Interview

Kabel Deutschland: "Breitband-Internet beginnt jenseits von DSL"

teltarif.de im Gespräch mit Lorenz Glatz und Dr. Andreas Siemen
Von Björn Brodersen

Die Kabelnetz-Betreiber in Deutschland sind spät in den deutschen Breitband-Markt gestartet. Vielleicht sogar zu spät? Trotz attraktiver Flatrate-Pakete mit hohen Bandbreiten und vergleichsweise günstigen Grundpreisen bleibt die Zahl der Breitband-Anschlüsse über das Fernsehkabel weit hinter der Zahl der geschalteten DSL-Anschlüsse zurück, und inzwischen nimmt die Zahl der neu geschalteten Breitband-Anschlüsse in Deutschland sogar wieder langsam ab. Wir haben mit Lorenz Glatz, Chief Technology Officer von Kabel Deutschland (KDG), und Dr. Andreas Siemen, zuständig für das Corporate Development bei dem größten deutschen Kabelnetz-Betreiber, über die Möglichkeiten und Chancen des Kabel-Internets in Deutschland gesprochen.

Herr Glatz: Wo beginnt für Sie heute "Breitband"?

Lorenz Glatz, Chief Technology Officer (CTO) Kabel Deutschland
Lorenz Glatz: Lassen Sie es mich provokativ ausdrücken: Für mich beginnt Breitband-Internet jenseits von DSL. Das mag im ersten Moment erstaunlich klingen, denn für viele Anwender ist DSL noch immer das Synonym für schnelles Internet. Kabel-Internet ist aber bereits jetzt in der Lage, bis zu doppelt so hohe Downloadgeschwindigkeiten wie übliche DSL-Angebote von 16 MBit/s zu liefern. Unsere Kunden schätzen das: Denn mehr als 50 Prozent nutzen Kabel-Internet-Produkte mit Bandbreiten von mehr als 16 MBit/s. In Zukunft können wir - falls erforderlich - sogar Geschwindigkeiten im drei- und vierstelligen Bereich bieten. Deshalb bin ich der Meinung: DSL ist heute, was die Wählleitungsverbindungen vor ein paar Jahren waren: veraltete Technologie. Die Zukunft liegt beim Kabel.

Unter den mehr als 20 Millionen Breitband-Internetanschlüssen in Deutschland dominiert aber die DSL-Technologie. Zweieinhalb Jahre nach der Einführung zählt Kabel Deutschland dagegen bei neun Millionen Gesamtkunden in 13 Bundesländern nur 524 000 Internet- und Telefon-Kunden. Trauen die Nutzer dem Internetzugang übers Fernsehkabel nicht?

Dr. Andreas Siemen: Ganz im Gegenteil, die Nutzer haben sogar sehr großes Vertrauen in unsere leistungsfähigen und günstigen Produkte: Überall dort, wo wir vermarkten können, gewinnen wir ein Drittel der Kunden. Wir führen mittlerweile über 1 000 Kabel-Internet- und -Phone-Installationen pro Tag durch. Darüber hinaus punkten wir bei der Kundenzufriedenheit. Der Erfolg der letzten drei Jahre bestätigt das große Vertrauen unserer Kabel-Internet- und -Phone-Kunden. Wir sind stolz, dass wir die Gesamtzahl der Kabel-Internet- und -Phone-Abonnements zum 30. Juni 2008 auf 935 000 Einheiten steigern konnten. Das entspricht einem Wachstum von 142 Prozent, ist also mehr als eine Verdoppelung. Diese Bilanz ist umso beeindruckender, wenn man sich überlegt, dass wir erst im Oktober 2005 mit der großflächigen Vermarktung von Kabel-Internet- und -Phone beginnen konnten. Wir haben innerhalb von nur drei Jahren dafür gesorgt, dass Breitband-Internet über das TV-Kabel zu einer echten Alternative zu DSL wurde. Kabel-Internet hat mittlerweile einen Marktanteil von sechs Prozent in Deutschland.

Was sind denn die konkreten Vorteile des Koaxialkabels gegenüber anderen Breitband-Zugangsarten?

