Fortschritt

Digitalisierte Schule: Wenn der Lehrer zum Lerncoach wird

Modern und zeit­gemäß: So wünscht man sich den digi­talen Unter­richt an den Schulen. Doch die Realität ist oft eine andere. Es hapert nicht nur an der Technik und schnellem Internet, sondern auch an der Zeit.
Von dpa /

Schule soll digitaler werden Schule soll digitaler werden
Bild: dpa
Bob Blume ist als "Netz­lehrer" auf YouTube unter­wegs. In seinen Erklär­videos geht es um Text­ana­lyse, Goethes Faust, die Komma­regeln oder schlaue Wörter für die Deutsch­klausur. Im echten Leben unter­richtet der 38-Jährige Deutsch, Englisch und Geschichte an einem Gymna­sium in Bühl bei Offen­burg. Als Blogger befasst er sich seit Jahren mit der digi­talen Bildung. Seine Bilanz fällt nicht gut aus. Die Digi­tali­sie­rung stecke nicht nur in Baden-Würt­tem­berg noch in den Kinder­schuhen, sagt er.

Woran es hapert? So ziem­lich an allem, ist sich der Gymna­sial­lehrer, der auch Bücher zu dem Thema geschrieben hat, sicher. "Es geht los bei der Infra­struktur, den fehlenden Endge­räten und den unaus­gereiften Konzepten." Einige Schulen seien aber sicher­lich schon voran­gegangen.

Digi­tale Bildung soll "sehr hohe Prio­rität" bekommen

Schule soll digitaler werden Schule soll digitaler werden
Bild: dpa
Dass es viel zu tun gibt, sieht auch Kultus­minis­terin Susanne Eisen­mann (CDU), die bei der anste­henden Land­tags­wahl am 14. März Minis­ter­prä­sidentin werden will. "Wir haben in dieser Legis­latur­periode vieles in der Bildung ange­packt, da wir zahl­reiche Baustellen und jahr­zehn­telang unge­löste Fragen vorge­funden haben", sagt die CDU-Poli­tikerin. Die digi­tale Bildung habe eine sehr hohe Prio­rität einge­nommen. "Das zeigt sich allein daran, dass wir aktuell so viel Geld wie nie zuvor in die Digi­tali­sie­rung der Schulen inves­tiert haben."

Bei der Ausstat­tung von Geräten würden verschie­dene Programme von Bund und Land greifen. Bis zum Jahres­ende seien knapp 70 Millionen Euro vom Digi­tal­pakt Schule in Baden-Würt­tem­berg bewil­ligt worden, damit seien rund zwölf Prozent der Mittel gebunden. Insge­samt seien etwa 93,5 Millionen Euro von den Schul­trä­gern bean­tragt worden. Rund 1500 Schulen hätten einen Medi­enent­wick­lungs­plan vorge­legt, der zeigen soll, wie die Geräte einge­setzt werden sollen. "Die Zahlen zeigen, dass das Programm langsam an Fahrt gewinnt", sagt Eisen­mann, die als CDU-Spit­zen­kan­didatin weitere 1,5 Milli­arden Euro für den Glas­faser­ausbau verspricht, um auch Schulen ans sehr schnelle Internet anzu­schließen.

Dass die Anträge für die Gelder ein Exper­tentum und viel Zeit bean­spru­chen, kriti­siert nicht nur Blume. In manchen Kommunen werden die Mittel vorge­streckt, um Schüler und Lehrer schneller mit Tablets zu versorgen. Doch nicht jede Stadt verfügt über die nötigen Gelder. Digi­tale Bildung sei auch weit mehr als nur die Beschaf­fung von Endge­räten, sagt Blume. Es gehe eher um multi­mediales Arbeiten, selbst­stän­diges Lernen etwa mit Hilfe von Erklär­videos, die man sich vor dem Unter­richt anschaut und dann kolla­borativ bespricht.

Rolle des Lehrers ist im Umbruch

Nicht nur der Unter­richt ist um Umbruch, auch die Rolle des Pädagogen. Aus Lehrern werden immer mehr Lern­coa­ches, die die Schüler anleiten und den Umgang mit digi­talen Medien vermit­teln. Wie diese nach­haltig um Unter­richt einge­setzt werden können, schaut sich aktuell ein Forschungs­ver­bund des Leibniz-Insti­tuts für Wissens­medien und der Univer­sität Tübingen an. Dafür begleiten die Forscher in Baden-Würt­tem­berg seit drei Jahren 64 Klassen aus 32 Schulen.

Die wich­tigsten Erkennt­nisse bis jetzt: "Schüler empfinden Tablets als Unter­stüt­zung im Unter­richt", sagt Profes­sorin Katha­rina Scheiter, die an der Studie mitar­beitet. Etwa indem man Visua­lisie­rungs­tools für Expe­rimente im Chemie­unter­richt nutze, könne man den Schü­lern beim Erfassen von Unter­richts­stoff helfen. Gerade schwä­chere Schüler profi­tierten davon. Dafür müsse man aber sicher­stellen, dass die Medien richtig genutzt werden. Wie Blume sagt auch die Expertin: Dies sei mindes­tens genauso wichtig wie die tech­nische Ausrüs­tung der Schulen.

"Dass Digital Natives das aus dem Stand heraus können, ist Unsinn", so die Psycho­login. Man müsse den Schü­lern zeigen, was verläss­liche Infor­mationen sind und wie sie ihre Lern­ziele errei­chen können. "Der Lehrer als Coach zeigt wie es geht und gibt Hilfe­stel­lungen." Die Rolle des Lehrers müsse sich ändern, weg vom Infor­mations-Präsen­tator. "Dafür braucht es Fort­bil­dungen und die Wahr­neh­mung dafür, dass es Zeit für eine Ände­rung ist."

Doch Zeit ist genau das, was fehlt, sagt Bob Blume. "Bisher haben vor allem ein paar nerdige Lehrer dafür gesorgt, dass ihre Schulen weiter­kommen." Der Zufall entscheide also. Doch es brauche konkre­tere Rahmen­bedin­gungen, Einzel­kämp­fertum müsse enden. Und man brauche mehr Frei­räume für Fort­bil­dungen.

Netz­lehrer Bob Blume stellt seinen Kanal auf YouTube vor

Mehr zum Thema Schule