Analyse

1&1: Genügend Frequenzen für vier Handynetze

Scharfe Kritik aus Monta­baur: Trotz großer Frequenz­port­folios liege Deutsch­land bei der Netz­ver­füg­bar­keit hinter anderen großen euro­päi­schen Ländern zurück.
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Die Gemenge­lage ist kompli­ziert. Es gab einmal vier Netz­betreiber, die sich zu drei Netz­betrei­bern zusam­men­geschlossen hatten. Dabei blieb die gesamte Kunden­zahl aller drei gegen­über vorher vier im Wesent­lichen gleich. Nun gibt es wieder vier Netz­betreiber, die Kunden­zahl hat sich damit kaum geän­dert. Kunden, die Karten bei allen Anbie­tern hatten und jetzt doppelte Verträge/Karten kündigen, dürfte eher über­schaubar sein.

Auktion - Vor- und Nach­teile

Die ausste­hende Frequenz­ver­gabe könnte über eine Auktion erfolgen. Vier Netz­betreiber würden um die Frequenzen "prügeln" und es ist nicht auszu­schließen, dass einer davon nicht ausrei­chend viele Frequenzen bekommt. Er könnte dann bei den Konkur­renten anfragen, ob er noch etwas dazu mieten kann oder er könnte aufgeben - sprich den Betrieb einstellen. 1&1 ist im Dezember 2023 gestartet und hat viel vor 1&1 ist im Dezember 2023 gestartet und hat viel vor
Foto: 1&1
Der einzige Vorteil: Die Auktion wäre rechts­sicher. Es gäbe dabei aber zwei Verlierer: Den Netz­betreiber, der nicht genug bekommen hat und die Kunden, die weiter unter löch­rigen Netzen leiden müssen, weil das für den Ausbau notwen­dige Geld in einer Auktion "verbraten" wurde.

Frequenz­ver­gabe nach Kunden­zahl

Die Bundes­netz­agentur könnte die Frequenzen im Verhältnis der aktu­ellen Kunden­zahl (Verträge, SIM-Karten, anderes Krite­rium?) verteilen. Die Frage bleibt, ob das rechts­sicher möglich wäre. Lang­jäh­rige Rechts­strei­tig­keiten brächten den Kunden keine Vorteile und wären auch teuer.

Die Kunden von 1&1 tele­fonieren und surfen aktuell noch im wesent­lichen im Handy­netz von o2-Telefónica und bald nur noch im Funk­netz von Voda­fone, also auf deren bereits zuge­teilten Frequenzen. Diese Anteile müsste man bei der bevor­ste­henden Frequenz­ver­gabe berück­sich­tigen.

Der Netz­aufbau von 1&1 ist mit großen Verzö­gerungen gestartet und steckt flächen­mäßig noch in den Kinder­schuhen. Das aktu­elle Ziel sind 50 Prozent der Bevöl­kerung selbst zu versorgen. Und danach?

Durch­atmen und koope­rieren

Die etablierten Anbieter könnten tief durch­atmen und in bila­teralen Verträgen dem Neuein­steiger regional notwen­dige Frequenzen vermieten, wobei die Frage zu klären wäre, wie hoch die Miete sein darf. 1&1 bräuchte ja im Moment genau dort Frequenzen, wo sie Bereiche ausbauen wollen, wo die etablierten bislang gar nicht oder nur schlecht versorgen. Lang­fristig werden die Karten neu gemischt.

Mögliche Frequenzen

1&1 kriti­siert die Nicht­nut­zung bestimmter Frequenzen. Auf 1500 MHz ist z.B. nur ein Down­link möglich, für den Uplink müssen andere Frequenzen herhalten. 1500 MHz ist für FWA (Inter­net­zugang daheim über Mobil­funk) inter­essant und da hat 1&1 einiges vor.

Auf 900 MHz könnte eine gemein­same GSM-Netz­gesell­schaft einen Teil der Frequenzen frei­räumen, die mit Segen der Netz­agentur im Auftrag von Telekom, Voda­fone und o2 über­gangs­weise ein gemein­sames GSM-Netz für IoT und eCall-Notrufe anbieten könnte. Bei den etablierten Anbie­tern besteht aber - trotz mehr­facher Nach­frage von teltarif.de - derzeit wenig Neigung, diesen krea­tiven Vorschlag aufzu­greifen. Viel­leicht, weil die notwen­dige Umrüs­tung teuer wäre und das Ende von GSM (2G) ohnehin nur eine Frage der Zeit ist.

Kunde will Flächen­deckung

Der Kunde möchte endlich "flächen­deckendes Netz", also da, wo er lebt, arbeitet, Urlaub macht und insbe­son­dere auf den Wegen dorthin. In anderen Länden arbeiten die Netz­betreiber ohne großes Aufsehen viel inten­siver zusammen und helfen sich gegen­seitig mit Stand­orten, Sende­anlagen (z.B. MOCN oder MORAN) aus. In Frank­reich gibt es wohl eine relativ unbe­kannte staat­liche Netz­gesell­schaft, die abge­legene Regionen selbst versorgt und dann alle Netz­betreiber darin roamen lässt, der Kunde bekommt davon in der Regel nichts mit.

Es wäre an der Zeit, im Inter­esse der Kunden gemein­same Lösungen zu finden. Die Politik wollte vier Netz­betreiber. Das sollten alle Netz­betreiber akzep­tieren und sich zusam­men­raufen. Die Kunden werden früher oder später mit den Füßen abstimmen, welches Netz oder welcher Anbieter für sie "am besten" in Frage kommt.

Zum konkreten Netz­ausbau meldet 1&1 noch nichts, aber aufmerk­same Leser finden viele neue Stationen.

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