Digitalisierung

Dicke Wälzer adé: App holt Handbuch fürs Auto aufs Handy

Mal ehrlich: Wie oft haben Sie schon in die Bedienungsanleitung Ihres Autos geschaut? Diese Bücher werden millionenfach gedruckt, aber selten gelesen. Reine Platzverschwendung im Handschuhfach, sagen Kritiker. Zumal digitale Alternativen viel schlauer sein können.
Von dpa / Marleen Frontzeck-Hornke

App holt Handbuch aufs Handy App holt Handbuch aufs Handy
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Wer ein Smartphone kauft, der kennt das schon: Auf einem kleinen Beipackzettel steht die Kurzanleitung. Ein ausführliches Handbuch gibt es nur zum Download im Internet. So weit wollen die Autobauer zwar noch nicht gehen. Doch auch sie sehen die Bedienungsanleitung auf Papier als Auslaufmodell. Denn oft fristet der dicke Wälzer ungelesen sein Dasein im Handschuhfach und nimmt nur Platz weg, sagt Opel-Sprecher Partick Munsch.

Schon seit geraumer Zeit liegen neuen Autos DVDs mit digitalen Anleitungen bei, die man sich auf dem Rechner anschauen kann. Außerdem haben Marken wie Mercedes oder BMW die Handbücher in ihre Infotainmentsysteme integriert. Statt lange in einem Buch zu suchen, kann man dort - sicherheitshalber nur im Stand - auf dem Monitor wichtige Schalter antippen und sich deren Funktion erklären lassen.

App holt Handbuch aufs Handy

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Bei Opel gibt es seit der Modellpflege für das Flaggschiff Insignia Ende vergangenen Jahres eine App, die das Handbuch aufs Handy holt - und noch mehr kann. Dazu richtet man die Smartphone-Kamera auf ein Bauteil im oder am Auto, zu dem man Fragen hat. "Die Software erkennt das Bauteil und bietet auf einen Fingertipp die Erklärung zu Funktion oder Bedienung", sagt Markus Sternberg von Opel. Auch Service-Arbeiten wie das Ölstand-Messen verlieren so ihren Schrecken, verspricht er: "Einfach das Handy in den Insignia-Motorraum halten, schon zeigt einem die MyOpelManual-App den Peilstab, den Nachfüllstutzen und das entsprechende Kapitel aus dem Handbuch."

Ähnliche Software gibt es bei Audi als "eKurzinfo App" für Modelle wie den A1 und den A3. Diese App erkennt rund 300 verschiedene Objekte im Wagen, darunter Bedienfunktionen, Kontrollleuchten und Fahrerhinweise, erläutert der Ingolstädter Hersteller. Außerdem gibt es wie bei Opel eine Suche im Motorraum: Ein roter Pfeil im Livebild zeigt dem Nutzer an, wo sich Motoröl und Scheibenwaschwasser, oder auch Kühl- und Bremsflüssigkeit befinden. Die App soll das gedruckte Handbuch nicht ersetzen, sondern ergänzen, erklärt Sebastian Schillinger, der die Software binnen drei Jahren entwickelt hat: "Sie bietet einen Mehrwert, der mit einem Buch nicht zu erreichen ist."

Volkswagen tüftelt an einer digitalen Alternative

Auch Volkswagen hält am Buch im Handschuhfach fest, tüftelt aber an digitalen Alternativen. Dazu zählt der Aufbau einer Online-Datenbank mit Anleitungen für viele Modelle. Auf der Hersteller-Homepage können VW-Halter per Identifikationsnummer ihres Fahrzeugs alle Funktionen von Antrieb oder Infotainment studieren und vor allem komfortabler suchen als im Papierhandbuch, heißt es am Firmensitz in Wolfsburg.

Der nächste Schritt in der digitalen Offensive bei Opel ist ein soziales Netzwerk für Opel-Fahrer, kündigt Sternberg an, der als Exekutivdirektor für alle Belange des Kundenservice zuständig ist. Außerdem soll es mit neuen Online-Diensten wie "OnStar" bei Opel oder "Mercedes Me" für Mercedes-Besitzer interaktive Wartungshinweise oder vorausschauend Werkstatt-Termine passend zum jeweiligen Auto geben. Komplett entbehrlich ist die klassische Bedienungsanleitung übrigens noch gar nicht, sagt Sternberg: "Wegen der gesetzlichen Bestimmungen müssen wir sie die nächsten Jahre auch weiter ins Handschuhfach legen."

Trend geht klar zur Digitalisierung

Trotzdem: Der Trend geht klar zur Digitalisierung. In den USA legt der Hyundai beispielsweise seinem dortigen Flaggschiff Equus statt einer gedruckten Bedienungsanleitung ein Tablet mit allen entsprechenden Inhalten bei.

Anderswo wird das literarische Werk noch immer huldvoll kultiviert, etwa bei der britischen Nobelmarke Rolls-Royce. Das Unternehmen legt nicht nur unterschiedliche Ausgaben für Fahrzeughalter und Chauffeur auf, sondern bindet die Anleitungen auch in so feines Leder, dass sie ein Hingucker im Bücherregal sein können - und es vielleicht so aus den dunklen Tiefen des Handschuhfachs heraus schaffen.

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