Ausprobiert

Galaxy Tab S6 Lite im Test: Samsung, ist das ernst gemeint?

Gute Mittel­klasse-Tablets um 400 Euro gibt es nur noch wenige. Das Galaxy Tab S6 Lite hätte eines sein können - wenn Samsung nicht beim Display so stark den Rotstift ange­setzt hätte, dass es weh tut.
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Die Verpackung des Galaxy Tab S6 Lite Die Verpackung des Galaxy Tab S6 Lite
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Mit der Einfüh­rung des iPad vor zehn Jahren erlebten Tablets einen Boom - aber was ist davon übrig geblieben? Tablets gibt es immer noch in verschie­denen Preis­klassen zu kaufen. Manchmal kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass die Hersteller die Lust an der Tablet-Entwick­lung verloren haben - auch das Samsung Galaxy Tab S6 Lite ist ein Beispiel dafür.

Offenbar kennen Tablet-Inter­es­senten nur noch zwei Preis­klassen: Billig-Tablets für 150 Euro zum Anschauen von Filmen und Serien - und echte Arbeits-Tablets, möglichst mit Hard­ware-Tastatur, die ab 600 Euro aufwärts kosten und den Laptop auch leis­tungs­tech­nisch ersetzen können. Aber die Tablet-Mittel­klasse dazwi­schen mit Preisen um 300 bis 400 Euro wird von den Herstel­lern seit Jahren sträf­lich vernach­läs­sigt. Wir mussten also auch beim Galaxy Tab S6 Lite schmerz­lich fest­stellen, wo Samsung den Rotstift ange­setzt hat. Die Verpackung des Galaxy Tab S6 Lite Die Verpackung des Galaxy Tab S6 Lite
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Ein abge­specktes Galaxy Tab S6

Samsung Tab S6 Lite

Das 2019 vorge­stellte Galaxy Tab S6 ist noch so ein Ober­klasse-Tablet, das höhere Ansprüche befrie­digt, mit 600 Euro in der Wifi-Version und 650 Euro in der LTE-Vari­ante ist es aller­dings sicher­lich vielen Kunden zu teuer. Beim im April vorge­stellten Galaxy Tab S6 Lite hat Samsung einen Preis von etwa 410 Euro für die WLAN-Version ange­peilt. Nach mehreren Monaten ist die LTE-Vari­ante im Online-Handel inzwi­schen bereits ab 365 Euro erhält­lich - und genau diese Vari­ante haben wir kurz einem Test unter­zogen.

Im April wurde Samsung dafür gelobt, dass diverse Features vom teureren Galaxy Tab S6 auch den Weg zur Lite-Vari­ante gefunden haben. Beispiels­weise ist der Einga­be­stift auch bei dem güns­ti­geren Tablet im Preis inbe­griffen. Ohne Zweifel ist das Galaxy Tab S6 Lite auch system­tech­nisch mit Android 10 ein modernes Tablet.

An der Verar­bei­tung gibt es eben­falls nichts auszu­setzen - das Tablet ist verwin­dungs­steif, lässt sich nirgends eindrü­cken und macht einen soliden Eindruck. Die Rück­seite ist aller­dings so beschaffen, dass sie Finger­ab­drücke schon nach kürzester Zeit magisch anzieht. Wer also nicht ständig ein Putz­tuch mitnehmen möchte, sollte das Tablet im dafür vorge­se­henen Book Cover trans­por­tieren. Das origi­nale Book Cover von Samsung ist mit rund 43 Euro zusätz­lich aller­dings nicht gerade ein Schnäpp­chen. Galaxy Tab S6 Lite mit mitgeliefertem Zubehör und optionalem Book Cover Galaxy Tab S6 Lite mit mitgeliefertem Zubehör und optionalem Book Cover
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Rotstift beim Display ange­setzt

Vor Jahren glänzte Samsung bei Tablets auch in dieser Preis­lage noch mit farb­schönen, hoch­auf­lö­senden und ausge­spro­chen hellen AMOLED-Displays. Nun müssen wir konsta­tieren, dass von diesem Anspruch beim Samsung Galaxy Tab S6 Lite nichts mehr übrig geblieben ist. Das Tablet hat schlicht und ergrei­fend ein 10,4-Zoll-IPS-Display mit einer sehr nied­rigen Auflö­sung von 2000 mal 1200 Pixel einge­baut, das 224 dpi schafft.

