Studium: Mit dem Facebook-Master gegen Shitstorms kämpfen
Bernburg an der Saale
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Bernburg in Sachsen-Anhalt ist nicht gerade als
Hochburg der Internet-Bohème bekannt. Ein schmuckes Schloss prägt das Bild
der 36 000-Einwohner-Stadt, das alte Rathaus ruht auf schweren Mauern.
Nichts deutet darauf hin, dass in Bernburg Studenten im deutschlandweit
ersten Studiengang zu Twitter und Facebook an der Online-Kommunikation der
Zukunft arbeiten sollen. Doch genau das möchte der gebürtige Berliner Daniel
Michelis, der Professor an der örtlichen Hochschule Anhalt ist: In einem
Masterstudiengang will er ab April bis zu 30 künftigen Profis der
Kommunikationsbranche beibringen, wie sie soziale Netzwerke perfekt für den
Job nutzen.
Bisher gebe es an keiner staatlichen deutschen Hochschule einen Studiengang mit einem Schwerpunkt auf Twitter und Facebook, sagt der 36 Jahre alte Michelis, ein ausgebildeter Betriebs- und Kommunikationswissenschaftler. Er betrete absolutes Neuland mit dem Master Online-Kommunikation. Lediglich im schweizerischen Luzern gebe es Pläne für eine ähnliche akademische Ausbildung, weiß Michelis vom Austausch mit den dortigen Kollegen. Einige private Träger und die private Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld bieten in Deutschland Qualifikationen in dieser Richtung an.
Ziele: Professionelles und strategisches Arbeiten mit Social Media
Bernburg an der Saale
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"Es gibt da wirklich eine Lücke - die Leute kennen Facebook und Twitter aus
ihrem Privatleben", sagt Michelis. Wer sich aber die Online-Welt zunutze
machen will, um Produkte oder Dienstleistungen an den Mann zu bringen, stoße
an seine Grenzen. "Die Studenten lernen hier, die Brücke von der
alltäglichen Nutzung zu ihrer Arbeit zu schlagen." Wer sich für den
Studiengang interessiert, muss sich aber nun direkt bewerben - morgen (am 15.
Januar 2013) ist Anmeldeschluss.
Michelis will künftige Marketing-Profis nach Bernburg holen - und lockt mit vielen Projekten aus der Praxis und einem bis auf geringe Gebühren kostenlosen Studium. Für den Studiengang werden Studenten zugelassen, die schon einen Bachelor in Wirtschafts- oder Kommunikationswissenschaften in der Tasche haben. Selbst sie wüssten manchmal nicht, was alles mit Facebook, Twitter und den anderen sozialen Angeboten im Netz machbar ist. "Wahrscheinlich ist die Entwicklung zu schnell verlaufen", sagt Michelis - denn ständig gibt es neue Funktionen, Updates, Erweiterungen.
Kompetenzlücke für Social Media klafft in vielen Unternehmen
Facebook und Twitter studieren - ist das nötig? Zumindest die größeren Unternehmen hätten längst erkannt, wie gefährlich eine von Internet-Nutzern angezettelte Schmutzkampagne werden kann, auf die niemand richtig reagiere, meint die Geschäftsführerin des Kommunikationsverbandes, Katharina Stinnes. Vermeidbar seien solche als "Shitstorm" bekannten Ereignisse nur, wenn man auf Verbraucher zugehe. "Das ist keine Sache für den Praktikanten oder die Aushilfe."
Experten skeptisch sehen Bedarf für Master-Studium als gering an
Bei der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), einem Berufsverband für Kommunikationsprofis, ist Geschäftsführer Michael Kalthoff-Mahnke dennoch erstaunt über den Bernburger Studiengang. Die DPRG definierte jüngst mit weiteren Verbänden Standards für eine Zusatzausbildung zum "Social Media Manager". "Wir haben in diesem Rahmen erfahren, dass der Aus- und Weiterbildungsmarkt der Online-Kommunikation sehr in Bewegung ist", sagt Kalthoff-Mahnke. Eine akademische Ausbildung müsse darauf angepasst reagieren.
"Bedarf gibt es im hohen Maße", schätzt der Bildungsbeauftragte des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher, Ulrich Kirsch. "Sehr viele Unternehmen haben noch keine Online-Strategie, speziell was das Social Web angeht." Ob ein Masterstudium der beste Weg sei, bezweifelt Kirsch jedoch. Denn das Interesse unter den Jüngeren sei schon groß. Zurückhaltend und unerfahren beim Thema soziale Medien seien vor allem Ältere, die schon seit Jahrzehnten im Beruf seien.
Umzug nach Sachsen-Anhalt notwendig
Wer an der Bernburger Hochschule Facebook und Twitter studieren will, sollte übrigens zwangsläufig in die kleine Stadt an der Saale umziehen. Beim Online-Studium werde es ganz klassisch Seminare und Vorlesungen geben, sagt Professor Michelis: "Bei der 'Theorie der Online-Kommunikation' etwa geht es ums Lesen und Diskutieren, das müssen wir einfach gemeinsam vor Ort machen."