Kult-Handy

Nokia 3310 im Test: Gutes Retro-Telefon - aber wer braucht es?

Das neue Nokia 3310 soll Retro-Gefühle wecken. Das tut es auch - solange man damit nur tele­foniert und simst. Im Test erlebten wir aller­dings einen Rein­fall, als wir die rest­lichen Funk­tionen nutzen wollten.
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Rund um die Wieder­ein­füh­rung des Nokia 3310 durch HMD, den neuen Lizenz­nehmer der Gerä­temarke Nokia, hat sich ein regel­rechter Retro-Hype entwi­ckelt. Ohne Frage: Alte Nokia-Handys erfreuen sich bei Wenig­tele­fonie­rern nach wie vor einer gewissen Beliebt­heit, denn sie sind einfach zu bedienen, haben eine gute Sprach­qua­lität - und der Akku hält meist länger als bei jedem Smart­phone.

Nachdem wir nun ein neues Nokia 3310 zum Test erhalten sowie ausge­packt und einge­richtet hatten, stellten wir uns die Frage: Kann HMD mit dem neuen Nokia 3310 wirk­lich an die Erfolge der alten Nokia-Handys anknüpfen? Und was erhält der Käufer für den Verkaufs­preis von rund 60 Euro? Nokia 3310 im Test Nokia 3310 im Test
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Gehäuse, Haptik, Verar­bei­tung und Display

Nokia 3310 (2017)

Bei einem genaueren Blick auf das Nokia 3310 müssen wir fest­stellen, dass es - wie schon auf dem MWC fest­gestellt - nicht so gut verar­beitet ist wie die alten Nokia-Handys. Der Deckel lässt sich zwar gut abnehmen und wieder aufsetzen, wirk­lich perfekt sitzt er aber nicht. Auf allen vier Schmal­seiten sind Spalt­maße zu sehen.

Versucht man, das Gehäuse zu drücken oder zu biegen, hört man zwar kein lautes Knacken, aber immerhin ein leises Knis­tern. Von der Form her ist das Nokia 3310 sehr fili­gran und liegt eigent­lich gut in der Hand. Nicht so gut gefällt uns aller­dings die glän­zende Ober­fläche. Die meisten Nokia-Handys der 3xxx-er und 6xxx-er Serie hatten zwar genau diese Form, aber eine matte und deut­lich grif­figere Ober­fläche.

Tastatur: Guter Druckpunkt, schlechte Beleuchtung Tastatur: Guter Druckpunkt, schlechte Beleuchtung
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Dies hat zwei nega­tive Auswir­kungen: Zum einen liegt das Handy nicht ganz rutsch­sicher in der Hand, für eine weitere Neuauf­lage würden wir drin­gend ein mattes, etwas ange­rautes Gehäuse empfehlen. Und zum anderen ist das Handy schon nach wenigen Minuten Nutzungs­zeit mit Finger­abdrü­cken übersät, selbst wenn man keine ausge­prägten Schweiß­hände hat.

Das Display ist gut lesbar, solange man sich im klas­sischen Handy-Menü bewegt, auch bei direkter Sonnen­ein­strah­lung hatten wir keine Probleme mit der Lesbar­keit. In den Apps sind die Schrift­arten dann aller­dings mitunter recht klein und von sehbe­hin­derten Personen nur schwer zu entzif­fern. App-Menü des Nokia 3310 App-Menü des Nokia 3310
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Anschlüsse, Tasten und Bedie­nung

Das Äußere des Handys bietet ansonsten wenig Spek­taku­läres: Auf der oberen Schmal­seite ist der Micro-USB-Anschluss, auf der unteren Schmal­seite der Klin­ken­anschluss - also genau umge­kehrt wie bei den alten Nokias. Auf der Rück­seite liegt das Kame­ramodul mit dem Blitz, darüber die Laut­spre­cher­öff­nung.

Gut gefallen hat uns die Tastatur des Nokia 3310 - diese ist quali­tativ mit den alten Nokias vergleichbar. Die Tasten haben einen guten Druck­punkt und wirken nicht so, also ob sie bereits nach ein paar Monaten ausge­leiert sein werden. Die Tasten­anord­nung ist wie früher: Um die Haupt­aus­wahl­taste in der Mitte gibt es einen Ring-Button. HMD hat beim neuen Nokia 3310 aller­dings die Menü­tasten nicht sauber von den Hörer­tasten getrennt. Die beiden Menü­tasten beziehen sich immer auf die im Menü ange­zeigte Funk­tion, aller­dings kann es beim unge­nauen Drücken vorkommen, dass man statt­dessen die Hörer­tasten-Funk­tion erwischt und umge­kehrt.

Für einen wirk­lich groben Fehler halten wir die weiße Hinter­grund­beleuch­tung der weißen Tasten. Ist diese aus, ist die graue Beschrif­tung auf den weißen Tasten sehr gut lesbar. Leuchtet sie aller­dings, sind die Beschrif­tungen prak­tisch nicht mehr lesbar. Das hätte HMD besser lösen müssen, beispiels­weise mit blauen statt weißen LED.

