DAB+ vs. UKW: Was schneidet besser ab?
Der digital-terrestrische Hörfunk DAB+ hat in den vergangenen Jahren kräftig aufgeholt, obwohl die meisten Menschen Radio immer noch klassisch über UKW hören. Wir haben beide Systeme technisch miteinander verglichen. Ist eine mittelfristige UKW-Abschaltung möglich?
Vorteil: DAB+ ist Gleichwellen-tauglich
Aufgrund der physikalischen Gegebenheiten kann bei analogen terrestrischen UKW-Sendernetzen für eine flächendeckende Versorgung mit einem Radioprogramm dieselbe Frequenz nur in einem größeren – von der Topografie abhängigen – geografischen Abstand wieder verwendet werden. Somit ist es äußerst schwierig, überhaupt noch neue UKW-Frequenzen, etwa zur Schließung von Versorgungslücken, zu finden.
Radioempfang über DAB+
Foto: Michael Fuhr/teltarif.de
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands sahen sich daher bereits in den frühen 1980er-Jahren veranlasst – auch mit Blick auf die Störanfälligkeit beim mobilen UKW-Empfang – ein neues, digitales Übertragungssystem zu entwickeln. Zunächst war das der alte DAB-Hörfunk, der ab 2010 sukzessive durch das modernere DAB+ abgelöst wurde.
DAB+ bietet Features, die man vom UKW-Hörfunk nicht kennt, beispielsweise die Kompression des Tonsignals, was den digital-terrestrischen Hörfunk in die Lage versetzt, auch noch bei niedrigeren Bitraten hochwertige Soundqualität zu bieten. Radioveranstalter können die Qualität der Übertragung selbst wählen. Je höher die Datenrate, umso besser der Klang.
Reflexionen an Berghängen als Vorteil
Außerdem gelang die technische Beherrschung der physikalisch bedingten Mehrwegeausbreitungs-Problematik beim UKW-Empfang: Bei DAB+ werden Reflexionen etwa an Berghängen, die bei UKW zu Störungen führen, zur Signalverstärkung genutzt.
Eine positive Eigenschaft ist zudem die Gleichwellen-Tauglichkeit. So ist es bei DAB+ technisch problemlos möglich, in einem Verbreitungsgebiet (Polygon) eine unbegrenzte Anzahl an Sendeanlagen in Betrieb zu nehmen, ohne dass hierfür weitere Frequenzen und langwierige technische Koordinierungsverfahren wie beim UKW-Hörfunk nötig sind.
DAB+ ist zudem etwa robuster als UKW: Wenn beim UKW-Empfang erste Störungen durch ein leichtes Rauschen im Stereo-Bereich auftreten, ist über DAB+ in der Regel noch störungsfreier Empfang möglich. Erst ab einer zu hohen Bitfehlerrate kommt es zu Aussetzern beim Tonsignal.
DAB+ überträgt weit mehr Programme
Bei der Anzahl der empfangbaren Programme hat DAB+ eindeutig die Nase vorn. Mittlerweile gibt es nur noch wenige Plätze in Deutschland, an denen es noch keinen digital-terrestrischen Empfang gibt. Dort, wo es möglich ist, sind in der Regel zwischen 25 und über 100 Radioprogramme auf DAB+ hörbar.
In der Regel zu empfangen sind der Multiplex der jeweiligen ARD-Anstalt (in einigen Bundesländern zusammen mit Privatradios) und der erste, nationale Multiplex mit vier Programmen von Deutschlandradio und neun Privatradios. Vielerorts ist auch der zweite "Bundesmux" mit 16 weiteren Programmen zu empfangen und in vielen Regionen inzwischen auch landesweite, regionale und lokale Multiplexe, die das Programmangebot nochmal deutlich erhöhen.
Auf UKW dagegen sind aufgrund von Frequenzmangel oft nur zwischen 12 und knapp über 30 Programme zu empfangen, nur in besonderen Lagen, etwa auf Bergen, sind es mehr. Da DAB+ aufgrund der Multiplex-Struktur (je nach Datenrate passen in einen Block im Schnitt bis zu 16 Programme) weit frequenzökonomischer ist, bietet der Digitalfunk ein deutlich größeres Programmangebot.