Was Samsung sich dabei gedacht hat, einem 400-Euro-Tablet das Display eines 150-Euro-Tablets einzu­bauen, blieb uns ein Rätsel. Schon vor Jahren gab es von Samsung Tablets in der 400-Euro-Klasse, die mindes­tens 2560 mal 1600 Pixel beherrschten (zum Beispiel das Galaxy Tab S 10.5 LTE im Herbst 2014). Selbst wenn man die Display-Hellig­keit auf die höchste Stufe aufdreht, ist das Galaxy Tab S6 Lite bei Sonnen­schein nur schlecht benutzbar, für die Arbeit in geschlos­senen Räumen reicht es aus.

Die Single-Hauptkamera beherrscht nur 8 Megapixel Die Single-Hauptkamera beherrscht nur 8 Megapixel
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Beson­ders blick­win­kel­stabil ist das Display des Galaxy Tab S6 Lite eben­falls nicht - wenn man es in einem Winkel von 90 Grad vors Gesicht hält, ist es natür­lich gut benutzbar. Wer nun denkt, "das wird mit der nächsten Genera­tion bestimmt wieder besser", muss sich warm anziehen: Das teure Galaxy Tab S7(+) wird wahr­schein­lich nur ein LC-Display mit 2560 mal 1600 Pixel haben, für Gerüchte zu einem Galaxy Tab S7 Lite ist es noch zu früh.

Welche Produkt­phi­lo­so­phie Samsung hier momentan reitet, ist also unver­ständ­lich, ist doch das Display eines der wesent­lichsten Elemente eines Tablets, wohin­gegen man auf einen Einga­be­stift mögli­cher­weise hätte verzichten oder für diesen auf Wunsch einen Aufpreis bezahlen könnte. Wer also die farb­kräf­tigen AMOLED-Displays von Samsung gewöhnt ist, für den ist die eher kühle Farb­tem­pe­ratur des Galaxy Tab S6 Lite verbunden mit der gerin­geren Auflö­sung enttäu­schend. Tablet und Stift halten rein magnetisch im Book Cover Tablet und Stift halten rein magnetisch im Book Cover
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Leis­tung und Akku

Mit dem Octa-Core- SoC Exynos 9611 (4x 2,3 GHz und 4x 1,7 GHz) hat Samsung dem Galaxy Tab S6 Lite immerhin einen der Preis­klasse ange­mes­senen Prozessor spen­diert, der zwar keine Höchst­leis­tung voll­bringt, aber für mehr als nur Medi­en­wie­der­gabe taugt. Er ist sogar für mittel­mäßig anspruchs­volle Spiele geeignet, in unserem Bench­mark­test schaffte der Chip 33 Bilder pro Sekunde, was als flüssig gilt. Bei beson­ders aufwen­digen Berech­nungen gab es aber auch Einbrüche auf unter 10 Bilder pro Sekunde, was dann als Ruckeln sichtbar war. Für alltäg­liche Büro­ar­beiten, Bild­nach­be­ar­bei­tung oder krea­tives Zeichnen mit dem Stift ist der Chip aber richtig dimen­sio­niert.

Wiederum unver­ständ­lich bleibt hingegen, warum Samsung dem Tablet nur 4 GB statt 6 GB RAM spen­diert hat, was in dieser Preis­lage eigent­lich zu erwarten gewesen wäre. Damit hätte man sicher­lich noch einiges an Leis­tung heraus­kit­zeln können, vor allem im Hinblick darauf, dass das Tablet vermut­lich auch Android 11 bekommen wird, was dann (hoffent­lich) wegen des Arbeits­spei­chers nicht zu Leis­tungs­ein­bußen führen wird. Die 64 GB Flash-Spei­cher gehen deswegen in Ordnung, weil der Spei­cher per microSD-Karte um bis zu 1 TB erwei­terbar ist. Von den 64 GB Flash-Spei­cher stehen für den Nutzer übri­gens noch rund 49 GB zur Verfü­gung.

