TV von den Stadtwerken: Besser als Kabelfernsehen?
Was haben Radolfzell am Bodensee, Langenfeld im Rheinland und Merseburg in Sachsen-Anhalt gemeinsam? Bei allen dreien handelt es sich um kleinere deutsche Städte. Alle drei haben eigene Stadtwerke. Und alle drei bieten inzwischen neben klassischen Dienstleistungen wie Strom, Gas und Wasser auch Telekommunikations-Dienstleistungen an, unter anderem neben Internet und Telefonie auch Fernsehen.
Manchmal gibt es von den Stadtwerken auch klassisches Kabelfernsehen, in der Regel transportieren sie das TV aber internetbasiert über moderne Glasfaser-Netze. Bei Neubauten treten die lokalen und regionalen Versorger inzwischen sehr selbstbewusst auf und bewerben aktiv All-inclusive-Angebote. Doch auch für bisherige Kabelkunden stellt sich die Frage, ob sich beim Fernsehen ein Wechsel zu den lokalen Versorgern lohnt.
Vorteile von IPTV
Fernsehen von den Stadtwerken, hier aus einer Werbung der Stadtwerke Schweinfurt
Bildquelle: Stadtwerke Schweinfurt, Screenshot: Michael Fuhr/teltarif.de
Gegenüber dem herkömmlichen Kabelfernsehen bietet IPTV einige Vorteile: IPTV steht für "Internet Protocol Television", die Übertragung des TV-Signals erfolgt also über das Internet und nicht wie bisher über Kabel oder Satellit. Das ermöglicht etwa zeitversetztes Fernsehen ("Timeshifting") sowie den Zugriff auf non-lineare Angebote wie Mediatheken oder Streaming-Dienste. Oft bieten die Stadtwerke auch selbst einen Katalog an Filmen auf Abruf per Video-on-Demand an.
Einen großen Unterschied zu den Kabelunternehmen wie Vodafone gibt es hier aber nicht mehr. Denn längst haben auch diese ihr Angebot deutlich ausgebaut und bieten heute etwa Zugriff auf internetbasiertes Streaming von Netflix, DAZN, Filme on Demand und vieles mehr. Bei Vodafone kann man inzwischen auch ohne TV-Kabelanschluss mit dem GigaTV Net-Angebot in HD-Qualität übers Internet fernsehen.
Preisvergleich ist wichtig
Eines der Kriterien, ob man das IPTV-Angebot der Stadtwerke dem der Kabelnetzbetreiber bevorzugt, ist natürlich der Preis. Wir haben uns als Beispiel einmal das IPTV-Angebot der Stadtwerke Bühl (Baden-Württemberg) angeschaut. Hier gibt es drei Basispakete mit jeweils 78 TV-Sendern zu 9,99 Euro, 13,99 Euro und 15,99 Euro pro Monat. Unterschiede gibt es bei der Anzahl der Aufnahmen in Stunden sowie bei der Anzahl der gleichzeitigen Streams. Die teureren Tarife bieten darüber hinaus Zusatzfunktionen wie Sendungen pausieren (Timeshift) oder Sendungen neu starten (Restart). Wer mehr Fernsehen will, kann Zusatzpakete wie Family TV oder diverse Fremdsprachenpakete hinzubuchen.
Beim Kabel-Marktführer Vodafone kostet das Standardangebot Giga TV Cable 14,99 Euro im Monat. Dieses bietet aktuell über 150 Sender in SD und HD, hinzu kommen aber noch die Kosten für den Kabelanschluss, die je nach Hausgröße und -art variieren sowie ein Bereitstellungsentgelt. Wer zusätzlich oder alleine internetbasiertes Fernsehen will, zahlt bei Vodafone für "GigaTV Net" ebenfalls 14,99 Euro monatlich. Hier bekommt man knapp über 120 Sender in SD und HD sowie diverse On Demand-Angebote.
Vor allem Neukunden profitieren von den Angeboten der Stadtwerke, denn häufig gibt es auch Einführungs- und Sonderangebote, erst recht, wenn sich der Kunde dazu entscheidet alles aus einer Hand zu buchen, also neben Gas, Wasser und Strom auch Internet und TV.
TV-Angebot variiert von Anbieter zu Anbieter
Was das TV-Angebot angeht, variiert dieses nicht nur zwischen den klassischen Kabelnetzbetreibern und den Stadtwerken. Es gibt auch untereinander Unterschiede. Natürlich sind die wichtigsten Free-TV-Sender überall verfügbar, doch schon beim Pay-TV-Angebot gibt es große Unterschiede. Wer etwa an den Sendern von Sky interessiert ist, bekommt das Angebot nicht bei allen Stadtwerken direkt, sondern oft nur über den internetbasierten Umweg mit Sky Q. Kunden sollten sich also vor dem Vertragsabschluss genau anschauen, welche Programme bei den jeweiligen Stadtwerken im IPTV-Paket enthalten sind und ob der Kabelnetzbetreiber die eigenen Bedürfnisse nicht besser befriedigt - oder umgekehrt.