Auch bei der beilie­genden Kurz­anlei­tung hat HMD die Ziel­gruppe der Senioren, die viel­leicht nur ein Notfall­handy für die Schub­lade benö­tigt, sträf­lich vernach­läs­sigt. Mit Ausnahme der Zwischen­über­schriften sind die Texte so klein gedruckt, dass sie selbst für Normal­sich­tige nur mit einer Lupe wirk­lich gut zu lesen sind.

Kern­kom­petenz Tele­fonieren & entschei­dender Schwach­punkt

Smart­phone-Nutzer fragen sich seit dem Erscheinen des Nokia 3310: Wofür gibt es dieses Handy? Nach unserem Test können wir dafür eine klare Antwort geben: Zum Tele­fonieren. Denn das ist die abso­lute Kern­kom­petenz des Tele­fons. Bei unseren Test-Tele­fonaten im Voda­fone-Netz konnten wir den Gesprächs­partner stets in einer glas­klaren Sprach­qua­lität ganz ohne Stockungen, Aussetzer und Hinter­grund­rau­schen hören. Billige Smart­phones müssen sich anstrengen, um eine derar­tige Sprach­qua­lität zu errei­chen, obwohl Smart­phones per UMTS oder VoLTE kommu­nizieren, während das Nokia 3310 nur GSM beherrscht.

Im Menü des Tele­fons gibt es übri­gens die übli­chen Anruf­listen sowie ein Tele­fon­buch. In den Einstel­lungen können auch Tele­fon­num­mern gesperrt werden, beispiels­weise bei beläs­tigenden Anrufen.

Das Schreiben von SMS funk­tio­niert wie in alten Zeiten über die Ziffern­tas­tatur. Ein T9-Wörter­buch, also eine Einga­behilfe, gibt es auch, dieses ist aber stan­dard­mäßig ausge­schaltet. Über die Optionen im SMS-Menü lässt es sich akti­vieren. Eine Technik zur Sprach­steue­rung beherrscht das Nokia 3310 nicht. Kameramodul mit Blitz und Lautsprecher Kameramodul mit Blitz und Lautsprecher
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Schwach­punkte: Viel zu kleiner Spei­cher und Kamera

Eigent­lich bietet das Nokia 3310 funk­tions­tech­nisch viel mehr als seine Vorgänger - aber leider hat HMD einen entschei­denden Fehler gemacht: Das Nokia 3310 hat einen viel zu kleinen Spei­cher von nur 16 MB (in Worten: Mega­byte). Es gibt zwar einen microSD-Steck­kar­ten­platz mit Unter­stüt­zung von Spei­cher­karten bis zu 32 GB Kapa­zität, ohne eine derar­tige Spei­cher­karte sind aller­dings viele Funk­tionen des Geräts absolut sinnlos.

Beispiels­weise konnten wir mit der Kamera exakt drei Fotos aufnehmen, bis das Handy signa­lisierte: "Spei­cher voll". Ab diesem Zeit­punkt begann das Telefon dann damit, uns bei vielen Tätig­keiten mit Fehler­mel­dungen zu terro­risieren. Selbst wenn das Telefon unbe­nutzt herumlag, kam regel­mäßig die sinn­freie Meldung, der SMS-Spei­cher sei voll. Dabei hatten wir von unserem Provider ledig­lich drei Kurz­mit­tei­lungen erhalten.

Fotografieren mit der Kamera: Ohne Speicherkarte sinnlos Fotografieren mit der Kamera: Ohne Speicherkarte sinnlos
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
So kamen wir auf die glor­reiche Idee, die Fotos vom Handy herun­ter­zuko­pieren. Dies schei­terte aller­dings, weil unser Windows-Laptop keine Treiber für das Nokia 3310 finden konnte, auch bei einer Suche im Internet nicht. Per Micro-USB-Kabel blieb uns also der Zugriff auf den Spei­cher verwehrt. Dann versuchten wir, eine Blue­tooth-Verbin­dung zu anderen Smart­phones und zum Laptop aufzu­bauen - doch das war verge­bens. Keines der Geräte konnte das direkt daneben liegende Nokia 3310 finden und eine Blue­tooth-Verbin­dung herstellen. Norma­ler­weise ist das mit den von uns genutzten Geräten kein Problem.

Ein mit der Kamera aufgenommenes Foto Ein mit der Kamera aufgenommenes Foto
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Die von der 2-Mega­pixel-Kamera aufge­nom­menen Fotos waren pixelig und zeigten Verzer­rungen und Farb­ver­ände­rungen, sogar bei gutem Wetter. Es gibt also keinen Grund, die Kamera zu benutzen, nicht einmal für Schnapp­schüsse oder Erin­nerungs­fotos. Für einen geringen Aufpreis bekommt man bereits ein voll­wer­tiges Smart­phone mit einer besseren Ausstat­tung.