Der 7040-mAh-Akku geht für die Preis­klasse eben­falls in Ordnung. Samsung gibt für Video­wie­der­gabe per WLAN rund 12 Stunden Nutzungs­zeit an, wir denken, dass ein Wert um 10 Stunden der Realität näher kommt. USB-C-Anschluss und ordentliche Lautsprecher USB-C-Anschluss und ordentliche Lautsprecher
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Anschlüsse, Konnek­ti­vität, Sound & Einga­be­stift

Mit einem Computer verbunden wird das Galaxy Tab S6 Lite über ein USB-C-Kabel, aller­dings nur per USB 2.0 und auch Mobile High-Defi­ni­tion Link oder die DeX-Funk­tion beherrscht das Tablet nicht. Einen 3,5-mm-Klin­ken­an­schluss hat das Tablet aber noch. WLAN 802.11 a/b/g/n/ac wird um 2,4 GHz und 5 GHz unter­stützt, LTE in allen hier­zu­lande gebräuch­li­chen Frequenz­be­rei­chen. Bei der Konnek­ti­vität gibt es also nichts zu meckern.

Auch einen guten Sound können wir den einge­bauten Laut­spre­chern beschei­nigen, wenn­gleich es Gerüchte gegeben hat, dass Samsung die Anzahl an Laut­spre­chern im Vergleich zum teureren Galaxy Tab S6 von vier auf zwei redu­ziert hat. Für unseren Geschmack reichen die Laut­spre­cher zum Anschauen von Filmen und Serien aus, sie haben einen über­ra­schend klaren und räum­li­chen Klang. Die Sound­technik stammt von AKG, das seit einiger Zeit zum Samsung-Konzern gehört.

Der passive Einga­be­stift ohne Blue­tooth liegt gut in der Hand und das Tablet reagiert insbe­son­dere unter Android sehr flott auf alle seine Eingaben, auch bei Google- und Samsung-Apps ist der Stift eine Hilfe. Fremde Apps arbeiten mögli­cher­weise mit der Stift­be­die­nung etwas lang­samer, in diesem Fall sollte man wieder zur Touch­ein­gabe wech­seln. Der passive Eingabestift funktioniert gut, hat aber kein Bluetooth Der passive Eingabestift funktioniert gut, hat aber kein Bluetooth
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Fazit: Mittel­klasse-Tablet mit Schwä­chen

PRO
  • Android 10
  • ordent­liche Leis­tung und Akku­lauf­zeit
  • S Pen im Liefer­um­fang
CONTRA
  • schlechtes Display
  • nur 4 GB RAM
  • anfällig für Finger­ab­drücke
Die Einzelnoten im Tablet-Test:
  • Technische Ausstattung: 3
  • Material / Verarbeitung: 2
  • Bedienung / Handling: 1
  • Betriebssystem / Apps: 2
  • Einschätzung des Redakteurs: 3
  • Gesamtnote: 2,2
Das Galaxy Tab S6 Lite hinter­lässt im Test einen merk­wür­digen Eindruck. Mit seiner Verar­bei­tung und ordent­li­chen Leis­tung hebt es sich deut­lich von Billig-Tablets ab, mit dem Einga­be­stift bringt es sogar ein Premium-Feature mit. Akku­lauf­zeit, Android 10 und Konnek­ti­vität sind in Ordnung. Für das nicht beson­ders helle Display mit einer derart geringen Auflö­sung in dieser Preis­lage muss Samsung sich aller­dings in die Ecke stellen und schämen, das ist der größte Schwach­punkt des Tablets, der bei der Nach­folge-Genera­tion drin­gend korri­giert werden sollte.

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