Bertelsmann: "Podcasts entwickeln sich wie YouTube"
Der Siegeszug von Videostreaming ist nicht mehr aufzuhalten. Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich nun auch bei Audio-Content, denn Podcasts erobern schon seit einiger Zeit den Massenmarkt. Bertelsmann schickt mit "AUDIO NOW" eine eigene Podcast-App ins Rennen. Unter anderem darüber sprechen wir mit Mirijam Trunk, Geschäftsführerin der Audio Alliance GmbH.
Mirijam Trunk ist Geschäftsführerin der Bertelsmann Audio Alliance
Foto: Audio Alliance GmbH
teltarif.de: Frau Trunk, der Siegeszug von Podcasts ist kaum zu übersehen. Was ist der Charme dieses spezifischen Formats?
Mirijam Trunk: Ein Erfolgsfaktor ist sicherlich die Freiheit, die das Format Podcast bietet: Es gibt keine zeitliche Begrenzung, keine Sendeplätze, um die man kämpfen muss, keine "No-Gos" oder "goldenen Regeln". Das wird sich bestimmt ändern, denn jeder Produzent merkt nach und nach, welche Faktoren dazu führen, dass ein Podcast erfolgreich ist. Doch aktuell probieren alle noch viel aus, setzen Ideen einfach um – auch, weil die Investitionsbudgets deutlich geringer sind als z.B. im TV.
teltarif.de: Ein Problem von Podcasts ist sicherlich die sehr variierende Qualität. Denn egal ob Radiosender mit High-End-Equipment oder Schüler im Kinderzimmer, prinzipiell kann jeder einen Podcast produzieren. Wie gehen Sie hiermit bei AUDIO NOW um? Schließlich handelt es sich um eine offene Plattform.
Mirijam Trunk: Wir schauen uns die Podcasts, die wir auf die Plattform nehmen, genau an. Unser Ziel ist es, so gut es mit der wachsenden Anzahl an neuen Formaten geht, zu kuratieren. In unserer eigenen Produktionseinheit versuchen wir, einheitliche Qualitätsstandards einzuführen – wir schulen und coachen Redakteure unserer Partnerdivisionen und arbeiten mit hochwertiger Technik. Die Evolution von Podcasts wird wohl vergleichbar mit der Entwicklung bei YouTube sein: Aus verwackelten Handyvideos werden irgendwann hochwertig produzierte Formate.
teltarif.de: AUDIO NOW bewegt sich in einem extrem wettbewerbsintensiven Umfeld. Wie Sie selbst bereits im Rahmen der Münchner Medientage gesagt haben, sind Podcasts international und der Markt wird wenn überhaupt durch Sprachbarrieren getrennt. Die Apps hingegen sind überall verfügbar. Vor allem Google dürfte hier einen großen Vorsprung haben und auch Amazon stieg kürzlich ins Podcast-Geschäft ein. Können Sie mit den US-Konzernen mithalten?
Mirijam Trunk: Es stimmt, die Wettbewerbslinien sind im Podcast-Markt verschwommen. Auch deshalb finde ich es oft schade, wenn in Berichten die Konkurrenzlinien zwischen deutschen Konzernen gezogen werden – sind wir doch in meiner Wahrnehmung eigentlich eher Verbündete als Konkurrenten. Denn würde eine US-Plattform zum Monopolisten, hätten wir alle verloren. Man muss jedoch unterscheiden, wer mit welchem Package antritt. Als Podcast-Plattform wollen und können wir uns nur bedingt mit Musik-Streaming Services vergleichen. Gerade den internationalen Konkurrenten haben wir jedoch auch etwas voraus: Wir kennen unsere Zuschauer und unsere Talents – und sind beim Eintritt in den neuen Markt ein zuverlässiger, bekannter Partner, der auch über Kanäle hinweg Geschichten erzählen kann.
teltarif.de: Thema Monetarisierung: RTL Radio CEO Stephan Schmitter sagte im Interview mit unserer Redaktion, dass die Inhalte bei AUDIO NOW zunächst kostenlos bleiben werden, man schaue sich den Markt (und damit sicher auch Konkurrenten wie FYEO von ProSiebenSat.1) genau an. Doch auch hier haben Amazon und Google wieder einen Vorteil. Sie sind nicht auf die Einnahmen von Podcast-Apps angewiesen und hätten vermutlich einen längeren Atem.
Mirijam Trunk: Natürlich schauen wir uns den Markt genau an – doch auch hier ist es wieder ein Zurückfallen in alte Denkmuster, denn FYEO hat ein grundsätzlich anderes Geschäftsmodell als AUDIO NOW. Nur weil beide mit großen TV-Anbietern in Verbindung stehen, sind sie noch lange nicht der gegenseitige Haupt-Konkurrent – Bezahlplattformen sind beispielsweise auch Audible oder Podimo. AUDIO NOW wird auch deshalb kostenlos bleiben, weil es für uns einen hohen strategischen Wert hat: zuverlässige KPIs und Unabhängigkeit in der Platzierung. Übrigens auch für alle anderen Publisher auf der Plattform, denn wir teilen alle Daten komplett transparent. Wir haben den Gesamtmarkt im Blick. Unser Geschäftsmodell ist die Vermarktung der Podcasts, also die Zusammenarbeit mit Werbekunden. Auch dort wird die Zusammenarbeit mit einem bekannten Partner als digitalem Audio-Anbieter inklusive zuverlässiger Reichweiten gut aufgenommen. Ich glaube daher nicht, dass wir einen allzu langen Atem brauchen.
teltarif.de: Ein Pluspunkt von AUDIO NOW ist sicherlich der Zugriff auf die große Bibliothek der Bertelsmann Content Alliance. Vor allem der Buchverlag Penguin Random House dürfte eine unerschöpfliche Quelle für mögliche Podcast-Inhalte sein. Gibt es hier spezielle Inhalte, die sie für AUDIO NOW verwerten wollen?
