Medienpolitik - allerdings nur, wenn der Kunde auch die HD-Option hinzubucht. Dann befinden sich die ARD auf Programmplatz 1, das ZDF auf Platz 2, RTL auf 3, SAT.1 auf 4 und Pro7 auf 5.
Ohne Buchung der HD-Option ist die Angelegenheit etwas komplizierter. Zwar sind die Öffentlich-Rechtlichen in HD ohne Zusatzkosten relativ weit vorne in der Liste - 3sat und arte etwa auf den Positionen 9 und 10 und die Dritten Programme ab Position 20.
Die großen Privatsender befinden sich in der Programmliste in herkömmlicher SD-Qualität jedoch weit hinten, etwa RTL auf Platz 303 und SAT.1 auf 304. Kunden des Kabelnetzbetreibers haben jedoch auch hier die Chance, sich eigene Favoritenlisten anzulegen.
Satelliten-Direktempfang: TechniSat mit redaktionell gepflegter Programmliste
Programmliste ISIPRO von TechniSat
Foto: TechniSat
Auch beim Satellitenempfang gibt es keine einheitlichen Programmlisten, hier ist jeder Hersteller selbst für die Anordnung zuständig.
Um die Empfangsdaten seiner Smart-TVs und Satelliten-Receiver auf dem aktuellsten Stand zu halten, hat sich TechniSat als einer der größten Hersteller für eine redaktionelle Lösung namens ISIPRO entschieden. Hier werden die Programmlisten ständig aktualisiert und via Satellit verbreitet. Schaltet der Nutzer das Empfangsgerät ein, informiert ein Meldefenster über das Vorhandensein einer neuen Programmliste. Mit einem Tastendruck kann er diese jetzt via Satellit herunterladen und das Gerät mit den aktuellsten Empfangsparametern für seine Region versorgen.
TechniSat hat hierbei eine sehr sinnvolle Sortierung der Programmliste gewählt: Sie startet mit ARD und ZDF, gefolgt von den großen Privatsendern (in SD) und weiteren öffentlich-rechtlichen Programmen wie den Dritten, 3sat oder arte. Die kostenpflichtigen HD-Optionen der Privatsender finden sich weiter hinten in der Liste. TechniSat geht hier also den umgekehrten Weg wie Vodafone beim Kabel, wo zunächst die kostenpflichtigen HD-Optionen der großen Privatsender in der Programmliste auftauchen und weiter hinten die kostenlosen, unverschlüsselten SD-Versionen.
Unser Fazit: Einige Hersteller und Plattformbetreiber kommen den Richtlinien der Medienpolitik bereits nahe, vor allem bei den Online-TV-Anbietern Zattoo und waipu.tv ist hier jedoch noch deutlich Luft nach oben.
Der Satellit ist trotz Verlusten der Verbreitungsweg Nummer 1 für Fernsehinhalte in Deutschland. Doch nur Internet-TV gewinnt hinzu.