5G kommt

Telekom: Der neue Mobilfunkstandard 5G ist (fast) da

In Berlin wurde der offi­zielle Markt­start für 5G - auch für Privat­kunden - verkündet. So "ganz gleich" geht es aber wohl doch noch nicht los. Erste Eindrücke.
Aus der Berliner Winterfeldtstraße berichtet

In der Winter­feldt­straße in Berlin-Schö­neberg steht ein histo­risches Gebäude, das einst das "Fern­meldeamt 1" der Deut­schen Bundes­post beher­bergte. 1929 startet hier die erste voll­auto­mati­sche Fern­sprech­vermitt­lung. Das war damals sensa­tionell: Man konnte seine Tele­fonge­spräche über die Wahl­scheibe selbst aufbauen und brauchte kein "Frol­lein vom Amt" mehr. An glei­cher Stelle wurde später der Start­schuss für 5G gegeben, wir sind damals mit 5G "rund um den Block" gefahren.

In dem "histo­rischen" Gebäude befindet sich der "Hubraum", der "Inku­bator" der Telekom, wo sich Star­tups und Firmen neuen krea­tiven Ideen beweisen können. Neben diversen Star­tups sind noch Telekom-Abtei­lungen für Forschung, Design und Part­nering zu finden.

Reales 5G-Netz zum Testen

Der entschei­dende Vorteil: Seit einiger Zeit läuft hier ein echtes reales 5G-Netz mit NR im NSA-Modus, wo all die neuen Dinge, welche 5G so span­nend machen werden, auspro­biert werden können. Und die sind von faszi­nierend bis unheim­lich.

Telekom Deutsch­land Chef Dirk Wössner gab in Berlin den "öffent­lichen Start des 5G Netzes" bekannt. Er erneu­erte seinen Anspruch: Bis Ende 2025 sollen 99 Prozent der Bevöl­kerung oder 90 Prozent der gesamten Fläche des Landes versorgt werden. Und er räumt ein: "Ja das ist sehr anspruchs­voll." Die "Mutter aller 5G-Sender", der erste aktive 5G-Sender der Telekom in der Winterfeldtstraße in Berlin-Schöneberg Die "Mutter aller 5G-Sender", der erste aktive 5G-Sender der Telekom in der Winterfeldtstraße in Berlin-Schöneberg
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Aktuell hat die Telekom in Deutsch­land 30000 Anten­nenstand­orte, die sind bereits zu drei Vier­teln mit Glas­faser ausge­rüstet und damit "5G ready". Die tatsäch­liche Aufrüs­tung auf 5G wird wesent­lich schneller gehen, als viele glauben, aber "Stück für Stück". Das viel­zitierte 3,5 GHz Band "ist nur ein Teil", die neue Tech­nologie wird auch im "Mid Band" (ab 2021 auf 2,1 GHz und schon früher auf 1800 MHz statt­finden können und im "Low Band" (unter 1 GHz) sind eigene Frequenzen auch fest für 5G einge­plant, vermut­lich bei 700 MHz, das jetzt verfügbar ist.

Dieses Jahr sollen 100 Stand­orte mit 300 Antennen (Sektoren) mit 5G (NR-NSA) auf Sendung gehen. Die sechs Städte Berlin, Bonn, Darm­stadt, Hamburg, Leipzig und München stehen als erstes auf der Ausbau­liste. Auto­bahnen und Bahn­stre­cken werden mit 4G aufge­rüstet. Jedes Jahr sollen 2000 neue "Makro"-Stand­orte dazu­kommen. Die Zahl der Stand­orte soll damit bis Ende 2021 von 30000 auf 36000 Stand­orte steigen. Und es werden sicher später noch viel mehr werden, wenn die Auflagen der Netz­agentur erfüllt werden sollen.

Derzeit funkt die Telekom an viele Stellen noch mit 5G-Versuchs­lizenzen und darf daher nur ein Viertel der später mögli­chen Sende­leis­tung fahren. Sobald die offi­ziellen Detail-Geneh­migungen vorliegen, soll dann richtig losge­legt werden.

Wössner plädierte dafür, das durch die Lizenzen einge­nommene Geld möglichst wieder in den (mobilen) Netz­ausbau zu inves­tieren. Er wünscht sich eine "Aufbruch­stim­mung, wir wollen nach vorne". Es gäbe Diskus­sionen um neue Stand­orte, die grund­sätz­lich für alle Mitbe­werber offen stünden. Wössner ging auch einen Schritt weiter: Es müsse auch einmal genauer geklärt werden, "wie denn natio­nales Roaming im Detail aussehen soll", über das ja so viel gespro­chen wurde.