Mirijam Trunk: Der Zugang zu Autoren und Inhalten ist ein großer Schatz und einer der Gründe, weshalb wir die Audio-Aktivitäten gebündelt haben. Bei Random House ebenso wie bei den anderen Einheiten der Bertelsmann Content Alliance können wir unseren Talenten so anbieten, integrierte Konzepte zu denken. Mit einigen Autoren haben wir bereits Podcasts gestartet, beispielsweise mit der Psychologin und Bestseller-Autorin Stefanie Stahl oder mit dem ehemaligen Mannschafts-Koch Holger Stromberg. Wir suchen immer nach Geschichten, die sich für Audio eignen – und nach Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Hier stehen in allen sechs Einheiten riesige Schatztruhen und wir schauen, in welcher Reihenfolge wir sie öffnen.
teltarif.de: Geht Ihre künftige Strategie eher in Richtung Premium-Content oder Inhalte für den Massenmarkt?
Mirijam Trunk: Wie in unserer anderen Kanäle auch gehen wir nicht in die Nische, wir bleiben vor allem bei den jungen Hörern und gehen immer etwas mehr in Richtung Entertainment als in Richtung Information. Hier profitieren wir auch von den Kanälen, die wir zur Promotion der App nutzen können.
teltarif.de: Welche neuen Features planen Sie für die App? Eine Verfügbarkeit auf Smart Speakern oder dem Amazon Fire TV wäre sicherlich wünschenswert.
Mirijam Trunk: Eine Verfügbarkeit auf Smart Speakern ist tatsächlich schon gegeben – aber den Skill müssen wir offenbar noch etwas leichter auffindbar machen. Es stehen einige spannende Kooperationen in der Pipeline, die wir zu gegebener Zeit verkünden werden.
teltarif.de: Apropos Smart Speaker: Besonders intuitiv laufen Podcasts auf diesen Geräte ja aktuell noch nicht. Wie könnte man dies ändern?
Mirijam Trunk: Die Auffindbarkeit und Verschlagwortung muss definitiv verbessert werden – die meisten Publisher haben bei Podcasthörern die Pendler mit dem Smartphone im Kopf.
teltarif.de: Könnten Sie sich vorstellen, die Inhalte von AUDIO NOW auch anderen Partnern zur Verfügung zu stellen?
Mirijam Trunk: Das tun wir bereits – die meisten unserer Produktionen sind auf anderen Plattformen verfügbar. Wir sind ja als AUDIO NOW nicht nur eine Plattform, sondern auch eine Produktionsfirma – die auf die Vermarktung von Reichweite angewiesen ist.
teltarif.de: Gibt es spezielle Audio-Formate außerhalb von Podcasts, welche für AUDIO NOW Potenzial hätten? Man denke hier beispielsweise an lineares Live-Streaming von Konzerten oder Sport.
Mirijam Trunk: Die Möglichkeiten hier sind riesig, oft sind aber auch Lizenzgeber mit im Spiel, die ein Wörtchen mitzureden haben. Für den Moment haben wir mit unseren Podcasts noch beide Hände voll zu tun, schauen aber natürlich auf alle Trends. In 2021 werden Videopodcasts, die wir bereits seit diesem Sommer gemeinsam mit TV NOW testen, bestimmt ein Trendthema. Der Audio-Markt bewegt sich rasant, das macht ihn so spannend.
teltarif.de: Frau Trunk, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Mirijam Trunk
Vor und während ihres Studiums der Psychologie und Kommunikationswissenschaft an der LMU München hat Mirijam Trunk mehrere Jahre in den USA verbracht und dort unter anderem klassischen Gesang in Texas, sowie American Politics an der American University in Washington, D.C. studiert. Nach ihrem Master und der Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München arbeitete sie beim Bayerischen Rundfunk als Reporterin und Nachrichtensprecherin. 2017 wechselte sie für das Creative Management Program zu Bertelsmann. Im Anschluss übernahm sie bei G+J die kaufmännische Betreuung von Stern Crime, Art, NIDO sowie JWD und schrieb als Redakteurin für den Stern. Im Januar 2019 übernahm sie zusätzlich die Aufgaben der Referentin für die Geschäftsführung bei G+J. Mit der Gründung der Audio Alliance zum Mai 2019 wurde sie zur Geschäftsführerin berufen. Im ersten Jahr hat sie die Produktionsfirma Audio Alliance zum größten privatwirtschaftlichen Anbieter von Podcasts ausgebaut und rund 100 Formate gestartet, die Plattform AUDIO NOW hat inzwischen über sechs Millionen Unique User. Als Kolumnistin bespricht sie für Meedia den Audiomarkt in Europa.
In einem weiteren Interview sprachen wir mit FYEO Vice President Benjamin Risom über die Podcast-App von ProSiebenSat.1.