Internet, Apps, Apps­tore, Akku­lauf­zeit & Fazit

Das ganze Ausmaß der Spei­cher-Misere zeigt sich dann, wenn man mit dem Nokia 3310 auf das Internet zugreifen möchte. Dies geht an mehreren Stellen. Zunächst ist da der Opera Mini als Browser. Dieser ist ab Werk aber offenbar nicht voll­ständig instal­liert, sondern muss bei der ersten Verwen­dung noch­mals Kompo­nenten oder Updates nach­laden. Doch das Handy baute trotz korrektem APN nicht einmal eine Verbin­dung auf, weil zu wenig Platz für den Down­load vorhanden war.

Ohne microSD beginnt der Terror mit den Fehlermeldungen Ohne microSD beginnt der Terror mit den Fehlermeldungen
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Also versuchten wir, bereits auf dem Telefon vorin­stal­lierte Apps wie die Wetter-App zu nutzen. Diese begrüßte uns aller­dings auch mit dem Hinweis, sie sei nicht aktuell und müsse aktua­lisiert werden. Die App nahm zwar Verbin­dung mit dem Internet auf, meldete aber dann eben­falls, der Spei­cher­platz wäre für ein Update zu gering. Die vorin­stal­lierte App zeigte darum niemals Wetter­daten an.

Das einzige Mal, dass wir wirk­lich aktiv auf das Internet zugreifen konnten, war über den Apps­tore. Hier zeigte uns der Store Über­sichten von Spielen an, die man herun­ter­laden könne. An regu­lären Apps wurden uns Twitter, Face­book Messenger, Yahoo News, Face­book-App und MSN Weather vorge­schlagen - also exakt fünf Apps. Herun­ter­laden und instal­lieren konnten wir davon aller­dings keine - aufgrund des fehlenden Spei­cher­platzes.

Wer die genannten Funk­tionen also ohne Spei­cher­karte nutzen will, wird keinen Erfolg haben und statt­dessen mit einer Flut von Fehler­mel­dungen bombar­diert werden. In dieser Diszi­plin ist das Nokia 3310 also eine echte Spaß­bremse. Apps vorhanden, aber kein Speicher dafür auf dem Telefon Apps vorhanden, aber kein Speicher dafür auf dem Telefon
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Akku­lauf­zeit: Länger als bei einem Smart­phone

Der wech­sel­bare 1200-mAh-Akku des Nokia 3310 bietet laut HMD eine maxi­male Sprech­zeit von bis zu 22 Stunden, im Standby soll das Telefon bis zu 31 Tage durch­halten. Das konnten wir natür­lich noch nicht testen, weil das Nokia 3310 noch gar keine 31 Tage auf dem Markt ist. Benutzt man es täglich aber mehr­mals, hält der Akku maximal eine Woche durch.

Als MP3-Wieder­gabe­zeit gibt Nokia bis zu 51 Stunden und als UKW-Radio-Wieder­gabe­zeit maximal 39 Stunden an. Diese Faust­regel können wir bestä­tigen: Wird das Nokia 3310 viel genutzt, muss es spätes­tens nach etwa zwei bis drei Tagen wieder ans Lade­gerät. Wer es unbe­nutzt für Notfälle in der Schub­lade liegen lässt, sollte mindes­tens zweimal monat­lich den Akku laden. Neuauflage von Snake auf dem Nokia 3310 Neuauflage von Snake auf dem Nokia 3310
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Fazit: Tele­fonieren kann es - und das war es auch

PRO
  • klein und handlich
  • lange Akkulaufzeit, gute Sprachqualität
  • kultig und retro
CONTRA
  • schlecht verarbeitet, rutschiges Gehäuse
  • Speicher viel zu klein
  • Internet/Kamera ohne microSD sinnlos
Die Einzelnoten im Handy-Test:
  • Technische Ausstattung: 3
  • Bedienung, Handling, Software: 3
  • Hardware, Verarbeitung, Material: 3
  • Basis-Feature des Handys: 4
  • Einschätzung des Redakteurs: 3
  • Gesamtnote: 3,2
"Nokia 3310 - das Original": Diesen Werbe­spruch kann HMD nicht erfüllen. Das Nokia 3310 hat zwar optisch und von der Bedie­nung her den schon öfters erwähnten Kult­faktor - und tele­fonieren kann es ganz beson­ders gut. Wer also wirk­lich nur ein gutes Mobil­telefon zum Tele­fonieren sucht, kann beim Nokia 3310 beden­kenlos zugreifen.

Kunden, die aller­dings der Meinung sind, sie könnten auch die weiteren Funk­tionen des Tele­fons nutzen, werden eines Besseren belehrt: Ohne den Kauf einer sepa­raten Spei­cher­karte geht so gut wie gar nichts - weder die Kamera noch das Internet oder Apps lassen sich nutzen. Komplett verzichtbar ist übri­gens die Kamera, die nicht einmal für Schnapp­schüsse taugt.

Tech­nisch ausge­reif­tere Einfach-Tele­fone gibt es bei anderen Anbie­tern. In einer großen Über­sicht zeigen wir aktu­elle Klapp­handys diverser Hersteller.

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