Technische Voraussetzungen
Als Voraussetzung zum Bezug der TV-Angebote der Stadtwerke gilt in der Regel ein Internetanschluss, der ebenfalls dort buchbar ist. Das TV-Angebot ist auf mehreren Endgeräten nutzbar, etwa per App auf Smartphones, Tablet, Computer oder am großen Smart-TV im Wohnzimmer. Hierfür stellen die Stadtwerke zumeist eine Set-Top-Box zum Kauf oder zur Miete bereit.
Wer bereits einen Fire TV-Stick, Apple TV oder Android TV zu Hause hat, kann das IPTV-Angebot häufig auch ohne Set-Top-Box per App einfach auf dem Streaming-Device nutzen. Mit der App fürs Smartphone und Tablet können Kunden auch unterwegs Aufnahmen planen.
TV-Angebot kommt in der Regel nicht von den Stadtwerken selbst
IPTV von Ocilion
Bild: Ocilion
Die Stadtwerke bieten das Fernsehen zumeist nicht selbst an, sondern greifen auf sogenannte vorgefertigte White-Label-Lösungen von B2B-Unternehmen zurück. Die fertigen Pakete kommen von Anbietern wie waipu.TV, M7 Deutschland, Zattoo, Purtel oder Ocilion. Als Content-Aggregrator mit TV-Lizenzen für IPTV und OTT bieten diese ihren Geschäfts-Kunden ein umfassendes Senderangebot aus Free-TV-Sendern in HD, Premium-PayTV-Pakete für alle Zielgruppen, Video-on-Demand, Streamingdienste und Mediatheken, zumeist gepaart mit Multiscreenrechten sowie Lizenzen für Restart, Replay und Personal Video Recorder (PVR).
Die Stadtwerke als Netzbetreiber können damit ihren Kunden ein IPTV-Produkt unter ihrer eigenen Marke mit TV-Paketen, interaktiven Funktionen, Video-On-Demand-Service, 4K-Set-Top-Boxen und Apps für Fernseher, Smartphones und Tablets anbieten.
Alles aus einer Hand: Fluch und Segen zugleich
Wer eine Neubauwohnung oder ein Haus bezieht und vor der Frage steht, ob er das Fernsehen direkt über Satellit, über den klassischen Kabelnetzbetreiber oder die Stadtwerke bezieht, sollte neben einer Preiskalkulation und dem angebotenen TV-Portfolio auch andere Vor- und Nachteile abwägen. Ein Vorteil des Angebotes der Stadtwerke ist, dass man alles aus einer Hand hat, also oft auch bei Problemen auf den gleichen Ansprechpartner zurückgreifen kann.
Was dort ein Segen scheint, kann aber auch zum Fluch werden. Sollte etwa das Internet ausfallen, ist auch kein Fernsehen mehr möglich, während man über Satellit und das klassische Kabel in diesem Fall noch weiter fernsehen kann. Umgekehrt kann ein Kabelkunde im Falle eines Ausfalls häufig noch TV-Angebote per Internet streamen, sofern er nicht auf ein Triple-Play-Angebot des Kabelnetzbetreibers zurückgreift, das auch den Internetanschluss beinhaltet.
Alles eine Sache der persönlichen Abwägung
Alles in allem sprechen also mehrere Faktoren für und wider das TV-Angebot der lokalen Stadtwerke. Letztendlich ist es eine individuelle Abwägung, die sich an Kriterien wie Preis, Sonderkonditionen und dem angebotenen Portfolio orientieren. Eine Option ist freilich auch, auf das IPTV der Stadtwerke zu verzichten und nur deren Internetanschluss zu nutzen, um dann direkt Angebote von waipu.tv oder Zattoo zu buchen.
In vielen Neubaugebieten stellt sich die Frage aber oft auch nicht mehr, denn wo modernes Glasfaser liegt, bauen die Kabelnetzbetreiber häufig ihre Netze gar nicht mehr aus. Und wer dann auch keine Möglichkeit hat, eine Satelliten-Antenne aufzubauen, der kann manchmal nur noch auf das lokale Angebot der Stadtwerke zurückgreifen.
In einer Übersicht haben wir die TV-Angebote der größten Internet-Provider im Tarif-Vergleich zusammengestellt und dabei auch einige Stadtwerke und regionale Energieversorger berücksichtigt.