Planung

Glasfaser nach Plan: Was macht der Telekom-Linienplaner?

Die Telekom baut immer mehr Glasfaser in die Häuser. FTTC dient als Zwischenschritt zur Zukunft. Manchmal werden sogar ehemalige Wettbewerbernetze übernommen.
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Kupfer ist ein Rohstoff und wird recyclelt. Alte durchgesägte Kupferkabel warten auf eine neue Zukunft. Kupfer ist ein Rohstoff und wird recyclelt. Alte durchgesägte Kupferkabel warten auf eine neue Zukunft.
Foto: Deutsche Telekom
Wenn die Telekom Glasfasern zu ihren Kunden verlegen will, ist eine präzise Planung notwendig. Einer von vielen Spezialisten heißt Wladimir Bolt. Er arbeitet in Kassel-Lohfelden.

Glasfaser ist die Zukunft - aber Kupfer bleibt noch im Spiel

Kupfer ist ein Rohstoff und wird recyclelt. Alte durchgesägte Kupferkabel warten auf eine neue Zukunft. Kupfer ist ein Rohstoff und wird recyclelt. Alte durchgesägte Kupferkabel warten auf eine neue Zukunft.
Foto: Deutsche Telekom
Wer ihn besuchen will, kommt an einem Container vorbei. Darin liegen armdicke Kabelreste. Kabelstücke mit bis zu 2000 Kupferdoppeladern, die muss man durchsägen, um sie aus dem Netz herausnehmen zu können. Daneben lagern riesige Trommeln mit Leerrohren ("Gartenschläuche") für den Glasfaserausbau. So eine Trommel kann rund drei Meter Durchmesser haben. Daneben viele kleinere Trommeln mit Glasfaserkabeln für den Ausbau bis an die Häuser der Kunden.

Der Linienplaner

Linienplaner bei der Deutschen Telekom: Wladimir Bolt Linienplaner bei der Deutschen Telekom: Wladimir Bolt
Foto: Deutsche Telekom
Das Gebäude der Deutschen Telekom ist aus rotem Ziegelstein. Darin arbeitet Wladimir Bolt, von Beruf "Glasfaser-Linienplaner" mit sieben Kollegen. Bolt plant für den Main-Tauber-Kreis in Baden-Württemberg, also etwa 250 km von Kassel entfernt. "Dort fiel vor einem Jahr die Entscheidung für die Telekom und dann der Startschuss für den Glasfaserausbau für Haushalte, Schulen und Betriebe." Bolt ist 27 Jahre alt. Er stieg 2009 als Auszubildender zum IT-Systemkaufmann bei der Deutschen Telekom ein.

Demonstration einer Abzweigung

Mit diesem "Kugeldreieck" können vergrabene Glasfaserabzweigungen später wieder gefunden werden. Mit diesem "Kugeldreieck" können vergrabene Glasfaserabzweigungen später wieder gefunden werden.
Foto: Deutsche Telekom
In Lohfelden haben seine Telekom-Kollegen ein Demonstrations-Modell für FTTH gebaut, womit sie Mitarbeitern von Tiefbaufirmen zeigen können, wie so eine Abzweigung zu den Häusern aussieht und wie diese verlegt werden muss. In der orangenen Kugel befindet sich eine Vorrichtung, mit der die Leitung später geortet werden kann, nachdem die Baugrube verschlossen wurde. Das ist wichtig, falls sich Kunden erst später für einen Anschluss entscheiden sollten.