So ist der Empfang im eigentlichen Sendegebiet
Der Sender Wendelstein des Bayrischen Rundfunks. Von hier werden Signale über UKW und DAB+ übertragen.
Bayrischer Rundfunk. Pressefoto: Gerhard-Wenzel
Viele Programme haben ein fest definiertes Sendegebiet und einen entsprechenden Versorgungsauftrag. So ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR) etwa für Nordrhein-Westfalen und der Bayerische Rundfunk (BR) für Bayern zuständig. Auch die kommerziellen Sender haben zumeist von der Medienpolitik festgelegte Sendegebiete, das Programm R.SH zum Beispiel ist für Schleswig-Holstein zuständig, während Antenne Bayern den Freistaat bedient.
Auf UKW gibt es zumindest bei den großen Anbietern der ARD und des Privatfunks weitgehend Vollversorgung. Doch nicht überall ist der Empfang immer einwandfrei. Vor allem im Mittelgebirge treten beim analogen Radio häufig Störungen durch Reflexionen an Hügeln und Bergen sowie Interferenzen mit Störungen durch Gleich- und Nachbarkanalsender auf. Vor allem in topographisch ungünstigen Lagen wie Flusstälern ist oft nur Mono-Empfang möglich, häufig rauscht es im Stereo-Bereich.
DAB+ fast überall noch im Aufbau
Bei DAB+ sind die Sendernetze praktisch überall noch im Aufbau. Es gibt ARD-Anstalten, die aktuell noch eine schlechtere Versorgung als auf UKW haben, etwa der Hessische Rundfunk (hr). Die Konsequenz: Beim mobilen Empfang treten außerhalb der großen Städte und wichtigen Verkehrsrouten noch viele Aussetzer auf, indoor ist stellenweise, etwa im "Upland", an der Dill oder an der Lahn, oft noch gar nichts zu hören.
In Bayern oder Baden-Württemberg sind die Netze dagegen häufig schon besser ausgebaut als beim analogen UKW. So betreiben SWR und BR zahlreiche Füllsender in Flusstälern und an vielen weiteren Standorten, die es beim analogen UKW nicht gibt. In Bayern strahlt der BR den analogen UKW-Hörfunk über 38 Sendeanlagen aus, bei DAB+ sind es aktuell 76, und weitere folgen noch. Somit sind viele Regionen inzwischen besser mit DAB+ versorgt als dies jemals mit UKW der Fall war.
Stand 2022 ist eine UKW-Abschaltung jedoch technisch noch in weiter Ferne, zu viele Lücken gibt es noch beim digital-terrestrischen Empfang und es ist zunächst ein weiterer, massiver Ausbau der Sendernetze nötig.
Privatfunk muss zwei Netze finanzieren
Noch schlechter sieht es beim Privatfunk aus. Dieser muss aktuell zwei terrestrische Netze finanzieren (UKW und DAB+). Der Grund: Da es immer noch weit mehr UKW- als DAB+-Hörer gibt und private Sender auf maximale Reichweite angewiesen sind, ist der alte analoge Hörfunk noch die Haupteinnahmequelle und Reichweitengarant, mit dem auch sämtliche digitalen Investitionen (DAB+, Internet, Podcasts usw.) refinanziert werden. Nur in wenigen Bundesländern können Privatradios huckepack in den Bouquets der jeweiligen ARD-Anstalt mit übertragen werden (beispielsweise in Rheinland-Pfalz und Bayern) und haben somit eine identische Reichweite.
In der Regel ist die Reichweite der rein privaten DAB+-Netze oft deutlich schlechter als die der jeweiligen ARD-Anstalt. Einige Privatradios, etwa die Lokalradios in NRW oder landesweite Sender wie die Ostseewelle in Mecklenburg-Vorpommern, sind noch gar nicht auf DAB+ zu hören. Andere versorgen zunächst nur Ballungsräume. So sind die Privatradios aus Thüringen bis auf Weiteres nur im Raum Erfurt/Weimar zu hören. Erst nach einem klaren Bekenntnis zu einer UKW-Abschaltung und einer Migration zu DAB+ dürfte sich an diesem Umstand etwas gravierend ändern und die privaten könnten, was die technische Reichweite angeht, zu den ARD-Netzen aufschließen.
Wieso einige Programme vom Overspill leben und warum das mit DAB+ zum Problem werden kann, lesen Sie auch der zweiten Seite.