Hintergrund

Analyse: Mobilfunk-Discounter nehmen Netzbetreibern die Kunden weg

112,397 Millionen SIM-Karten gab es in Deutschland Ende Juni. Die Discounter nehmen vor allem im Neukundengeschäft eine immer wichtigere Rolle ein. Wir analysieren die Quartalszahlen der Netzbetreiber mit aufschlussreichen Ergebnissen.
Von Thorsten Neuhetzki

Analyse der Quartalszahlen der Netzbetreiber Analyse der Quartalszahlen der Netzbetreiber
Bild: fotomek - Fotolia.com, Vodafone, Telekom, Telefonica, Montage: teltarif.de
Die Zahl der Mobilfunkanschlüsse in Deutschland steigt erstmals seit 2013 wieder. Das ergibt eine Auswertung der teltarif.de-Redaktion, in der die aktuellen Bilanzzahlen der Netzbetreiber des zweiten Quartals 2015 berücksichtigt wurden. Demnach haben die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica (E-Plus und o2) zusammen 112,397 Millionen SIM-Karten geschaltet. Drei Monate zuvor waren es noch 112,322 Millionen SIM-Karten, was einem Zuwachs von etwa 75 000 Kundenbeziehungen entspricht.

SIM-Karten
31.12.2013 115,23 Millionen
31.12.2014 112,629 Millionen
31.03.2015 112,32 Millionen
30.06.2015 112,397 Millionen
Quelle: Netzbetreiber, Statista
Zum 30. Juni berichtete die Telekom 39,465 Millionen aktive SIM-Karten, Vodafone 30,315 Millionen SIM-Karten und Telefónica 42,617 Millionen. Eine Aufteilung zwischen E-Plus-Netz und o2-Netz nimmt Telefónica nicht mehr vor. Alle Netzbetreiber haben aber eines gemeinsam: In der Regel werden die Discounter- und Provider-Kunden in den jeweiligen Netzen mit eingerechnet. Das bedeutet, dass das von Telefónica berichtete starke Kundenwachstum zum großen Teil auch auf seinen größten Untermieter, die Drillisch-Gruppe, zurückzuführen ist. Diese vermeldete unlängst 2,449 Millionen Kunden, mehr als 2,3 Millionen von ihnen dürften sich im o2-Netz bewegen.

Telefónica legt vor allem mit der Hilfe von Drillisch zu

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Bild: fotomek - Fotolia.com, Vodafone, Telekom, Telefonica, Montage: teltarif.de
Das relativiert gleichzeitig das vermeintlich starke Wachstum von Telefónica, die ein Kundenwachstum von 492 000 Kunden im ersten Halbjahr bzw. 438 000 Kunden im 2. Quartal berichteten. Werden die Drillisch-Zuwächse von 379 000 Verträgen im ersten Halbjahr bzw. 88 000 SIM-Karten im 2. Quartal davon abgezogen, so bleibt insbesondere auf das 1. Halbjahr gesehen bei Telefónica ein Wachstum von gerade einmal 113 000 Vertragsbeziehungen. Hier müssen dann auch noch die weiteren Discounter-Karten im o2- und E-Plus-Netz abgezogen werden, um die "echten" Zuwächse des Netzbetreibers zu erahnen. Leider gibt es hierzu keine belastbaren Zahlen.

Binnen Jahresfrist musste Telefónica allerdings deutlich Federn lassen. Zum 30. Juni 2014 meldete E-Plus 25,845 Millionen und o2 19,436 Millionen Nutzer, zusammen also 45,281 Millionen. Mit dem ersten gemeinsamen Bericht wurde diese Zahl jedoch deutlich kleiner - Angaben zu den Gründen gibt es nicht. Binnen Jahresfrist hat Telefónica demnach 2,664 Millionen Kunden verloren - möglicherweise aufgrund einer veränderten Zählweise nach der Übernahme von E-Plus.

Vodafone verliert kräftig, Telekom gewinnt Kunden

Nachhaltig düster sieht es bei Vodafone aus. Der Netzbetreiber hat binnen drei Monaten 628 000 aktive SIM-Karten in seinem Netz verloren. Innerhalb des ersten Halbjahres waren es 1,2 Millionen, binnen Jahresfrist 1,624 Millionen SIM-Karten. Unbestätigten Branchengerüchten zufolge berücksichtigt Vodafone in seinen Zahlen nicht die Zuwächse von United Internet (u.a. 1&1). Diese kämen in dem Fall dazu. Im ersten Quartal 2015 berichtete United Internet einen Zuwachs um 180 000 Verträge. United Internet vermarktet allerdings auch das E-Plus-Netz.