Bolt organisiert alles, damit die Glasfaser fristgerecht verlegt werden kann. Im Ausbaugebiet sollen alleine 84 Schulen oder andere Bildungseinrichtungen direkt versorgt werden. Bis Ende des Jahres sollen rund 98 Prozent der Haushalte und Unternehmen im Ausbaugebiet mit Bandbreiten von mindestens 50 MBit/s versorgt werden. Dazu verlegen die Techniker 790 Kilometer Glasfaserkabel und bauen noch über 70 zusätzliche Kabelverzweiger auf – teils gefördert, teils in Eigenleistung. Teilweise werden die Glasfasern wirklich in die Haushalte hinein führen, dann spricht man von FTTH (Fiber to the Home). Teilweise geht die Glasfaser nur bis zu den Verteilerkästen an der Straße, dann nennt man das FTTC (Fiber to the Curb - Bordsteinkante). Bei FTTC laufen die letzten Meter weiter über Kupfer, aber mit schnellerem Vectoring, das aktuell bis zu 100 MBit/s und künftig bis zu 250 MBit/s schaffen kann. Bevor die Techniker vor Ort bauen können, brauchen sie viel Unterstützung aus der Ferne.

Es geht um Biber, Bohrer und Bescheide

Multifunktionsgehäuse am Straßenrand Multifunktionsgehäuse am Straßenrand
Foto: Deutsche Telekom
Linienplaner wie Bolt müssen sich um jedes Detail kümmern. Das geht in der Vermittlungsstelle los. Anhand von Ausbaukarten und einer Bestandsaufnahme muss das Ausbaugebiet analysiert werden. Wo kann die Glasfaser verlegt werden? Wo gibt es echte Hindernisse wie beispielsweise ein Eisenbahngleis? Liegen irgendwo vielleicht schon Leerrohre? Was ist die zum Gelände passende und kostengünstigste Ausbauart? Das könnte Trenching (Auffräsen der Straße mit einer Art Säge) oder eine Spülbohrung (unter einer Straße quer drunter durch), ein Kabelpflug (über eine Wiese) oder echter Tiefbau - sprich Buddeln - sein. Planer wie Bolt legen fest, wo neue Multifunktionsgehäuse aufgebaut werden müssen. Bis wohin soll die Glasfaser laufen? Bestehende Verteilerkästen ("Kabelverzweiger") bekommen ein neues Multifunktionsgehäuse übergestülpt, wie man einen Hut aufzieht. Der Planer nutzt dazu Straßenbilder beispielsweise aus Google-Maps. Damit kann man schon im Planungsbüro sehen, ob ein Standort geeignet ist. Ist der Bürgersteig breit genug? Würde der neue „graue Kasten“ das Bild stören?

Was dann folgt, nennen die Techniken „Wegesicherung“ und „Standortsicherung“. Bei den Städten oder Kommunen müssen Baugenehmigungen für die Trassen und Kabelverzweiger beantragt werden. Geht es über die „grüne Wiese“, kommen oft die Umweltbehörden ins Spiel. Dann muss mit örtlichen Ingenieurbüros erst einmal geklärt werden, ob seltene Pflanzen und Tiere (Flora und Fauna) gefährdet werden könnten, beispielsweise Frauenschuh (eine Pflanze), ein am Fluss lebender Biber oder die an Mauern und Zäunen lebende Zauneidechse? Die Fachleute erstellen Gutachten für die Behörden. Erst wenn die zustimmen, dürfen die Bagger anrollen.

"Nach unseren Plänen werden Straßen aufgerissen"

Schaltverteiler der Deutschen Telekom Schaltverteiler der Deutschen Telekom
Foto: Deutsche Telekom
Ob und wo es nun FTTH oder FTTC wird, wird mit Bauführern und Subunternehmen vor Ort festgelegt. „Wir Planer müssen uns immer bewusst sein, dass nach unseren Plänen Straßen aufgerissen werden“, sagt Bolt. Da muss auch Kurioses und Unstimmiges geklärt werden. „Braucht eine Panzerverladestation wirklich eine Glasfaser?“ Die Antwort lautet in diesem Falle "Ja." Es handelt sich nämlich um eine „ehemalige“ Panzerverladestation, wo jetzt Wohnungen und Industriebetriebe hinkommen, sie trug nur noch auf der Karte diesen Namen.

Wenn alles fertig geplant ist, werden im SAP-System alle notwendigen Kabel, Rohre, Kästen und Kleinteile eingegeben, die dann gemäß der Planung bestellt und später verbaut werden: Rund 20 unterschiedliche Teile in allen möglichen Mengen - vom fingergroßen Verbindungsstück über Glasfasern und Muffen bis zu den zugehörigen "Speednet-Rohren".

