DAB+ in Europa

DAB+ in Europa: Auch im Jahr 2021 noch Flickenteppich

Während sich UKW zum Welt­stan­dard entwi­ckelt hatte und es kein Land auf der Erde gibt, in dem man im analogen Band nur Rauschen empfängt, wird das digital-terres­tri­sche Radio DAB+ nur in ausge­wählten Regionen eine Rolle spielen. Selbst in Europa gibt es einen Flicken­tep­pich. Eine Bestands­auf­nahme.
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DAB+ soll mittel­fristig den UKW-Hörfunk ablösen. So tönt es immer wieder von den Marke­ting­gesell­schaften - zumin­dest in den Ländern, in denen es bereits gut mit dem digi­talen Radio läuft.

Doch schon jetzt dürfte klar sein: Während sich UKW zum Welt­stan­dard entwi­ckelt hat und es kein Land auf der Erde gibt, in dem man im analogen Band nur Rauschen empfängt, wird sich DAB+ nur in ausge­wählten Märkten durch­setzen.

In Nord­ame­rika wird mit HD Radio ein anderer Stan­dard für das digi­tale Anten­nen­radio verwendet, Asien setzt zuneh­mend auf die Tech­nolo­gien DRM und DRM+ und selbst in Europa ist das Digi­tal­radio der reinste Flicken­tep­pich.

Tops und Flops

Das Digitalradio DAB+ ist auch 2021 ein Flickenteppich in Europa Das Digitalradio DAB+ ist auch 2021 ein Flickenteppich in Europa
Foto: Sahaga
Da gibt es die Länder, in denen das Radio schon heute weit mehr über DAB+ als über UKW konsu­miert wird und die bereits die großen UKW-Ketten abge­schaltet haben (Norwegen) oder bis 2023 sogar den kompletten Ausstieg aus der analogen Terre­strik planen (Schweiz).

Da sind viele Länder, in denen der digi­tale Hörfunk bereits eine wich­tige oder gar heraus­ragende Rolle spielt. Dazu gehören neben Groß­bri­tan­nien, Italien, Däne­mark, Frank­reich, Belgien oder die Nieder­lande inzwi­schen auch Deutsch­land. Hier­zulande wurden bereits über 17 Millionen Geräte verkauft, seit Jahres­beginn und bis Ende Mai 2021 gingen weitere 756.000 DAB+-Radios über den Laden­tisch. Nach diesen Angaben entspricht das einer Stei­gerung zum Vorjah­res­zeit­raum von 6,5 Prozent. In Autos hört bereits jeder vierte Deut­sche Radio über DAB+. Frei­lich trägt auch die seit Ende 2020 verhängte Digi­tal­radio­pflicht in der EU zu diesen Stei­gerungs­raten bei. Jedes Auto­radio und jedes statio­näre Gerät, das den Sender­namen anzeigen kann, muss verpflich­tend mit DAB+ ausge­stattet sein.

Doch schon inner­halb der EU zeigen sich gravie­rende Unter­schiede: So dürfen beispiels­weise auch in Irland und Ungarn nur noch Radios mit DAB+ verkauft werden. Zu hören gibt es damit aber nichts digi­tales mehr, denn in beiden Ländern wurden die DAB+-Sender mangels Hörer oder aus finan­ziellen Gründen (öffent­lich-recht­licher Rund­funk RTE in Irland) wieder abge­schaltet.

Dann gibt es eine Reihe von Ländern, in denen es zwar seit Jahren regu­läre DAB+-Ausstrah­lungen im Regel­betrieb gibt, aller­dings nur mit begrenzter tech­nischer Reich­weite (Slowakei) oder solche, in denen Sender­netze im Probe­betrieb verharren, mit kaum mess­barer Hörer­schaft (Rumä­nien). Andere Länder wie Portugal, Estland, Finn­land oder Lett­land hatten nach erfolgten Test­aus­strah­lungen den Start eines Regel­betriebs abge­lehnt. Sie bleiben beim altein­geses­senen UKW-Hörfunk. In wiederum anderen Ländern verhin­dern Regie­rungen den Umstieg von UKW auf DAB+ - Beispiel Spanien.

DAB+ wird nur mit Marke­ting und breiten Schul­ter­schlüssen erfolg­reich

Dabei liegen die Vorteile von DAB+ auf der Hand: Viel größeres terres­tri­sches Programm­angebot ohne Zusatz­kosten wie Inter­net­gebühren, rausch­freier Empfang und die Möglich­keit, Zusatz­infor­mationen in Text und Bild zu über­tragen.

In allen Ländern, in denen DAB+ ein Erfolg ist, hat sich jedoch gezeigt, dass der digital-terres­tri­sche Hörfunk nur mit umfang­rei­chen Inves­titionen ins Marke­ting und einem breiten Schul­ter­schluss aus Politik, Programm­ver­anstal­tern, Medi­enbe­hörden und der Gerä­tein­dus­trie ein Erfolg werden kann.

Von sich aus sehen die meisten Radio­hörer keine Notwen­dig­keit für einen Umstieg. Sie müssen über­zeugt werden. Dort, wo dies nicht geschieht, bleibt DAB+ hinter seinen Möglich­keiten zurück, die Hörer­schaft verharrt auf UKW oder nutzt inter­net­basierte Wege.

Immer mehr Konsu­menten nutzen Smart­phone für Audio

Frei­lich trägt zu diesem Dilemma auch bei, dass immer mehr Menschen Audio­inhalte über ihr Smart­phone konsu­mieren. Das Inter­net­radio hat sich dabei - anders als DAB+ - als digi­taler Welt­stan­dard etabliert. In fast allen Ländern welt­weit kann man inzwi­schen Radio auch mobil über Internet empfangen. Laut dem Forschungs­pro­jekt "On Track –Studien zu Audio und Mobi­lität" der Landes­anstalt für Medien NRW in Koope­ration mit dem VAUNET – Verband Privater Medien, der RTL Radio Deutsch­land GmbH und dem MedienNetzwerkBayern, nutzen inzwi­schen 75 Prozent der Befragten auch ihr Smart­phone für inter­net­basierte Audio-Inhalte - neben Webradio auch Podcasts und Musik­strea­ming.

Ist DAB+ demnach nur die oft beschrie­bene Brücken­tech­nologie, bis der Audio­konsum irgend­wann komplett IP-basiert statt­findet? Möglich ist es. Bis es aber soweit ist, wird die digi­tale Zwei-Klassen-Gesell­schaft in Europa weiter­gehen. In den etablierten Märkten wird DAB+ weiteres Wachstum erlangen, mögli­cher­weise wird in noch mehr Ländern nach Norwegen und der Schweiz der UKW-Ausstieg zele­briert werden. Andere Länder werden DAB+ nicht einführen, beharren auf UKW oder setzen gleich auf eine reine Zukunft im Internet.

Einer großen Rolle kommen also in Zukunft Mult­iband-Empfänger zu, die alle rele­vanten Wege - UKW, DAB+ und auch Inter­net­radio - empfangen. Nur mit solchen Geräten ist gewähr­leistet, dass überall in Europa auch in Zukunft Radio­konsum möglich ist.

Ab Sommer bekommen neue Digi­tal­radio-Modelle eine gemein­same Sender­liste für UKW und DAB+.

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