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Tausende Menschen demonstrieren für mehr Datenschutz in Berlin

Problem: Geringe Sensibilität der breiten Öffentlichkeit für Datenschutz
Von Martin Müller mit Material der ddp und von AFP

In Berlin haben am Samstagnachmittag mehrere Tausend Menschen gegen die ihrer Ansicht nach ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat demonstriert. Zu der Großdemonstration hatte ein breites Bündnis aus Bürgerrechtlern, Parteien, Datenschützern und Gewerkschaften aufgerufen. Die Veranstalter sprachen von "weit über 20 000" Teilnehmern, die Polizei von unter 5 000. Die Protestveranstaltung stand unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn", wie die Veranstalter mitteilten. Nach Veranstalterangaben bewegte sich am Nachmittag ein bunter Lindwurm durch die Mitte Berlins. Die Teilnehmer riefen Parolen wie "Einmal in der EDV - kennt deine Daten jede Sau" oder "Daten auf Vorrat - Täter auf Abruf".

Prominente fordern mehr Datenschutz und Verfassungsbewusstsein von Politik und Groß-Unternehmen

Demonstration für mehr Datenschutz in Berlin Teilnehmer einer Demonstration gegen Überwachung durch den Staat versammeln sich auf dem Potsdamer Platz in Berlin
Bild: dpa
Zahlreiche prominente Redner aus Politik und Gesellschaft sprachen zu Beginn und zum Ende der Veranstaltung in Berlin. Der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, sagte, Überwachung und Bespitzelung seien für die Arbeitnehmer inzwischen Wirklichkeit geworden. In Staat, Wirtschaft und Arbeitswelt sei der "Kontrollwahn" ausgebrochen. In vielen Vorstandsetagen fehle jegliches Unrechtsbewusstsein, kritisierte der Gewerkschaftschef und nannte unter anderem die Unternehmen Lidl, Schlecker, Deutsche Telekom Deutsche Bahn. Auch Journalisten und Gewerkschafter würden überwacht. Es könne nicht zugelassen werden, dass "Bürgerrechte mit Füßen getreten" werden. Nachhilfe in Sachen Datenschutz brauche offensichtlich auch der Staat, der eigentlich die Standards vorgeben müsste, fügte Bsirske hinzu.

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: "Der Überwachungswahn der Bundesregierung verdient eine klare Absage und muss in zwei Wochen abgewählt werden. Bürgerrechte brauchen eine starke Stimme, und die gibt es nur mit uns Grünen." Weitere namhafte Politiker waren nicht unter den Rednern in Berlin.

Der Präsident der internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, bescheinigte der Regierung ein "katastrophales Verfassungsbewusstsein". Sie überzögen das Land mit "grundgesetzwidrigen Antiterrorgesetzen", die auf Kosten der Freiheit gingen, sagte er laut Redetext. Vor allem die de facto Aufhebung des Trennungsgebotes von Geheimdiensten und Polizei drohe den demokratischen Rechtsstaat "trotz der bitteren Erfahrungen mit der Gestapo der Nazizeit" zu einem "präventiv-autoritären Sicherheitsstaat" zu verwandeln.

Problem: Geringe Sensibilität für Datenschutzbelange in der breiten Öffentlichkeit

Die Demonstration ist nach Veranstalterangaben Teil eines internationalen Aktionstages, an dem weltweit Proteste stattfinden sollten. Aufgerufen zu dem Berliner Aufzug hatte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Unterstützt wurde der Aufruf der Bürgerrechtler von Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbänden sowie Attac und dem Chaos Computer Club.

Für Millionen Bürger könne dieses Thema bei der Bundestagswahl entscheidend sein, sagte ein Sprecher der Veranstalter. Viele Politiker hätten noch nicht begriffen, dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei.

Übrigens: teltarif.de hat gestern eine Serie zur Bundestags-Wahl Ende September gestartet und vergleicht in einem ersten Artikel die Positionen der Parteien zum Thema Privatkopie und Urheberrecht.

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