Qualcomm pusht WiFi-6 an allen Enden
Qualcomm hat auf dem WiFi-6-Tag in San Francisco heute seine Pläne für die künftigen Chipsätze für WiFi 6 alias WLAN-802.11ax, vorgestellt. Der neue Standard, Nachfolger von WiFi 5 alias 802.11ac, bringt höhere Datenraten, kürzere Latenzen und niedrigeren Stromverbrauch. Doch Qualcomm will mehr herstellen, als "nnur" WiFi-6-Modems für Smartphones: Der Konzern sieht sich in einer guten Position, seine führende Position im Mobilfunkmarkt zu nutzen, um auch im WiFi-Sektor noch weiter Marktanteile zu gewinnen. Insbesondere nannte Qualcomm den Router-Hersteller Netgear als einen der Kunden, die die neue Qualcomm Networking Pro 1200 Platform in ihre Router integrieren wollen. Mit 8x8-Multi-User-MIMO, bis zu 12 gleichzeitigen räumlichen Streams, 1024 QAM und Dual-Band Simultaneous (DBS) erreicht diese einen Durchsatz von bis zu 6 GBit/s. Bild: Qualcomm Letztendlich gelten für Heimnetzwerke dieselben Herausforderungen wie für mobile Datendienste: Die Zahl der Endgeräte wächst rasant, zudem werden pro Endgerät immer mehr Daten übertragen. Nach Qualcomms Angaben verdoppelt sich die Zahl der Endgeräte in Heimnetzen seit 2012 etwa alle zwei Jahre: Neben Smartphones, Laptops, Gaming-Consolen und Druckern verbinden sich zunehmend auch Fernseher, Kameras, mobile Festplatten, Smart-Speaker und viele weitere Geräte mit dem Heimnetz. Mit dem Trend zum Smart Home wird diese Entwicklung auch weiter anhalten. Schon kommendes Jahr erwartet Qualcomm, dass die durchschnittliche Zahl der verbundenen Geräte pro Haushalt die Zahl 24 übersteigt.
Mobilfunk-Technologie auch bei WiFi
Bild: Qualcomm Doch nicht nur die Probleme sind bei WiFi und 5G ähnlich, sondern auch die Lösungen: Multi User Multiple Input Multiple Output (MU-MIMO) ermöglicht es bei beiden Technologien, mehrere räumlich getrennte Streams gleichzeitig aufzubauen. Diese räumlich getrennten Streams kann man sich ähnlich vorstellen wie die Sektoren einer klassischen Mobilfunk-Basisstation, nur, dass die räumliche Trennung nicht durch die Form der Antennen, sondern durch die zeitlich leicht versetzte Ansteuerung der Antennen erfolgt. Wird dieser zeitliche Versatz variiert, verändert sich auch die Anordnung der Streams im Raum. Das ermöglicht Beamforming, bei dem Access Point und WiFi-Client ihre Sendecharakteristik aufgrund der wechselseitigen Empfangssituation optimal aufeinander abstimmen.
Qualcomm-President Cristiano Amon stellt die Vorteile von WiFi 6 vor
Foto: teltarif.de
Qualcomm spricht dabei beim besten Chipsatz von bis
zu 12 Streams bzw. Beams. Deren genaue Aufteilung ist abhängig
von der im Router verbauten Antennenkonfiguration. Typisch sind wohl
4 Streams bei 2,4 GHz und 8 Streams im 5-GHz-Band. Letzteres
hat aufgrund der höheren Frequenz die niedrigere Reichweite, eignet
sich aber aufgrund der kürzeren Wellenlänge besser für MIMO auch
bei beengten Platzverhältnissen.
OFDMA wird schon von 4G/LTE genutzt, um innerhalb eines Sektors (klassische Basisstation) bzw. MU-Straems (Beamforming-Basisstation oder Beamforming-WiFi--Router) mehrere Endgeräte gleichzeitig ansprechen zu können. Dazu wird die Gesamtbandbreite in mehrere Subbänder unterteilt, die als Töne (english: "tone") bezeichnet werden. Qualcomms WiFi-6-Lösung unterstützt dabei das gleichzeitige Senden von bis zu 37 Endgeräten innerhalb eines Beams. Multipliziert mit den zwölf Streams ergibt sich eine theoretische Kapazität von 444 gleichzeitig funkenden Endgeräten. In der Praxis dürften die Endgeräte aber selten so genau aufgeteilt werden können.
Faire Verteilung der knappen Zeit
Bild: Qualcomm Müssen mehr Endgeräte versorgt werden, als durch OFDMA und MU-MIMO gleichzeitig angesprochen werden können, können diese aber - wie bei klassischem WiFi auch schon - einfach nacheinander senden. Zur Optimierung dieser Betriebsart enthält das WiFi-6-Protokoll - anders als frühere WiFi-Versionen - gezielte Scheduling-Mechanismen zur optimalen Aufteilung der Sendezeit zwischen den einzelnen Clients. Qualcomm spricht davon, die Erfahrung aus dem Mobilfunk zu nutzen, um für WiFi 6 bessere Scheduling-Mechanismen zu implementieren als die Konkurrenz. Diese Technologie hat Qualcomm mit bis zu 1.500 gleichzeitig aktiven WiFi-Clients getestet. Im Vergleich zu WiFi 4 (802.11n), bei dem es schon bei wenigen gleichzeitig aktiven Sendern zu dramatischen Einbrüchen im Gesamt-Durchsatz kommen kann, ist das ein großer Fortschritt.
