Das TV-Vermächtnis von Silvio Berlusconi
Im Jahr 1984 startete in Deutschland der Musiksender "musicbox" im Rahmen des Kabel-Pilotprojekts. Wirklich lange überlebte der Kanal nicht, schon 1988 war Sendeschluss. Die Lichter gingen allerdings damals nicht komplett aus. Es gab einen neuen Anteilseigner, von dem man in den kommenden Jahrzehnten noch viel hören sollte. Der italienische Medienmanager Silvio Berlusconi stieg bei musicbox ein und relaunchte den Sender als Unterhaltungskanal unter dem Namen "Tele 5".
Das Senderlogo mit der charakteristischen Blume war ein unvergessliches Markenzeichen. Es prägte ebenfalls den italienischen Mediaset-Konzern und insbesondere seinen Sender Canale 5. Schon damals legte Berlusconi den Grundstein für eine europäische Mediengruppe, die nun endlich Realität werden soll.
TV-Konzern startete in Deutschland
Mit einem Plakat an der Firmenzentrale in Cologno Monzese verabschiedet sich MFE von Gründer Silvio Berlusconi
Foto: Corriere della Sera
An Pay-TV und Streaming war in den 1980er-Jahren noch nicht zu denken. Die damals gegründeten Privatsender Sat.1, RTL plus und Pro 7 wagten ihre ersten vorsichtigen Schritte im Kabelnetz. Über den Satelliten ASTRA 1A konnten Haushalte hierzulande erstmals Fernsehen über eine kleine, fest installierte Satellitenschüssel empfangen. Tele 5 gelang damals aber ein wichtiger Coup: Im für den Sender wichtigen, weil einwohnerstarken Bundesland NRW, sicherte man sich eine gemeinsame Antennenfrequenz mit RTL plus.
Durch Tele 5 schafften es schließlich viele Kultshows wie die Kindersendung "Bim Bam Bino", "Ruck Zuck", "Bitte lächeln" und "Hopp oder Top" in deutsche Wohnzimmer. Wer vor allem seine Kindheit und frühe Jugend in den 1980ern verbracht hat, wird sich vermutlich noch wehmütig an die Samstagvormittag-Zeichentrickserien bei Tele 5 erinnern. Auch die erreichten letztendlich Kultstatus.
Im ersten Anlauf gescheitert
Der starke Mann im deutschen Privatfernsehen wurde aber am Ende nicht Silvio Berlusconi, sondern Leo Kirch. Der Münchener Filmhändler baute neben RTL das zweite große Medienimperium in Deutschland auf. Doch Kirch war stets der Antagonist zu Berlusconi, eine europäische TV-Vision gab es in München nie, vielmehr waren Sender wie Pro 7, Sat.1 oder später das digitale Pay-TV-Projekt DF1 in erster Linie Abspielstationen für das Filmarchiv der Kirch-Gruppe.
Im Heimatmarkt Italien lief es für Berlusconi schon deutlich besser, seine TV-Gruppe schaffte es seit Beginn der 1980er-Jahre, den dortigen TV-Markt zu dominieren. Berlusconi war allerdings schon immer klar, dass die Grenzen von Mediaset nicht in Italien liegen können. So gab es immer wieder Ansätze, durch Beteiligungen im Ausland zu wachsen. Beispiele sind der Einstieg beim spanischen TV-Broadcaster Telecinco und der niederländischen Produktionsfirma Endemol.
Deutschland bleibt im Fokus
Silvio Berlusconi hat es zu Lebzeiten als Medienmanager selbst nicht geschafft, die Vision eines europäischen TV-Konzerns zu vollenden. Doch sein Sohn ist dem Ziel nun näher als je zuvor. Für MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi dürfte es aber um viel mehr als eine Vision gehen.
Die europäische TV-Branche kämpft ums nackte Überleben, denn heute heißt der Gegner nicht mehr Kirch oder RTL. Mittlerweile sind die Konkurrenten Disney, Netflix und Amazon. Und diese Konzerne interessieren sich längst nicht für willkürliche Grenzziehungen oder gar nationale politische Machtdemonstrationen in der europäischen TV-Landschaft.
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