IT-Branche hat keine Lust auf strenge EU-Datenschutzregeln
Dieter Kempf, Viviane Reding und Jan Philipp Albrecht beim politischen Abend des BITKOM
Bild: BITKOM, Europäische Kommission, F. Schumann
Die Computer- und Telekommunikationsbranche
plädiert für mehr Spielraum bei geplanten europaweiten
Datenschutzregeln. Eine kontrollierte Verwendung von Nutzerdaten
müsse möglich bleiben, "um uns in Deutschland und Europa nicht
abzuhängen von modernen Entwicklungen in der Informations- und
Kommunikationstechnologie", sagte der Präsident des
IT-Branchenverbands BITKOM, Dieter Kempf, gestern in Berlin.
Deutsche Unternehmen würden sonst international abgehängt. Der
Rechtsrahmen müsse etwas weiter gefasst werden als derzeit geplant,
um Anpassungen an technologische Entwicklungen zu erlauben.
Das deutsche Datenschutzrecht etwa habe es nicht geschafft, "die extrem dynamische Entwicklung der letzten 30 Jahre in irgendeiner Form nachzuvollziehen", kritisierte Kempf. "Natürlich mahnen wir Nachbesserungen an", sagte er zur geplanten Datenschutzverordnung. Der BITKOM hatte zuvor vorgeschlagen, beim Datenschutz stärker auf Selbstverpflichtungen der Industrie zu setzen. Nur so könnten Datenschutzregeln mit dem hohen Innovationstempo der Technologiewelt mithalten.
Viviane Reding: Datenschutz könnte Wettbewerbsvorteil werden
Dieter Kempf, Viviane Reding und Jan Philipp Albrecht beim politischen Abend des BITKOM
Bild: BITKOM, Europäische Kommission, F. Schumann
EU-Justizkommissarin Viviane Reding sagte der dpa, eine
Selbstverpflichtung sei nur innerhalb des gesetzlich vorgegebenen
Rahmens möglich. "Aber Selbstverpflichtung heißt nicht, dass man die
Gesetze nicht einhält. Man hält die Gesetze ein, aber sucht nach
speziellen Geschäftsmodellen." Unternehmen könnten beispielsweise
gemeinsame Vorgaben für eine Datenschutz-Zertifizierung erarbeiten.
Sie erwarte, dass Datenschutz sich zum Wettbewerbsvorteil entwickeln
werde.
Reding betonte, eine europaweit einheitliche Verordnung sorge für weniger Verwaltungsaufwand. "Ich glaube, der Vorschlag, den ich auf den Tisch gelegt habe, ist der größte Bürokratieabbau in den letzten Jahren", sagte Reding auf der BITKOM-Veranstaltung. Weil die EU-weite Regelung die Vorgaben der einzelnen Mitgliedsstaaten vereinheitliche, hätten Unternehmen es künftig einfacher und sparten Kosten. Außerdem sollten einige Vorgaben für kleine und mittelständische Unternehmen gelockert werden. "Es wird entrümpelt", sagte sie.
Nationales Datenschutzrecht versus weltweit agierende Konzerne
Mit der Verordnung sollten Datenschutzbestimmungen wieder durchsetzbar gemacht werden, sagte EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht (Grüne). Nationales Datenschutzrecht greife nicht gegenüber weltweit agierenden Konzernen, die Daten grenzübergreifend verarbeiteten. "Die Datenschutzverordnung soll ja deshalb einen Standard für den europäischen Markt schaffen, damit das geltende Recht durchgesetzt werden kann", sagte er. Das Argument, strengere Regeln könnten Innovation behindern, ließ er nicht gelten. Viele Geschäftsmodelle, die auf der Verarbeitung von Daten basierten, könnten auch mit anonymisierten Informationen umgesetzt werden. Auch darin liege wirtschaftliches Potenzial.
Diskussion gab es um das sogenannte Recht auf Vergessen, das Nutzern die Löschung ihrer Daten zusichert sowie die Vorgabe, eigene Daten zu anderen Diensten mitnehmen zu dürfen. Diese Regel sei mit Blick auf soziale Netzwerke formuliert, für andere Unternehmen jedoch schwer umsetzbar, kritisierte BITKOM-Präsident Kempf. Reding dagegen sagte: "Wenn man etwas speichern kann, kann man es auch löschen."