ADRESSABBLE TV

Regionalisierte Werbung durch die Hintertür

Anfang des Jahres hat der Gesetz­geber den Rund­funk­staats­vertrag verändert, um regionalisierte Werbung in bundes­weit verbreiteten Fern­seh­programmen zu verhindern. Doch mit HbbTV 2.0 könnte ProSieben Sat.1 das Verbot umgehen.
Von Marc Hankmann

Das logo der ProSiebenSat.1 Media SE Bild: ProSiebenSat.1 Media SE Das Vorhaben von ProSiebenSat.1, im Programm von ProSieben Werbe­spots auszu­strahlen, die nur in einer bestimmten Region zu sehen sind, schlug hohe Wellen. Privat­finanzierte lokale und regionale TV-Sender sahen nebst der Lokal­presse ihre Felle davon­schwimmen. Als das Bundes­verwaltungs­gericht ProSiebenSat.1 bestätigte, regionalisierte Werbung im bundes­weit ausge­strahlten Programm von ProSieben zeigen zu dürfen, dauerte es auch nicht lange, bis RTL ebenfalls mit ersten Kampagnen nachzog.

Eilig änderte der Gesetz­geber den Rund­funk­staats­vertrag, so dass regionalisierte Werbung in bundes­weit ausge­strahlten TV-Programmen nun ausdrücklich in den Landes­medien­gesetzen erlaubt werden muss. Die Länder rührten ihre Medien­gesetze aber nicht an, so dass ProSiebenSat.1 seine Pläne begraben musste - zunächst.

Adressable TV wird Realität

Das logo der ProSiebenSat.1 Media SE Bild: ProSiebenSat.1 Media SE Der HbbTV-Standard verbindet die TV- mit der Online-Welt. Über die rote Farb­taste kann der Zuschauer die HbbTV-Angebote der Fernseh­sender aufrufen. Die zweite Version dieser Technologie ermöglicht nun die ziel­genaue Ausspielung von Inhalten, das sogenannte Adressable TV. Über die Daten, die ein Smart-TV sammelt, werden mit Hilfe von Tracking Tools Nutzer­profile erstellt, anhand derer dann der dazu passende Inhalt auf dem Fernseher dargestellt wird. So kann eine Ziel­gruppe für einen Werbe­spot zum Beispiel nach demo­grafischen Daten erstellt werden oder eben nach geografischen Kriterien für eine Ausspielung in bestimmten Regionen.

Mit HbbTV 2.0 erfüllen sich die Träume der Werbe­industrie. Unternehmen wie beispiels­weise Smartclip, das zur Medien­gruppe RTL Deutschland gehört, treiben das Thema Adressable TV voran. Smartclip-Geschäfts­führer Thorsten Schütte-Gravelaar ist sich sicher, dass "mit der zweiten Generation des hybriden Übertragungs­standards Bewegt­bild eine tragende Rolle und das Thema Adressable TV für alle Werbe­treibenden eine strategische Dimension einnehmen wird".

Auch für Unternehmen, die sich bislang die hohen Produktions- und Verbreitungs­kosten für einen Fernseh­werbespot in den bundes­weit verbreiteten TV-Programmen nicht leisten konnten, ist HbbTV 2.0 attraktiv. Der Standard unter­stützt HTML5, so dass ein Werbe­clip, der für die Online-Verbreitung produziert wurde, nun auch über HbbTV 2.0 im Fernsehen laufen kann. Dafür muss er nicht mehr extra aufbereitet bzw. gänzlich neu produziert werden. Selbst ein Clip in Ultra-HD-Auflösung kann mit HbbTV 2.0 auf dem Fernseher wieder­gegeben werden.

Wirtschaftliche Bedeutung noch nicht abschätzbar

So soll die aus Sicht der Werbe­industrie verheißungs­volle Zukunft aussehen. Derzeit wird über HbbTV lediglich Werbung als Text oder Grafik ausgestrahlt, häufig als Overlay in L-Form zum laufenden Programm. Laut Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktoren­konferenz der Landes­medien­anstalten (DLM), ist darunter noch keine dezentrale Ausstrahlung regionaler oder lokaler Werbung zu verstehen. "Die Medien­anstalten befassen sich derzeit intensiv mit der rundfunk­rechtlichen Einordnung der oben beschriebenen Einfügung von Werbung via HbbTV auf dem Bildschirm", erklärt Schneider. Die wirtschaftliche Bedeutung von regionalisierter Werbung können die Medien­anstalten nach den Worten des DLM-Vorsitzenden derzeit noch nicht beurteilen.

Es dürfte aber feststehen, dass sich die großen TV-Konzerne das neue Kunden­potenzial nicht entgehen lassen werden. Das dürfte dann auf Kosten der privaten Lokal- und Regional­sender gehen, deren größte Einnahme­quelle die Werbung ist. Ihr Kosten­deckungs­grad liegt jedoch gerade einmal bei 92 Prozent. Er dürfte weiter sinken, wenn ihnen Werbe­ein­nahmen wegbrechen.

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