Tarife

So rechtfertigen Provider die teuren deutschen Handy-Verträge

In zehn EU-Ländern bekommt man für 30 Euro schon eine echte Flatrate, bei der Telekom sind zum gleichen Preis nur 2 GB inklusive. Aber auch Vodafone und o2 bieten ungünstigere Tarife als viele Anbieter im Ausland.
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Deutsche Mobilfunkkunden blicken oft neidisch in die Nachbarländer. So gibt es wie berichtet beispielsweise in Österreich beim Discounter mittlerweile eine echte LTE-Daten-Flatrate für knapp 25 Euro im Monat. Dabei müssen sich die Kunden nicht einmal langfristig an den Anbieter binden. In Litauen, wo die Kaufkraft der Verbraucher freilich nicht mit der deutscher Kunden vergleichbar ist, kostet die echte Flatrate sogar nur knapp 16 Euro.

Neben den hohen Kosten frustrieren in Deutschland oft das vergleichsweise geringe im Preis enthaltene Datenvolumen. Zudem werden die Nutzer nach dem Verbrauch entweder extra zur Kasse gebeten oder sie müssen mit einer Daten-Drossel leben, die den Online-Zugang faktisch unbrauchbar macht. Dass es auch anders geht, hat beispielsweise AT&T in den USA bewiesen, dessen Prepaidkarte wir vor geraumer Zeit einem Test unterzogen haben.

Netzbetreiber rechtfertigen Kosten

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Doch wie rechtfertigen die deutschen Mobilfunk-Netzbetreiber die für die Kunden vergleichsweise schlechten Vertragsbedingungen? Dieser Frage ist das Magazin Stern jetzt nachgegangen. Die Antworten, die die Kollegen von den Pressestellen der Provider erhalten haben, lenken zum Teil vom eigentlichen Thema sogar ab. So teilte Vodafone auf Anfrage lediglich mit, mit seinem Tarifportfolio "weitestgehend alle Nutzungsszenarien" abzudecken.

Das stimmt sogar, denn mit dem Black Business+ hat die Düsseldorfer Telefongesellschaft sogar eine echte Flatrate im Angebot. Diese ist allerdings nur für Geschäftskunden erhältlich und über den Monatspreis von rund 200 Euro kann auch Tatsache nicht hinwegtrösten, dass der Tarif nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in Kanada ohne Aufpreis genutzt werden kann und der Kunde jedes Jahr ein neues Smartphone bekommen kann. Die Aussage, man bleibe "für weite Bevölkerungskreise erschwinglich", stimmt zumindest für Kunden, die eine echte Flatrate brauchen, nicht.

Immerhin geht Vodafone mittlerweile den Weg, mehr Inklusivvolumen in seine Tarife zu packen. Im Rahmen einer derzeit laufenden Aktion bekommen Interessenten sogar das doppelte Datenvolumen im Vergleich zur regulären Leistung im jeweiligen Red-Vertrag. Dafür droht nach Verbrauch eine Datenautomatik bzw. eine Drosselung auf 32 kBit/s, was im Jahr 2017 in der Praxis bedeutet, dass der Kunde offline ist.

Telekom und Telefónia: "Die UMTS-Lizenzen waren so teuer"

Von der Deutschen Telekom und von Telefónica erhielt der Stern die Antwort, die wir schon seit Jahren kennen. Die Mobilfunkfrequenzen seien in Deutschland teuer, zudem koste der Netzaufbau viel Geld. Der Telekommunikationsexperte Torsten Gerpott lässt diese Argumente aber nicht gelten. Gegenüber der ARD-Tagesschau sagte Gerpott, die Kosten für die teuren UMTS-Lizenzen seien längst abgeschrieben. Die Telefongesellschaften wollten vielmehr ihre hohen Gewinne verschleiern.

o2 bietet echte Flatrate mit Einschränkungen

Telefónica hat im September o2-Free-Tarife mit deutlich mehr Datenvolumen als zuvor eingeführt. Zudem können die Kunden über UMTS und auf 1 MBit/s beschränkt nach Verbrauch des Highspeed-Volumens "endlos weitersurfen". Ist die Begrenzung auf 1 MBit/s durchaus akzeptabel, so ist der Verzicht auf den LTE-Zugang eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Zudem liegen die o2-Free-Verträge mit monatlich 10 GB und mehr Highspeed-Volumen preislich auf einem Niveau, auf dem es in anderen europäischen Staaten schon echte Flatrates gibt.

