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Bundestag: Hacker-Angriff weiterhin außer Kontrolle

Seit drei Wochen wird der Bundestag von Hackern angegriffen - und noch immer ist die Cyberattacke nicht vollständig abgewehrt. Auch ist nicht bekannt, wer die Angreifer sind, noch welche Daten sie bisher erbeuten konnten.
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

Der Hacker-Angriff auf den Bundestag ist noch immer nicht unter Kontrolle Der Hacker-Angriff auf den Bundestag ist noch immer nicht unter Kontrolle
Bild: dpa
Seit Anfang Mai findet eine massive Hacker-Attacke auf Computer des Bundestags statt - und sie ist auch nach drei Wochen noch nicht vollständig abgewehrt. "Die Sache ist noch nicht beendet", sagte ein Parlamentssprecher der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er bestätigte Berichte, nach denen möglicherweise ein Neuaufbau der Technik nötig wird. "Es ist möglich, dass Teile der IT-Infrastruktur neu aufzusetzen sind." Informationen, nach denen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wegen der Angelegenheit eine vorgezogene Sommerpause erwäge, wies er hingegen als "baren Unsinn" zurück. Der Hacker-Angriff auf den Bundestag ist noch immer nicht unter Kontrolle Der Hacker-Angriff auf den Bundestag ist noch immer nicht unter Kontrolle
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"Ich bin sehr besorgt, weil keine der zuständigen Sicherheitsbehörden bisher in der Lage zu sein scheint, den Angriff unter Kontrolle zu bringen", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke. "Die Verunsicherung unter den Abgeordneten ist groß, weil es faktisch keine konkreten Informationen gibt." Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sind mit der Aufklärung der Attacke betraut.

Komplettes Bundestags-Netzwerk infiziert

Auch Parteikollege Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, ist ratlos: "Bezüglich der Art und Intensität des Angriffs herrscht noch immer völlige Unklarheit", sagte der Netzpolitiker. "Angaben, welche Büros betroffen, welche Daten abgeflossen und inwieweit auch geheim tagende Gremien von dem Angriff betroffen sind, haben die Abgeordneten bis heute nicht erreicht."

Am vergangenen Freitag war öffentlich bekanntgeworden, dass Computer im Netzwerk des Bundestags "Parlakom" mit einem komplexen Schadprogramm infiziert worden waren. Die Hacker hatten nach einem Bericht von Spiegel Online Anfang Mai zunächst die Computer einer Fraktion mit einem Trojaner infiziert und sich auf diese Weise Zugang zu Administrator-Passwörtern verschafft. Damit sei es ihnen gelungen, ins das gesamte Bundestags-Netzwerk einzudringen.

Das Thema beschäftigte gestern auch die zuständige Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik, eine Unterkommission des Ältestenrates des Bundestages. Zeit Online berichtete, dort sei zu hören gewesen, dass wegen des Trojaners noch immer Daten aus den Rechnern des gesicherten Bundestagsnetzes abfließen. Lammert sagte: "Entgegen Mutmaßungen in der Öffentlichkeit sind Datenabflüsse aus dem Netz des Deutschen Bundestages bisher nicht nachweisbar."

Ernsthafte Konsequenzen gefordert

"Der Bundestag muss aus diesen Angriffen die richtigen Konsequenzen ziehen und seine IT-Infrastruktur von Grund auf überprüfen", forderte Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD. "Es gibt die eindeutige Erwartung an den Bundestag, dass er alles tut, um die Vertraulichkeit unserer Kommunikation zu schützen."

Auch die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Ulla Jelpke, verlangte Gegenmaßnahmen. Für mehr Sicherheit sollten etwa Betriebssystem und Software des Parlaments auf Open-Source-Produkte umgestellt werden. Zudem solle eine Verschlüsselung von E-Mails und Dateien auf allen Computern möglich sein.

Nach Informationen der Welt führt die Suche nach den Urhebern des Cyberangriff nach Osteuropa. Demnach hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits Anfang Mai den ersten Hinweis auf einen Angriff geliefert. Die für Spionageabwehr zuständige Abteilung belkam dem Bericht zufolge aus dem Ausland den Hinweis, dass mindestens zwei Computer aus dem Bundestag verdächtige Server in Osteuropa kontaktiert hatten. Die Komplexität des Trojaners lasse Experten zufolge darauf schließen, dass Geheimdienste hinter der Attacke stecken. Allerdings könne es sich auch um Cyber-Kriminelle handeln.

Parlakom ist anfällig

Der Bundestag gilt bei IT-Sicherheitsexperten als eine schwer zu verteidigende Einrichtung, weil an das Netzwerk mehr als 600 Abgeordnete und Tausende Mitarbeiter angeschlossen sind. Für einen Angreifer bieten sich deshalb unzählige Möglichkeiten, einen Trojaner etwa über eine manipulierte E-Mail einzuschleusen. Ein hochrangiger Beamte erklärte gegenüber der Welt: "Man muss sich das vorstellen wie ein Haus mit 100 000 Fenstern - an jedem kann der Einbrecher rütteln, eins geht vielleicht auf."

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