Kommentar

Welche Auswirkungen hat die Einstellung der T-Online Flatrate auf das Surfverhalten

Oder: Ein Schritt in Richtung verbraucherorientierte Tarifangebote?
Von Frank Rebenstock

Als heute kurz nach 13.30 Uhr die 27 Seiten umfassendene Presseerklärung von T-Online aus unserem Faxgerät quoll, war schnell klar: Die Gerüchte der vergangenen Tage haben sich bestätigt, T-Online stellt seine Flatrate tatsächlich ein. Stattdessen erwartet uns ab dem 1. März eine auf den ersten Blick verwirrende Vielzahl neuer Tarife. Im Telekom-Jargon heißt das: Den "kundenindividuellen Bedürfnissen entsprechen wir mit unseren neuen differenzierten Angeboten mehr, als mit dem bisherigen Pauschalangebot."

Den ausgesprochenen Poweruser wird diese Entscheidung mit Sicherheit hart treffen: Wer mehr als drei Stunden täglich surft, zahlt ab dem 1. März kräftig drauf. Bei durchschnittlich vier Online-Stunden am Tag sind monatlich bereits 20 Mark mehr zu berappen und jede Stunde darüber hinaus schlägt mit weiteren 1,74 Mark zu Buche. Nach Telekom-Angaben beträgt der Anteil dieser "extremen Vielsurfer" allerdings nur 3 Prozent der T-Online-Kunden. Für den Normal- und Wenignutzer wäre jedoch selbst eine Flatrate von 30 Mark zu teuer. Dennoch ist sich Thomas Holtrop, Vorstandsvorsitzender der T-Online International AG, bewusst, dass "damit gewissermaßen eine 'heilige Kuh' angetastet" wird, "denn Flatrates werden häufig [...] als das allein seeligmachende Allheilmittel gepriesen." Es sei indes ein "weitverbreitetes Vorurteil, dass nur das Angebot einer Flatrate [...] bisher Internet-abstinente Menschen ans Netz bringen" würde.

Tatsächlich sind es nicht die Nutzungskosten, die die größten Barrieren für den Internet-Einstieg neuer User darstellen, sondern die vergleichsweise hohen Kosten für den notwendigen Computer. Wer in der Bundesrepublik als Einsteiger das Internet erkunden möchte, hat eine Vielzahl günstiger Internet-by-Call-Angebote zur Auswahl und kann seinen Provider und seinen Tarif ohne lange Vertragsbindung problemlos seinem tatsächlichen Nutzungsverhalten anpassen. Wer das World Wide Web wirklich nur ausprobieren will, ist mit Internet-by-Call für unter 2 Mark pro Stunde gut bedient. Ein Bier in der nächsten Kneipe oder ein Kinobesuch belasten das Familienbudget stärker.

Die unter anderem von AOL immer wieder geforderte Flatrate um die 30 Mark ist abrechnungstechnisch für den Provider von Vorteil: Mit garantierten monatlichen Einnahmen läßt sich trefflich rechnen. Andererseits subventioniert die große Mehrheit der Kunden, die von einer Flatrate keinen Nutzen hat, die kleine Minderheit der Extremsurfer dauerhaft mit. Insofern bedeutet das neue Tarifkonzept von T-Online tatsächlich mehr Kostengerechtigkeit für die Kunden.

Eher schon dürfte das Gerede, die Internet-Nutzung in der Bundesrepublik sei zu teuer, eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Interessenten haben. Die im Vergleich zu den Telefonpreisen im Festnetz immer noch teilweise erheblich höheren Gebühren im Mobilbereich haben den Siegeszug des Handys nicht aufhalten können. Und auch das immer wieder gerne vorgebrachte Argument, E-Commerce ließe sich nur mit billigsten Flatrate-Angeboten fördern, zieht nicht: Wer bereit ist, sein Geld beim Shoppen im Netz zu lassen, wird sich nicht von den paar Mark Online-Kosten abhalten lassen. Dem herkömmlichen Markt hat es auch nicht geschadet, dass beispielsweise durch die Autofahrt in die nächste größere Stadt Kosten entstehen.

Neuer Bedarf und damit auch neue Kunden lassen sich vor allem über neue sinnvolle Angebote hervorbringen. Dazu zählen auch multimediale Inhalte. Und dafür kommen nur breitbandige Zugänge in Frage.