5G-Part­nerschaft mit Süd-Korea-Telekom

Die Telekom-Vorständin für Technik und Inno­vation, Claudia Nemat, berich­tete über die abge­schlos­sene Part­nerschaft mit der South Korean Telecom (SKT). Der Telekom-Vorstand ist gerade aus Seoul zurück gekommen und brachte umfang­reiche Eindrücke von 5G in diesem Land mit. "Dort werden Antennen inner­halb von 3 bis 4 Wochen geneh­migt und aufge­baut. Die kommende Diskussion wird sich um Senderstandorte drehen. Links sieht man Koreanische (Glasfaser-)Verkabelung und Antennenbauten, in Deutschland (rechts) eher undenkbar Die kommende Diskussion wird sich um Senderstandorte drehen. Links sieht man Koreanische (Glasfaser-)Verkabelung und Antennenbauten, in Deutschland (rechts) eher undenkbar
Bild/Grafik: Deutsche Telekom / Henning Gajek / teltarif.de
In Deutsch­land stehen ein Wust von natio­nalen und länder­spezi­fischen Vorschriften im Weg. Die "aben­teuer­liche" Glas­faser­verka­belung in Südkorea sei für Deutsch­land wohl eher kein Vorbild. Telekom-Kommu­nika­tions­chef Philipp Schin­dera gab zu: "Ich habe in meinem Leben noch nie so viele Speed­tests gemacht."

5G ist Weiter­bildung in der "Echt­zeit-Gesell­schaft"

Nemat sieht in 5G nicht nur die Platt­form für die viel beschwo­rene Indus­trie 4.0 oder die auto­mati­sierte Produk­tion. Nein, das sei auch eine Platt­form für Bildung und Weiter­bildung. "Wir befinden uns nun in der Echt­zeit-Gesell­schaft", stellte Nemat fest. 5G erlaube heute Geschwin­digkeiten um 1 GBit/s, theo­retisch seien aber bis zu 20 GBit/s möglich. "Wenn Sie einen James-Bond-Film vor der Reise herun­terladen wollen, geht das jetzt in 5 Sekunden." Längst sind welt­weit mehr Dinge (englisch "Devices") als Menschen mitein­ander vernetzt.

Inter­essant für Privat­kunden

Privat­kunden­vertriebs­chef Michael Hags­pihl legte in der Pres­sekon­ferenz aller­größten Wert darauf, auch 5G-Ange­bote für Privat­kunden vorstellen zu können. Wie schon berichtet, startet das Unter­nehmen mit zwei Unli­mited-Tarifen, wahl­weise mit und ohne Hard­ware. Vorge­stellt wurde das Samsung Galaxy S10 5G und der Mobile Router ("MiFi") von HTC, der in ausge­wählten T-Punkten bereits zu kaufen sein sollte. Eben­falls mit 5G ist das Huawei Mate 20 X 5G zu haben.

Datenblätter

Die Messungen der Telekom haben ergeben, dass der Durch­schnitts­kunde bereits jetzt 3 GB pro Monat im Netz über­trägt, wohl­gemerkt mit dem Handy. Rund eine Stunde verbringe er oder täglich mit Social Media.

Kunden, die schon den "unli­mited" Tarif gebucht haben, haben im Schnitt 70 Gigabit im Monat "auf der Uhr". "Harcore-Gamer" spielen daheim. Das Trend-Thema sei "Augmented Reality" jetzt auch mit Sport und Enter­tain­ment. Hags­pihl erin­nert sich, als 3G (UMTS) gestartet wurde. Wer würde sich auf einem damals kultigen Nokia-Handy "kleine Video­schnippsel" anschauen und verschi­cken? Er wurde damals für verrückt erklärt. Heute könne man Multi­player-Gaming welt­weit machen, viele Leute spielen "Fort­nite", würden es aber nicht zugeben.

Augmented Reality in der Praxis

Volksbelustigung in Korea: ein virtueller Drache im Stadion, der nur auf dem 5G-Handy sichtbar ist Volksbelustigung in Korea: ein virtueller Drache im Stadion, der nur auf dem 5G-Handy sichtbar ist
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wer ein Spiel der Telekom Baskets im Stadion oder am Handy verfolgt, kann auf dem Handy auf den jewei­ligen Spieler klicken und bekommt dann detail­lierte Infor­mationen: Wie heißt der Spieler, wieviel Körbe hat er schon geworfen? Wieviele hat er verpasst? Wie schnell, wie lange laufen die Spiele, Infor­mationen, die den Zuschauer zum zusätz­lichen Trainer und Experten machen können.