ARM-Prozessor-Power für Router
Qualcomm hat gleich vier verschiedene Versionen der Networking Pro Platform vorgestellt, die sich in ihrer Leistungsfähigkeit unterscheiden, und entsprechend für unterschiedlich schnelle Router geeignet sind. Allen Chips ist die Unterstützung für WiFi 6, MU-MIMO und OFDMA gemeinsam. Auch QoS (Quality of Service für ruckelfreie Streams) und die verbesserte Zeiteinteilung (Advanced Scheduling) sind stets dabei. Von daher ist es eher weniger sinnvoll, langsame Router auf der Basis der Networking-Pro-Platform zu designen.
Bereits die Networking Pro Platform 400 unterstützt vier parallele räumliche Streams. Bei der Networking Pro Platform 600 sind es deren sechs, bei der 800 sind es acht, und das Spitzenmodell, die Networking Pro Platform 1200, schafft bis zu zwölf Streams. Dazu müssen im Router dann aber auch drei Antennenmodule mit je vier Antennen angeschlossen werden.
Starke CPU: Vierfacher Cortex A53
Bild: Qualcomm Allen SoCs der Networking Pro Platform ist gemeinsam, dass sie vier Cortex-A53-Kerne mitbringen. Diese arbeiten mit einem Basistakt von 1,0 GHz. Bei der Networking Pro Platform 800 ist zudem ein Turbo-Takt bis 1,4 GHz vorgesehen, bei der Networking Pro Platform 1200 sogar bis 2,2 GHz. Soll letzterer Takt dauerhaft durchgehalten werden, wird sich der Router-Hersteller um eine gute Kühlung des Chips kümmern müssen.
Die hohen Taktraten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der A53 der kleinste und effizienteste der 64-Bit-ARM-Prozessoren ist. Er beherrscht nur die In-Order-Ausführung der Assembler-Befehle, bei der fehlende Daten zu einem Befehl (zum Beispiel, weil sie aus dem Hauptspeicher nachgeladen werden müssen) die Abarbeitung aller folgenden Befehle blockieren. Dadurch ist die Verarbeitung langsamer als bei Out-Of-Order-CPUs, die die Befehle umsortieren können und dadurch Total-Blockaden vermeiden, im Gegenzug aber deutlich mehr Strom verbrauchen. Eine Konfiguration mit vier Cortex A53 findet sich in etlichen Mittelklasse-Smartphones. Bei Smartphone-Flaggschiffen sind hingegen Cortex A53 meist für den Standby-Betrieb eingebaut, während für die Spitzenleistung zusätzlich weitere, schnellere Kerne integriert sind.
Aktuelle Heimrouter kranken oft an langsamen CPUs: Zwar enthält die Firmware immer mehr Funktionen wie Streaming von einer an denn Router angeschlossenen USB-Festplatte, Datenübertragung zum Drucker oder Content-Filter für die Kids. Doch die CPUs, teilweise mit nur einigen hundert Megahertz auf MIPS-Basis, kommen mit diesen Aufgaben nicht hinterher, und so wird beispielsweise beim File-Transfer zur Festplatte nur ein Bruchteil der theoretisch möglichen Leistung erreicht. Hier sollte der in die Networking Pro Platform integrierte vierfache ARM Cortex A53 für eine erhebliche Leistungssteigerung sorgen!
Kein WAN-Modem
Router-Hersteller, die von herkömmlichen Router-SoCs wegen der vergleichsweise schnellen CPU oder dem modernen WiFi-6-Modem zur Networking Pro Platform wechseln wollen, müssen aber mit einem Wermutstropfen leben: Die Networking Pro Platform enthält kein WAN-Modem. Entsprechend wird für einen handelsüblichen Router zusätzlich mindestens noch ein DSL-, Kabel-, Glasfaser- oder Mobilfunk-Modem benötigt. Bild: Qualcomm Reine Access Points oder Repeater sollten sich hingegen auf Basis der Networking Pro Platform designen lassen. Doch stellt sich bei diesen die Frage, ob die hohe Leistung der ARM-CPUs wirklich benötigt werden. Die oben genannten Zusatzfunktionen finden sich ja zumeist in Routern, nicht aber in Access Points oder Repeatern.
Schnellere WiFi-Chips für Smartphones
Qualcomms aktuelle Top-Level-CPU Snapdragon 855 enthält das FastConnect 6200 Subsystem, das bereits WiFi-6-kompatibel ist. Die meisten Smartphone-Hersteller, die einen Snapdragon 855 integrieren, haben auch FastConnect 6200 aktiviert. Nur einzelne Hersteller verwenden den Snapdragon 855 mit einem alternativen WiFi-Chip. Smartphones mit Snapdragon 855 und FastConnect 6200 sind insbesondere Lenovo Z6 Pro 5G, ViVo iQOO 5G Edition, OnePlus 7 Pro 5G, Oppo Reno 5G, Nokia 9, Xperia 1, LG G8 ThinQ und weitere. Bild: Qualcomm Qualcomms nächste Generation des WiFi-Subsystems hat die Bezeichnung FastConnect 6800: 1024 QAM, OFDMA & MU-MIMO, sowie Dual Band Simultaneous bringen die Spitzen-Datenrate auf 1,8 GBit/s. FastConnect 6800 wird auch Bluetooth 5.1 integrieren. Modellbezeichnungen, welche Snapdragon-CPU FastConnect 6800 enthalten wird, gab Qualcomm noch nicht bekannt.