Lorenz Glatz: Das Kabelnetz verfügt über eine maximale Bandbreite von bis zu 862 MHz - das entspricht bis zu 5 GBit/s. VDSL2 hingegen kann nur auf 30 MHz beziehungsweise 0,1 GBit/s zurückgreifen. Kabel-Internet bietet beispielsweise schon jetzt Bandbreiten von bis zu 32 MBit/s. Wir haben außerdem kürzlich bei einem erfolgreichen 100-MBit/s-Test in Hamburg bewiesen, dass wir bereits in naher Zukunft Geschwindigkeiten im dreistelligen Bereich anbieten können – falls die Nachfrage im Markt entsprechend ist. Dies ist besonders interessant, wenn man bedenkt, dass sich die Datenmengen sukzessive erhöhen werden, beispielsweise beim Herunterladen von Software-Updates oder Filmen in HD-Qualität. Wenn eines Tages höhere Downloadgeschwindigkeiten verlangt werden, wird Kabel Deutschland auf einfache Art und Weise in der Lage sein, seinen Kunden die erforderlichen Bandbreiten anzubieten. Denn aufgrund der überlegenen Kabelinfrastruktur ist es möglich, mit relativ geringen Investitionen höhere und vor allem gesicherte Bandbreiten zu bieten.

Aber auch das TV-Kabel ist wie etwa DSL ein Shared Medium, d.h. der Internetnutzer muss sich die auf dem Backbone verfügbare Bandbreite mit anderen Nutzern teilen. Wie sieht es mit den tatsächlich für den Kunden bereit stehenden Datenübertragungsraten aus, beispielsweise zu Peak-Zeiten oder bei größerer Distanz zur Vermittlungsstelle?

Lorenz Glatz: In der Tat spricht man im Backbone-Bereich bei allen Technologien der letzten Meile jeweils von einem Shared Medium. Im TV-Kabel ist dies - im Gegensatz zu DSL - auch in der letzten Meile der Fall, jedoch bei wesentlich höheren Bandbreiten. Allerdings kommt es bei der Kabelinfrastruktur - im Unterschied zu DSL - nicht zu Bandbreitenverlusten aufgrund der Leitungslänge oder -qualität. Die von den Kunden gebuchte Bandbreite ist für jeden aufgerüsteten Kabelhaushalt verfügbar – unabhängig von der Entfernung zum letzten Verstärkerpunkt. Außerdem ist die Bandbreite der Internet-Anschlüsse über das TV-Kabel allein für das Surfen im Internet reserviert und muss nicht fürs Fernsehen aufgewendet werden. Bei DSL-Anschlüssen müssen sich IPTV und Internet die gebuchte Bandbreite bei gleichzeitiger Nutzung teilen, so dass zum Beispiel für Internet-Anwendungen in der Regel nicht die maximale Bandbreite verfügbar ist. Grundsätzlich ist unsere Infrastruktur darauf ausgelegt und dimensioniert, allen Kunden jederzeit die volle Bandbreite zu liefern.

Dennoch erreichen uns immer wieder auch Beschwerden von Kabel-Internet-Nutzern, die über Mängel der Gesprächsqualität oder der Internetverbindung klagen. Was sind mögliche Ursachen für solche Probleme?

Lorenz Glatz: Wenn Kunden im Einzelfall über Probleme berichten, ist die Ursache dafür meist außerhalb unserer Infrastruktur zu finden. So sind bei Ferngesprächen beispielsweise verschiedene, externe Anbieter eingebunden. Deshalb optimieren wir zusammen mit unseren Partnern laufend die Prozesse. Ein weiterer Aspekt: Wenn unsere Kunden beispielsweise in den Abendstunden auf überlastete Websites beziehungsweise Server zugreifen, kann es zu individuellen Schwankungen bei der Geschwindigkeit kommen. Darauf haben wir allerdings keinen Einfluss. Außerdem kann es vorkommen, dass die Ursache für einzelne Schwierigkeiten in der Netzebene 4 zu finden ist, zum Beispiel aufgrund einer noch nicht aktualisierten Hausverkabelung. Diese lassen sich aber rasch zuordnen und lösen.

Die Deutsche Telekom bietet in ihrem VDSL-Netz Datenübertragungsraten von bis zu 50 MBit/s im Downstream an. Anscheinend können Sie diesen Wert überbieten, warum tun Sie es nicht?

Dr. Andreas Siemen: Wir bieten mit unserem bis zu 32 MBit/s schnellen Paket Deluxe bereits jetzt doppelt so hohe Geschwindigkeiten wie gängige DSL-Angebote mit bis zu 16 MBit/s. Diese Werte sind in allen für Kabel-Internet- und -Phone aufgerüsteten Gebieten verfügbar und nicht nur - wie bei der Deutschen Telekom - in großen Ballungsgebieten. Unsere Infrastruktur hat noch viel Potenzial. Deshalb werden wir die Werte von VDSL in naher Zukunft weit überbieten. Genauer gesagt sind wir schon heute in der Lage, Bandbreiten im dreistelligen Bereich zu liefern – das hat ein entsprechender Feldversuch in Hamburg bereits bewiesen. Der Test basierte auf dem neuen Standard für Kabel-Internet DOCSIS 3.0 (Data Over Cable Service Interface Specification).

Weitere Interviews