Planung im Wandel

Die Planungen, wie sie Wladimir Bolt heute erstellt, werden sich auf absehbare Zeit verändern. Der Bedarf nach "echter" Glasfaser bis ins Haus "FTTH" wird steil ansteigen. Die Antwort der Techniker ist eine sogenannte "FTTH Factory", damit soll die Planung automatisiert werden, um mehr und effizienter auszubauen. Aber der Planer wird nicht arbeitslos: "Koordinationsleistung von Menschen wird immer gebraucht. Der Glasfaserausbau ist ein riesiges, wegweisendes Zukunftsprojekt."

Mischprodukte in Alzenau

Multi Service IP DSLAM HiX 5625 von Nokia (Siemens) Networks im Multifunktionsgehäuse der Deutschen Telekom Multi Service IP DSLAM HiX 5625 von Nokia (Siemens) Networks im Multifunktionsgehäuse der Deutschen Telekom
Foto: Deutsche Telekom
Im fränkischen Alzenau (unweit der Landesgrenze zu Hessen) hat die Deutsche Telekom ein interessantes Projekt am Start: Hier wird teilweise Vectoring und teilweise Glasfaser bis ins Haus gelegt. Außerdem hat die Telekom vom örtlichen Stromversorger EVA (Energieversorgung Alzenau) ein bereits bestehendes Teilnetz aus Leerrohren und Glasfaser mit aktiver Technik übernommen. Die Technik des Stromversorgers EVA wurde nach anderen Vorschriften errichtet und entspricht teilweise nicht den Telekom-Standards. Da musste erst einmal gesichtet werden, was man weiter verwenden konnte und was umgebaut werden musste. In Alzenau gibt es Außenbereiche, wo die verstreut lebenden Bewohner direkt eine Glasfaserleitung bis in den Keller verlegt bekamen, weil es schlicht kostengünstiger ist. Ein etwas abseits liegendes Haus ist über Freileitungsmasten angebunden. Dort wurde einfach das alte aufgehängte Kupferkabel durch ein hängendes Glasfaserkabel ersetzt. Glasfaser lässt sich nämlich auch oberirdisch verlegen.

Einige Kunden bekommen im Moment "nur" Anschlüsse mit 30 MBit/s. Das rührt daher, weil zum Zeitpunkt der Planung noch kein DSL-Vectoring im Nahbereich zulässig war, wie ein Techniker erläutert. Das wird aber bald auf bis zu 100 MBit/s erweitert und mit Supervectoring kann sich das nochmal auf bis zu 250 MBit/s quasi verdoppeln.

Durch den Einsatz von "Erdraketen" kann über kurze Entfernungen durch den Untergrund "geschossen" werden. Dies vermeidet das komplette Aufgraben von liebevoll angelegten Vorgärten oder verlegten Pflasterstein-Wegen.

Alzenau: Notversorgung erforderlich

Montage von Glasfaserleitungen am Multifunktionsgehäuse der Telekom Montage von Glasfaserleitungen am Multifunktionsgehäuse der Telekom
Foto: Deutsche Telekom
Solche Bauarbeiten und Netzübernahmen laufen in der Praxis nicht immer ganz störungsfrei oder termingerecht ab. So musste die EVA-Alzenau mit einer DSL-Notversorgung für ihre ehemaligen Kunden kurz entschlossen in die Bresche springen. Einige betroffene Kunden wurden sogar zunächst gar nicht vom alten Netz genommen und solange weiter mit DSL und Telefonie versorgt, bis die Telekom in der Lage ist, diese Kunden an ihr Netz anzuschließen, wie die EVA auf ihrer Homepage mitteilt.

Am Ende sind die Kunden aber froh, dass nach jahrelanger Diskussion endlich Bewegung in den Netzausbau kommt. Die Baufirmen sind gut ausgelastet und suchen händeringend Nachwuchs, der nicht nur im Büro, sondern auch draußen bei Wind und Wetter mitarbeiten mag.

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