Urteil

Verfassungsrichter kippen Einsatz von Wahlcomputern

Bundestagswahl 2005 bleibt trotzdem rechtskräftig
Von AFP / ddp / Steffen Herget

Der Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe entschieden. Der Bundestag muss deswegen aber nicht aufgelöst werden. Grundsätzlich hält das Gericht die Verwendung von Wahlcomputern zwar für möglich, es setzte dafür aber hohe Hürden.

In der Verhandlung Ende Oktober hatte das Gericht von Anfang an deutlich gemacht, dass die Klage wohl große Aussicht auf Erfolg hat. So verwies etwa Richter Rudolf Mellinghoff auf ein TV-Ereignis, das in den Niederlande für Furore sorgte und dort Wahlcomputern den Garaus machte: Der Hersteller, die "Nederlandsche Apparatenfabriek" (Nedap), deren Modelle ESD 1 und ESD 2 auch in Deutschland eingesetzt wurden, hatte Hacker aufgefordert, die Zuverlässigkeit ihrer Maschinen auf die Probe zu stellen. Ohne Kenntnis des von der Firma geheim gehaltenen Quellcodes schrieben diese ein Steuerprogramm zum Manipulieren von Wahlergebnissen auf zwei handelsübliche Rom-Speicher und führten im Fernsehstudio vor, wie sie die Bauteile im Wahlcomputer austauschten.

Die Demonstration war so niederschmetternd, dass laut Mellinghoff in den Niederlanden vorerst wieder mit Wahlzetteln abgestimmt werden muss, weil die Wahlcomputer einer Kommission zufolge "den Grundanforderungen an einen demokratischen Wahlprozess nicht genügen".

Die wesentlichen Schritte der "Wahlhandlung" - also der Stimmabgabe - und der Ergebnisermittlung müssten "vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können", heißt es in dem Urteil. Die bei der Bundestagswahl 2005 eingesetzten rechnergesteuerten Geräte hätten diesen Anforderungen nicht entsprochen. Damit sei der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verletzt worden.

Neuwahl steht nicht zur Debatte

Dies führe jedoch nicht zur Auflösung des Bundestages, da der Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung den Wahlfehler überwiege. Es gebe zudem keine Hinweise darauf, dass Wahlgeräte fehlerhaft funktioniert hätten oder manipuliert worden sein könnten.

Die Richter betonten jedoch auch, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, dass das Bundeswahlgesetz den Einsatz von Wahlgeräten zulässt. Das Gericht sei nicht "technikfeindlich" und verkenne auch nicht die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, sagte Gerichtsvizepräsident Andreas Voßkuhle. Selbst "Internet-Wahlen" sei mit diesem Urteil "kein endgültiger verfassungsrechtlicher Riegel" vorgeschoben.

Rund zwei Millionen Wähler hatten bei der Bundestagswahl 2005 nicht mit Stift und Stimmzettel gewählt, sondern ihr Votum per Wahlcomputer abgegeben. Die elektronischen Wahlgeräte waren bundesweit in 39 der 299 Wahlkreise eingesetzt, und zwar in den Bundesländern Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Der Zweite Senat urteilte über Wahlprüfungsbeschwerden des Informatikers Ulrich Wiesner und seines Vaters, des Politikwissenschaftlers Joachim Wiesner, gegen die Bundestagswahl 2005.

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