Die Teil­nahme an (Rock-)Konzerten ist über Telekom Magenta 360 Grad heute schon möglich. Jetzt kann der Zuschauer ein Avatar erstellen und am Konzert "live auf der Bühne" teil­nehmen, der eigene Avatar (oder ein reales Bild) wird auf die Bühne in passender Größe einge­fügt, Zuschauer könnten meinen, der Nutzer wäre wirk­lich auf der Bühne mit dabei gewesen.

Bei einem Publikum-Event in einem voll besetzten korea­nischen Stadion, flog ein virtu­eller Drache ins Stadion, nur auf dem mitge­brachten 5G-Handy sichtbar. Dem Drachen gingen die "Kräfte" aus, er drohte "abzu­stürzen". Nun mussten die Zuschauer an ihren Handys "reiben", um dem Drachen neue Kräfte zu geben. Das funk­tioniert natür­lich und stei­gert die Euphorie und die Stim­mung der Zuschauer im Stadion und "draußen" an den Geräten. Sportveranstaltungen werden auf dem Handy-Bildschirm mit Zusatzinformationen angereichert (AR) Sportveranstaltungen werden auf dem Handy-Bildschirm mit Zusatzinformationen angereichert (AR)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Abends vor dem Einschlafen kann man Lady Gaga oder Ariana Grande oder einen anderen Lieb­lings-Star, "lebens­echt" auf dem Nacht­tisch tanzen lassen.

5G mit "unli­mited" Daten­paketen

Der Schritt zur unbe­grenzten Öffnung des mobilen Daten­ange­botes, sei bewusst erfolgt. Einige Telekom-Mitar­beiter verraten am Rande, mit gemischten Gefühlen: 5G wird zunächst "nicht in jedem Tarif frei­geschaltet", das kommt schub­weise, aber "das ist ein schnelles Rennen" und könne sich bald ändern und werde sich weiter­entwi­ckeln.

Wer heute wegen 5G einen Vertrag unter­schreibt, sollte sich gleich ein Gerät mit 5G-Funk­tion dazu nehmen, rät Hags­pihl. Für die 5G-Modelle sind aktuell noch unge­wohnt Zuzah­lungen zu leisten, die bei knapp 600 bis 900 Euro liegen können. Rechnet man den offi­ziellen Laden­preis von etwa 900 bis 1250 Euro pro Gerät (ohne Vertrag) dagegen, sind die Ange­bote der Telekom immer noch inter­essant. Daneben "gibt es auch weiter Tele­fone für 1 Euro (bislang ohne 5G)" beru­higte Hags­pihl die skep­tischen Gesichter seiner Zuhörer.

Wann wird ältere Technik abge­schaltet?

Mit der offi­ziellen Einschal­tung von 5G stellt sich die Frage, wann bestehende Stan­dards verschwinden werden. Beispiels­weise wurde die Frequenz 2,1 GHz anfangs mit 3G (UMTS/HSPA) genutzt, jetzt kommt 4G auf dieser Frequenz ins Spiel und die Nutzung mit 5G ist absehbar. Nächstes Ziel sei die Abschal­tung von 3G, es sei aber noch kein Termin fest­gelegt, betonte die Telekom in Berlin.

Die Frage nach Huawei

Auf die Frage, nach der "Zukunft von Huawei", wollte Wössner keine Prognose wagen. Für den Kunden gebe es aber ein Rück­gabe­recht, falls es auf einmal keine Updates mehr geben sollte. Konkrete Details nannte Wössner dazu nicht.

Die Frage, ob Huawei im Kern-Netz der Telekom einge­setzt werde, ist noch nicht entschieden. "Wir sind bisher in der Über­prüfung. Wir schauen uns alle Kompo­nenten und alle Liefe­ranten an. Wir haben noch nix entschieden. wir werden uns nie von einem Liefe­ranten abhängig machen, auch die Euro­päer 'made in China' werden genau geprüft."

Huawei und die Toch­terfirma Honor räumen auf speziell einge­rich­teten Seiten Gerüchte zur aktu­ellen Lage aus dem Weg. Damit geben sowohl Huawei als auch Honor Zukunfts­verspre­chen.

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