Betreiber verweisen auf hohe Kosten für Netzaufbau Betreiber verweisen auf hohe Kosten für Netzaufbau
Foto: teltarif.de
Die Telekom bietet mit MagentaMobil XL Premium eine echte Flatrate an - allerdings auf einem ähnlichen preislichen Niveau wie Vodafone. Gegenüber dem Stern argumentierten die Bonner: "Unterschiedliche wirtschaftliche und geographische Rahmenbedingungen führen zu unterschiedlichen Tarif- und Preisgestaltungen in den Ländern der Europäischen Union." Der Ex-Monopolist verweist ferner auf sein unbegrenztes Streaming mit StreamOn, das aber wiederum nicht für alle Dienste, sondern nur für Anbieter gilt, die mit der Telekom eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben.

Allerdings kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Telekom preislich die am wenigsten attraktiven Vertragsangebote auf dem deutschen Markt hat. Für rund 30 Euro im Monat bekommen die Kunden gerade mal 2 GB Highspeed-Volumen zusätzlich zur Allnet-Flat. Bei Vodafone gibt es fürs gleiche Geld das doppelte Volumen, bei o2 sogar 10 GB. In zehn EU-Staaten gibt es für ebenfalls etwa 30 Euro aber schon eine echte Flatrate, in Frankreich immerhin 100 GB.

Attraktivere Konditionen nicht absehbar

Eine Antwort darauf, wann die deutschen Mobilfunktarife preislich auf das Niveau der Nachbarstaaten fallen, gab es von keinem der drei Netzbetreiber - und das, obwohl die Unternehmen zugeben, dass die Kunden den mobilen Internet-Zugang auch hierzulande immer intensiver nutzen. Stattdessen freuen sich die Anbieter über Kunden, die Datenpakete nachbuchen, wenn ihr Internet-Zugang gedrosselt wurde, oder bei denen sogar die Datenautomatik greift, was schlussendlich zu zusätzlichen Einnahmen beim Provider führt.

Während Vodafone und o2 zumindest das Inklusivvolumen ihrer bestehenden Verträge nach oben anpassen, verhält sich die Telekom diesbezüglich sehr zurückhaltend. Die intensiv beworbene StreamOn-Option ist im günstigsten MagentaMobil-Tarif gar nicht erhältlich, Datenvolumen erhöht wurde in diesem Jahr nur in den beiden kleinsten Smartphone-Tarifen, nicht aber in den Verträgen für Vielnutzer, obwohl diese ohnehin schon vergleichsweise hohe Kosten für ihre Tarife zu tragen haben.

Eine Änderung der Preispolitik ist gerade bei der Telekom vorerst nicht absehbar, denn der Bonner Provider verfügt über einen entscheidenden Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern: Die Netzqualität der Telekom ist von Vodafone und Telefónica unerreicht, der Flächenausbau mit LTE ist deutlich weiter fortgeschritten wie bei den beiden anderen deutschen Mobilfunkbetreibern. Auch wenn vor allem Vodafone gegenüber der Telekom aufgeholt hat, zeigen alle in den vergangenen Monaten veröffentlichten Netztests, dass das Netz des Bonner Telekommunikations­unternehmens hierzulande derzeit die Referenz ist - und genau das lässt sich die Telekom von ihren Kunden entsprechend teuer bezahlen.

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