Richtlinie

Online-Händler sollen in alle 27-EU-Staaten liefern

Erhebliche rechtliche Risiken durch zersplittertes Verbraucherrecht
Von Marie-Anne Winter

Das EU-Parlament will Online-Händler zwingen, in alle Mitgliedsstaaten zu liefern. Das EU-Parlament will Online-Händler zwingen, in alle Mitgliedstaaten zu liefern.
Bild: http://ec.europa.eu/
Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der EU haben für Verbraucher oft angenehme Folgen, etwa die einheitlichen Roaming-Tarife für Handy-Telefonate und SMS. Für die Mobilfunkanbieter dagegen war das weniger angenehm, für sie ist mit der Zwangssenkung der bisherigen Auslandstarife eine zuvor sprudelnde Gewinnquelle trocken gelegt worden. Ähnliches gilt für Onlinehändler: Das Europäische Parlament hat eine neue Richtlinie vorgelegt, die Händler dazu zwingen will, ihre Waren in allen 27 Mitgliedstaaten der EU anzubieten.

Das EU-Parlament will Online-Händler zwingen, in alle Mitgliedsstaaten zu liefern. Das EU-Parlament will Online-Händler zwingen, in alle Mitgliedstaaten zu liefern.
Bild: http://ec.europa.eu/
Wie die Financial Times Deutschland (FTD [Link entfernt] ) schreibt, würde die EU-Richtlinie in die grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit eingreifen. Die Internet-Händler könnten dann nicht mehr festlegen, dass sie nur in bestimmte Länder liefern wollen, weil für sie der Aufwand und das rechtliche Risiko eines größeren Vertriebsgebiets zu groß ist. Außerdem müssten die Händler, die beispielsweise Ersatzteile nach Rumänien verkaufen, in dem Land auch einen Kundenservice anbieten.

"Dann müssten Händler die Verbraucherrechte in 27 Ländern beherrschen und sich der Gefahr aussetzen, zum Beispiel in Polen oder Malta verklagt zu werden", erklärte Rechtsexperte Christian Groß vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gegenüber der FTD. Der DIHK schätzt die Lage so ein, dass Unternehmen ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen künftig an das Recht sämtlicher EU-Staaten anpassen müssten. Würden bestimmte Lieferländer ausgenommen, könnten Abmahnungen die Folge sein. "Kleinere Händler sind dazu gar nicht in der Lage", sagte DIHK-Jurist Groß, "sie werden verdrängt werden." Nur große Anbieter wie Amazon oder klassische Versandhäuser könnten die zusätzlichen Kosten und juristischen Risiken tragen.

Laut Groß soll das Bundeswirtschaftsministerium die Bedenken des DIHK teilen und entsprechend beim federführenden Justizministerium für eine Änderung des EU-Entwurfs werben. In der kommenden Woche soll im Europäischen Parlament über die Verbrauchervertragsrichtlinie abgestimmt werden. Später muss noch der Europäische Rat zustimmen, möglicherweise auch die EU-Kommission. Diese wollte eigentlich einen ganz anderen Weg einschlagen und erst die Verbraucherrechte europaweit vereinheitlichen. Dieser Weg wäre in jedem Fall der sinnvollere, weil die Händler dann wüssten, worauf sie sich einlassen, wenn sie in sämtliche EU-Staaten liefern. Allerdings sei die Vereinheitlichung der Verbraucherrechte an den egoistischen Positionen der Mitgliedsstaaten gescheitert, auch Deutschland habe die Harmonisierung nicht mittragen wollen.

Stattdessen bliebe es nun beim zersplitterten Recht in den 27 Staaten, das jetzt für alle Online-Händler verbindlich werden soll. In erster Linie dürfte diese Regelung eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Übersetzer und Juristen werden. Auch wenn nach der Vorstellung des EU-Parmaments in einem EU-Binnenmarkt kein Käufer diskriminiert werden soll, nur weil er in einem Land lebt, in das ein Händler aus rechtlichen Gründen nicht liefern will, würde diese neue Richtlinie mehr Probleme schaffen, als sie zu lösen vorgibt.

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