Internetmobbing

Safer Internet Day 2017: Cyber­mobbing wird unter­schätzt

Der Safer Internet Day rückt in diesem Jahr das Thema Cyber­mobbing in den Mittel­punkt. Was macht die Diffamierungen im Netz so gefährlich? Und wie verbreitet ist das Problem bei Jugendlichen?
Von dpa / David Rist

Ein Mädchen steht im Hof einer Schule und schaut auf ihr Smartphone, während im Hintergrund zwei andere Mädchen lachen. Laut Umfrage glauben 87 Prozent, dass Internetmobbing als Problem unterschätzt wird
Bild: dpa
Fiese Bilder auf Snapchat, miese Kommentare auf Instagram, gefälschte Profile auf Facebook oder demütigende Videos in WhatsApp - Cyber­mobbing tritt in vielen Formen auf. Wie verbreitet ist das Fertig­machen im Netz, was macht es so gefährlich und wer ist alles betroffen? Der Safer Internet Day behandelt, wie schon 2009, (Cyber)-Mobbing als Schwer­punkt. Warum eigentlich, neu sind die Netz-Attacken ja nicht?

Stimmt, in der Gesellschaft ist das Thema angekommen. Aber: Laut Umfrage des Markt­forschungs­instituts Toluna gaben 87 Prozent der Befragten an, Internet­mobbing werde als Problem unterschätzt. "Cybermobbing ist weiterhin sehr brisant, etwa durch die wachsende mobile Internet­nutzung", sagt Peter Widlok von klicksafe.de. Die EU-Initiative koordiniert die Aktionen zum Thementag in Deutschland. Zudem startet heute eine Stop-Mobbing-Woche, um Menschen weiter für das Thema zu sensibilisieren. Ein enormer Teil der Kommunikation besonders von Jugendlichen verläuft inzwischen online. Sind sie von Mobbing betroffen, kann Widlok zufolge davon ausgegangen werden, dass dies sowohl analog als auch digital statt­findet. "Mobbing ohne das vorgestellte "Cyber" gibt es praktisch nicht mehr."

Was genau macht Cybermobbing so gefährlich?

Ein Mädchen steht im Hof einer Schule und schaut auf ihr Smartphone, während im Hintergrund zwei andere Mädchen lachen. Laut Umfrage glauben 87 Prozent, dass Internetmobbing als Problem unterschätzt wird
Bild: dpa
Da ist zum einen die verviel­fachende Wirkung des Netzes und zum anderen die Schwierigkeit des Löschens, wie Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing erklärt. Gemeine Inhalte verbreiten sich rasant und können quasi jeder­zeit und überall gespeichert, verändert und weiter­geleitet werden. Ein weiteres Problem: Die Anonymität führt zu einer niedrigen Hemm­schwelle. Auch sind sich viele Täter der Folgen ihres Handelns nicht bewusst, da sie diese nicht direkt mitbekommen. "Die Tränen sind nicht sichtbar. Dadurch fehlt der psychologische Reflex aufzuhören, wenn das Opfer am Boden liegt", meint Leest.

Wie verbreitet ist das Mobbing im Netz?

So genau kann man das nicht sagen, denn die Zahlen variieren. Eine weltweite Online-Studie des Mobil­funk­anbieters Vodafone und des Meinungs­forschungs­instituts YouGov von 2015 ergab, dass jeder fünfte Jugendliche schon einmal Opfer von Cyber­attacken wurde. Laut einer zweiten kürzlich verbreiteten Studie, hat jeder dritte 12- bis 19-Jährige bereits mitbekommen, dass im Bekannten­kreis jemand im Netz oder per Handy fertig gemacht wurde. Acht Prozent gaben dabei an, bereits selbst Opfer von Cyber­mobbing gewesen zu sein, Mädchen etwas häufiger (9 Prozent) als Jungen (7 Prozent). Das geht aus der JIM-Studie 2016 (Jugend, Information, (Multi-)Media) des Medien­pädagogischen Forschungs­verbundes Süd­west hervor.

Welche psychischen und körperlichen Auswirkungen können die Cyber-Gemeinheiten auf junge Leute haben?

"Wir wissen aus der Neurologie, dass die Schmerz­zentren des Gehirns auf solche Ausgrenzung und Demütigung reagieren", erklärt Joachim Bauer, Neuro­biologe und Psycho­therapeut von der Uniklinik Freiburg. Das wiederum mache sich entweder durch aggressives oder depressives Verhalten bemerkbar. "Das Selbst­wertgefühl wird massiv getroffen, Betroffenen ziehen sich vor Scham zurück." Viele würden die Aggressionen aber auch an andere weiter­leiten, "sie sind also Opfer und Täter zugleich".

Problematisch sei, dass Jugendliche soziale Medien als Bühne zur Selbst­darstellung nutzten, um sich ihrer positiven Wirkung zu versichern. "Wenn diese dann zur Platt­form der Diffamierung wird, bricht in den Leuten etwas zusammen." Eltern sollten deshalb mit ihren Kindern die Chancen und Risiken solcher Portale besprechen, rät der Experte. Auch empfiehlt er, im Netz nicht allzu viel von sich preis­zugeben.

Sind nur Jugendliche betroffen?

Nein, Inter­netmobbing ist ein gesamt­gesell­schaftliches Problem, das längst nicht mehr nur Jugendliche trifft. "Sie glauben nicht, aus welchen Alters­klassen die Leute bei uns anrufen", sagt Leest vom Bündnis gegen Cyber­mobbing. Bauer zufolge kommt es etwa am Arbeits­platz immer wieder zu Online-Attacken unter Kollegen. Mobbing­opfer fielen häufig krank­heits­bedingt aus. Somit ist Cyber­mobbing auch ein volks­wirtschaftliches Problem.