10 Jahre DAB+-Bundesmux: Die unvollendete Revolution
Mit dem Sendestart der ersten nationalen Programmplattform am 1. August 2011, dem "ersten Bundesmux", begann vor zehn Jahren mit dem Radiostandard DAB+ in Deutschland die Geschichte des digitalen Nachfolgers von UKW. Zuvor wurde der Standard, der das alte und erfolglose DAB ablöste, bereits in Sachsen, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz von MDR, SWR und einigen Privatradios erprobt.
DAB+ löst die Frequenzknappheit von UKW auf, die vom Fraunhofer Institut in Erlangen entwickelte Audio-Komprimierung AAC ist moderner und effizienter als die des Vorgängers DAB; schließlich war dies der erste wichtige Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der Programme von privaten und öffentlich-rechtlichen Radiosendern.
Sendernetz hat noch kleine Lücken
10 Jahre Digitalradio DAB+ in Deutschland
Logo: Digitalradio Deutschland / krix.fm
Aus den ursprünglich 27 Funktürmen, von denen die bundesweiten Programme zunächst in Ballungsräumen verbreitet wurden, entstand in nur zehn Jahren ein digitales Sendernetz mit inzwischen 149 Funktürmen im gesamten Bundesgebiet. Netzbetreiber ist Media Broadcast.
Und dennoch gibt es noch Landstriche vor allem im ländlichen Raum und entlang der Bundesgrenze, in denen das Netz bisher nur schlecht oder noch gar nicht zu empfangen ist. Beispiele sind Teile des Mosel- und Nahetals und dem Hunsrück in Rheinland-Pfalz oder das Murgtal im Schwarzwald. Derzeit liegt die Inbetriebnahme weiterer Sendeanlagen auf Eis. Aufgrund der ausbleibenden Erhöhung des Rundfunkbeitrages hatte Deutschlandradio den Ausbau des Sendenetzes bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ausgesetzt.
Bundesweite starke Radiomarken
Eine Revolution war der Start des ersten Bundesmux dennoch. Erstmals ermöglicht der DAB+-Multiplex die nationale Verbreitung von Privatradios. Spezielle Zielgruppenformate, wie zum Beispiel der Electronic-Music-Sender sunshine live oder das bundesweite Rockradio BOB! konnten ihre Programme über Antenne fortan bundesweit anbieten und gehören heute mit zu den meistgehörten Radiosendern in Deutschland. Weitere starke bundesweite Marken im Bouquet sind Energy (national) oder Absolut Relax.
Auch das öffentlich-rechtliche Deutschlandradio profitiert massiv von DAB+. Die beiden Programme Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur haben auf UKW nur ein sehr löchriges Sendernetz, obwohl jeder Haushalt dafür zahlen muss. Über DAB+ sind sie fast bundesweit zu hören. Mit Deutschlandfunk Nova strahlt Deutschlandradio ein Programm mit Wissensthemen und Musik gegen den Mainstream sogar exklusiv über das digitale Radio aus.
In Einzelfällen haben Privatsender und Deutschlandradio bereits UKW-Frequenzen zurückgegeben, um Potenziale zu heben, die mit der wirtschaftlicheren Verbreitung über DAB+ im Vergleich zu UKW einhergehen.
Kommen und Gehen von Programmen
Mit der Zeit kamen und gingen aber auch Programmveranstalter: Das hochgelobte Fußballradio 90elf musste den Sendebetrieb beenden, nachdem die Deutsche Fußball Liga (DFL) dem Betreiber Regiocast keine Ausstrahlungsrechte mehr erteilte. Das Berliner Kiss FM sollte eine nationale Marke werden, die Inhaber waren jedoch in der Anfangszeit mit dem Marketing und den Nutzerzahlen nicht zufrieden und zogen sich wieder zurück. Lounge FM hatte nicht den finanziellen Atem und musste Insolvenz anmelden.
Selbst Klassik Radio und Energy standen kurz davor, von einer Sonderkündigungsklausel Gebrauch zu machen und wollten 2014 wieder aus dem Bundesmux aussteigen. Zu diesem Zeitpunkt blieben die Hörerzahlen auf DAB+ noch weit hinter den Erwartungen zurück. Heute zählen beide zu den stärksten digitalen Marken im deutschen Hörfunkbusiness. Schwarzwaldradio und Radio Schlagerparadies rückten später in den ersten Bundesmux nach und sind heute ebenfalls etabliert.
Im Oktober 2020 folgten weitere private Anbieter mit Interesse an einer nationalen Verbreitung, darunter bekannte Privatradiomarken wie RTL, Antenne Bayern, Energy oder Absolut Radio. Mit dem Start der zweiten nationalen DAB+-Programmplattform wuchs die Zahl der national ausgestrahlten Programme auf bis zu 29. Neben neuen Programmgeschwistern etablierter Anbieter, wie Klassik Radio Beats und Radio Energy mit Nostalgie, gehören dazu auch innovative Zielgruppenformate wie dpd Driver’s Radio, Femotion, ein Radio von und für Frauen, und das Sportradio Deutschland der Teutocast GmbH.
Positive Marktentwicklung, DAB+-Nutzung steigt
Parallel zur Vergrößerung der Programmvielfalt entwickelt sich der Markt für neue DAB+-Empfänger und Adapter zur Nachrüstung. Mit zuletzt zweistelligen Zuwachsraten für das Jahr 2020 (plus 15,2 Prozent relatives Wachstum zum Vorjahr) steigt die Nachfrage nach DAB+-Radiogeräten weiter: Zwischen Januar und Mai 2021 wurden laut Branchenindex HEMIX in Deutschland 756.000 DAB+-Geräte verkauft (plus 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Der Umsatz mit den Digitalradios betrug in diesem Zeitraum 101 Millionen Euro (plus 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).
In mehr als einem Viertel aller Haushalte steht inzwischen ein DAB+-Gerät, dies sind weit über 17 Millionen Geräte. Laut Digitalisierungsbericht der Medienanstalten war DAB+ in den vergangenen Jahren der Radio-Verbreitungsweg mit dem stärksten Wachstum. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt der erste Bundesmux.
Bei Aldi Süd gibt es aktuell ein All-in-One-Musiksystem mit DAB+.