Insellösung

Harsche Kritik am Funknetz der Polizei

Chef der Polizeigewerkschaft: "Sicherheitsbehörden verharren in Funktechnik-Steinzeit"
Von Thomas Wischniewski

Zur Fußball-WM 2006 soll Sicherheit in Deutschland die oberste Priorität haben. So sind unter anderem schärfere Grenzkontrollen vorgesehen, die Überwachung des Luftraums wird verschärft, Randalierer sollen schneller weggesperrt werden können. Bundesinnenminister Otto Schily will in Berlin sogar eigens eine Sicherheitszentrale einrichten, die alle Aktivitäten von Polizei und Rettungskräften koordiniert.

Analoges Funknetz stammt aus den 70er Jahren

Eines scheinen die Planer dabei aber übersehen zu haben - ein neues Funknetz für die Polizei. Eine bislang unveröffentlichte Warnung des Chefs der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg, kommt zu einem vernichtendem Fazit: „Niemand will eine Garantie dafür abgeben, dass es zur WM 2006 nicht zu einem absoluten Durcheinander und zu einer massiven Gefährdungslage kommt“, zitiert der Berliner Tagesspiegel in seiner heutigen Ausgabe Freiberg. Grund für die Warnung ist die veraltete Kommunikationstechnik der Polizei. Das analoge Funknetz stammt noch aus den 70er Jahren und zeichnet sich durch Störanfälligkeit aus. Zudem sei es häufig überlastet und nicht abhörsicher.

Über den seit Jahren anhaltenden Streit zwischen Bund und Ländern um die Finanzierung eines modernen digitalen Polizeifunks haben wir schon mehrmals berichtet. Bislang ermöglicht das bestehende Netz nicht einmal, weitere Sicherheitskräfte - etwa Grenzschutz, Feuerwehr und Rettungsdienste - mit an Bord zu nehmen. Der Chef der Polizeigewerkschaft fällt daher auch ein deutliches Urteil: „Die deutschen Sicherheitsbehörden verharren in der Funktechnik-Steinzeit, während selbst osteuropäische Länder über digitale Funktechnik verfügen." Ganz konkret bekommen die Einsatzkräfte die Mängel der veralteten Technik vor allem bei Großeinsätzen zu spüren - etwa beim Elbe-Hochwasser im Jahr 2002.

Flächendeckendes Netz frühestens Ende 2010

Im Bundesinnenministerium ist man sich des Problems anscheinend bewusst. Mittlerweile drängt man hier auf die neue Technik. Am 10. Mai treffen sich Vertreter von Bund und Ländern, um über einen Zeitplan für das Projekt abzustimmen. Allerdings existiert derzeit nicht einmal eine Ausschreibung für die Versorgung mit der neuen Technik. Das letzte Angebot zur Umsetzung war auch nicht ganz billig: Immerhin 2,3 Milliarden Euro veranschlagte der Telekommunikationsanbieter Vodafone in einem Angebot vom Ende letzten Jahres. Und Experten zweifeln eh dran, ob das Projekt bis zur Fußball-WM 2006 realisiert werden kann. "Für ein flächendeckendes Netz würden wir drei Jahre brauchen", sagte Axel Birkholz, Mobilfunk-Chef der Telekom-Tochter T-Systems dem Tagesspiegel. "Das klappt bis zur WM nicht mehr." Das sieht man anscheinend auch beim Bund und in den Ländern mittlerweile so. Mit einer Fertigstellung des Gesamtnetzes sei wohl erst "zum Jahresende 2010" zu rechnen.

Bundesinnenministerium plant zur WM Insellösung

Daher plant Bundesinnenminister Schily jetzt, den Digitalfunk für die Sicherheitskräfte rechtzeitig wenigstens in den zwölf WM-Städten aufzubauen. Vorbild für diese kurzfristige Lösung sind die in diesem Sommer stattfindenden Olympischen Spiele in Athen. Auch hier wurde recht kurzfristig ein modernes Funknetz rund um die Wettkampfstätten installiert. Doch diese Insel-Lösungen haben große Nachteile: Sie verursachen Zusatzkosten und bergen Risiken. In Extremfällen dürfte es schwierig werden, hiermit eine eine weiträumige Einsatzleitung zu koordinieren. Für ein funktionierendes Sicherheitskonzept müsste diese koordinierte Zusammenarbeit aller Sicherheitskräfte jedoch oberste Priorität haben.

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