Regionalisierte Werbung durch die Hintertür
Bild: ProSiebenSat.1 Media SE Das Vorhaben von ProSiebenSat.1, im Programm von ProSieben Werbespots auszustrahlen, die nur in einer bestimmten Region zu sehen sind, schlug hohe Wellen. Privatfinanzierte lokale und regionale TV-Sender sahen nebst der Lokalpresse ihre Felle davonschwimmen. Als das Bundesverwaltungsgericht ProSiebenSat.1 bestätigte, regionalisierte Werbung im bundesweit ausgestrahlten Programm von ProSieben zeigen zu dürfen, dauerte es auch nicht lange, bis RTL ebenfalls mit ersten Kampagnen nachzog.
Eilig änderte der Gesetzgeber den Rundfunkstaatsvertrag, so dass regionalisierte Werbung in bundesweit ausgestrahlten TV-Programmen nun ausdrücklich in den Landesmediengesetzen erlaubt werden muss. Die Länder rührten ihre Mediengesetze aber nicht an, so dass ProSiebenSat.1 seine Pläne begraben musste - zunächst.
Adressable TV wird Realität
Bild: ProSiebenSat.1 Media SE Der HbbTV-Standard verbindet die TV- mit der Online-Welt. Über die rote Farbtaste kann der Zuschauer die HbbTV-Angebote der Fernsehsender aufrufen. Die zweite Version dieser Technologie ermöglicht nun die zielgenaue Ausspielung von Inhalten, das sogenannte Adressable TV. Über die Daten, die ein Smart-TV sammelt, werden mit Hilfe von Tracking Tools Nutzerprofile erstellt, anhand derer dann der dazu passende Inhalt auf dem Fernseher dargestellt wird. So kann eine Zielgruppe für einen Werbespot zum Beispiel nach demografischen Daten erstellt werden oder eben nach geografischen Kriterien für eine Ausspielung in bestimmten Regionen.
Mit HbbTV 2.0 erfüllen sich die Träume der Werbeindustrie. Unternehmen wie beispielsweise Smartclip, das zur Mediengruppe RTL Deutschland gehört, treiben das Thema Adressable TV voran. Smartclip-Geschäftsführer Thorsten Schütte-Gravelaar ist sich sicher, dass "mit der zweiten Generation des hybriden Übertragungsstandards Bewegtbild eine tragende Rolle und das Thema Adressable TV für alle Werbetreibenden eine strategische Dimension einnehmen wird".
Auch für Unternehmen, die sich bislang die hohen Produktions- und Verbreitungskosten für einen Fernsehwerbespot in den bundesweit verbreiteten TV-Programmen nicht leisten konnten, ist HbbTV 2.0 attraktiv. Der Standard unterstützt HTML5, so dass ein Werbeclip, der für die Online-Verbreitung produziert wurde, nun auch über HbbTV 2.0 im Fernsehen laufen kann. Dafür muss er nicht mehr extra aufbereitet bzw. gänzlich neu produziert werden. Selbst ein Clip in Ultra-HD-Auflösung kann mit HbbTV 2.0 auf dem Fernseher wiedergegeben werden.
Wirtschaftliche Bedeutung noch nicht abschätzbar
So soll die aus Sicht der Werbeindustrie verheißungsvolle Zukunft aussehen. Derzeit wird über HbbTV lediglich Werbung als Text oder Grafik ausgestrahlt, häufig als Overlay in L-Form zum laufenden Programm. Laut Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), ist darunter noch keine dezentrale Ausstrahlung regionaler oder lokaler Werbung zu verstehen. "Die Medienanstalten befassen sich derzeit intensiv mit der rundfunkrechtlichen Einordnung der oben beschriebenen Einfügung von Werbung via HbbTV auf dem Bildschirm", erklärt Schneider. Die wirtschaftliche Bedeutung von regionalisierter Werbung können die Medienanstalten nach den Worten des DLM-Vorsitzenden derzeit noch nicht beurteilen.
Es dürfte aber feststehen, dass sich die großen TV-Konzerne das neue Kundenpotenzial nicht entgehen lassen werden. Das dürfte dann auf Kosten der privaten Lokal- und Regionalsender gehen, deren größte Einnahmequelle die Werbung ist. Ihr Kostendeckungsgrad liegt jedoch gerade einmal bei 92 Prozent. Er dürfte weiter sinken, wenn ihnen Werbeeinnahmen wegbrechen.