Die Telekom wies zum Ende des 1. Halbjahres einen Zuwachs um 265 000 Nutzer binnen drei Monaten aus. Der Anbieter hat gemessen an diesen Zahlen seine Delle Anfang des Jahres hinter sich gelassen. Zum Ende des Jahres 2014 fielen die Kundenzahlen leicht unter die 39-Millionen-Marke, auf Halbjahressicht wurden somit 476 000 Kunden gewonnen, binnen Jahresfrist jedoch nur 128 000 Kunden.

Analyse des Marktes in Relation zu den Kundenzahlen

Anbieter Kundenzahlen
Q2/2015
Veränderung
zu Q1/2015
Telekom 39,465 Millionen + 265 000
Vodafone 30,315 Millionen - 628 000
Telefónica 42,617 Millionen + 438 000
Drillisch 1) 2,449 Millionen + 88 000
Quelle: Bilanzen der Anbieter
1) Kunden sind auch in den Bilanzen
von Vodafone und Telefónica erfasst
Die Deutsche Telekom kann als mittlerweile nur noch zweiter im Markt (nach Kundenbeziehungen) weiter Kundenzuwächse verzeichnen. Der Anbieter profitiert hier offenbar von seinem gute ausgebauten Netz, das viele Kunden zu schätzen wissen. Die Telekom gewinnt nahezu jeden Netztest. Dabei gingen im 2. Quartal jedoch mehr Kunden zu einem Provider als zur Telekom: Von 408 000 zusätzlichen Laufzeitverträgen entschieden sich nur 172 000 für die Telekom direkt, die anderen für Provider und MVNOs. LTE gibt es im Telekom-Netz nur direkt bei der Telekom. Etwa mehr als 7 Millionen Kunden haben entsprechende Tarife.

Diese LTE-Politik könnte der Telekom beim starken LTE-Ausbau von Telefónica und den gleichzeitigen aggressiven Preisen des Bitstream-MVNO Drillisch mittelfristig auf die Füße fallen. Während die LTE-Tarife bei der Telekom erst bei 30 Euro monatlich beginnen, sind sie bei Drillisch schon mit einstelligen Euro-Beträgen, ab etwa 10 Euro sogar mit Allnet-Flat zu haben.

Tarife der Netzbetreiber zu teuer

Ähnlich restriktiv handhabt Vodafone die 4G-Freigabe. Hier wird immerhin den eigenen Prepaid-Kunden LTE-Zugang gewährt, nicht aber den Discounter- und MVNO-Kunden. Hier hat offenbar die Kundschaft schon mit Abwanderungen ob des hohen Preisniveaus beim Original-Netzbetreiber reagiert. Das dürfte auch Telefónica bei seinen eigenen Preisen über kurz oder lang zum Verhängnis werden: Eine Telefon- und SMS-Allnet-Flatrate mit 1 GB Daten und LTE kostet hier zwei Jahre lang 26,99 Euro monatlich, danach 29,99 Euro monatlich. Drillisch bietet einen vergleichbaren Tarif aktuell für 12,99 Euro monatlich an - ohne Vertragslaufzeit.

Unterm Strich gilt also für alle Netzbetreiber, in Hab-Acht-Stellung zu gehen. Die Kunden sind zunehmend weniger bereit, Preise um 30 Euro im Monat direkt an den Netzbetreiber zu zahlen, wenn es vergleichbare Tarife für die Hälfte oder einem Drittel des Preises gibt. So wachsen zwar die berichteten Kundenzahlen, allerdings sehr zu Lasten des Umsatzes und somit auch des Gewinns der Netzbetreiber - und das wiederum könnte sich langfristig in einer sinkenden Netzqualität widerspiegeln.

Wenn Sie die Details zu den einzelnen Anbietern im Detail nachlesen wollen, finden Sie hier unsere entsprechenden einzelnen Meldungen zu den Quartalszahlen: Telekom, Vodafone, Telefónica und Drillisch.

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